70200 Musiksamples bei der GEMA

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 21.08.2008
Rechtsgebiete: GEMAKreidlerMusikUrheber- und Medienrecht11|4551 Aufrufe

Der Musiker Johannes Kreidler will einen Song TItel: Product Placement) mit 70.200 Samples bei der GEMA anmelden, um damit auf die Verwertung im digitalen Zeitalter und die Rückständigkeit der Verwertungsgesellschaften hinzuweisen. Der Song ist nur 33 Sekunden lang. Inwieweit die GEMA in der
Lage ist, die große Flut der Anträge des Musikers abzuarbeiten, ist fraglich. Allerdings wird erwartet, dass die GEMA eine passende Ausrede findet wird, um sich mit diesen nicht auseinandersetzen zu müssen.

Quelle:
http://www.gulli.com/news/urheberrecht-musiker-will-song-2008-08-19/

das Musikstück und das dahinterstehende Projekt abrufbar unter:

http://www.kreidler-net.de/productplacement.html

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11 Kommentare

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Die Lösung liegt doch auf der Hand, wenn man ein bisschen Ahnung vom Urheberrecht hat: Glaubt Herr Kreidler ernsthaft, dass irgendeines seiner winzigen Samples Schöpfungshöhe erreicht? Seine "Kunstaktion" wird nicht anders enden als die zahllosen querulatorischen Schreiben, mit denen sich Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden regelmäßig herumschlagen müssen. Es wird Arbeitszeit gebunden, die für sinnvollere Dinge eingesetzt werden könnte und sollte. Im nächsten Atemzug wird sicher aus der gleichen Ecke über die hohen Verwaltungskosten der Verwertungsgesellschaften geklagt werden -- zu denen Herr Kreidler mit seiner überflüssigen Aktion weit mehr als nur sein Scherflein beiträgt.

Die Erwartung einer "passenden Ausrede" ist angesichts dessen ziemlich tendenziös formuliert für einen Urheberrechtsprofessor und Richter in einem Urheberrechtssenat am OLG. Beim besten Willen schaffe ich es nicht, Sympathie für Herrn Kreidler zu empfinden. Ihm muss es ziemlich gut gehen im Vergleich zu anderen Musikurhebern, die für die Arbeit der GEMA dankbar sind.

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Lieber Zeitgenosse,
von Sympathie kann nicht die Rede sein. Ich sehe die Aktioon von Kreidler als künstlerische Spassattacke, die allerdings in einem Aspekt meine Sympathie findet: Sie bringt (hoffentlich) die Diskussion um das Urheberrecht weiter in die Öffentlichkeit und führt zu einer öffentlichen Diskussion über Verwertungsgesellschaften. Ihr TH

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Die hinter der Aktion stehende Absicht, die Zeitgemäßheit der bestehenden Strukturen in der Musikverwertung zu hinterfragen, ist auf jeden Fall zu begrüßen. Man würde sich allerdings wünschen, dass die Ausführung etwas sorgfältiger erfolgt. Wer das Urheberrechtssystem wie im Projektvideo beschrieben kritisiert, sollte sich zuvor intensiver mit diesem System auseinandersetzen. Nicht, dass die im Projektvideo (Langfassung) zu Wort kommende Urheberrechtsexpertin fehlerhafte Ausführungen machen würde. Die sind allesamt korrekt. Nur passen sie leider nicht ganz auf die geplante Aktion:

Urheberrechte an den verwendeten Kompositionen: Sicher gibt es keine quantitative Schutzuntergrenze ("zwei Sekunden", "vier Takte" etc.) für Ausschnitte aus Musikwerken. Dass aber ein Ausschnitt mit einer Länge von einer Hundertstel- oder Zehntelsekunde aus einer Komposition die erforderliche Schöpfungshöhe erreicht, um Gegenstand eines genehmigungspflichtigen Vervielfältigungsvorgangs zu sein, darf getrost bezweifelt werden. Zuständig wäre hier zwar die GEMA. Sie wird bei dieser Sach- und Rechtslage aber kaum ernsthaft in Aktion treten müssen.

Leistungsschutzrechte an den Samples: Leistungsschutzrechte können hier betroffen sein. Nach allgemeinen Grundsätzen (und OLG Hamburg, GRUR-RR 2007, 3 - Metall auf Metall) greift die ausschnittsweise Vervielfältigung und Verbreitung eines Tonträgers in die Leistungsschutzrechte des Tonträgerherstellers ein. Wenn im Wege des Sampling nur kleinste Tonpartikel einer fremden Tonaufnahme verwendet werden, kann im Einzelfall eine Verletzung der Tonträgerherstellerrechte zu verneinen sein (vgl. OLG Hamburg GRUR Int 1992, 390 - Tonträgersampling, und NJW-RR 1992, 746). Wie dem auch sei: Selbst wenn die Soundschnipsel Leistungsschutz genießen, sind die Plattenfirmen die richtigen Ansprechpartner für eine Rechtseinräumung, nicht die GEMA, die der Künstler ja eigentlich treffen will.

Fazit: Tolle Idee, leider etwas sinnlos.

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Lieber Sampler,
klasse Statement - kann ich nur unterschreiben. Wenn Leistungsschutzrechte der Tonträgerhersteller, wäre evtl. auch die GVL der bessere Ansprechpartner für die Aktion gewesen. Gruss TH

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Sampler hat es noch besser auf den Punkt gebracht: Das Urheberrecht der Komponisten ist sicher nicht betroffen. Zu kritisieren wäre eher die Rechtslage beim Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers.

Der Sinn der "verwandten Schutzrechte", wie das UrhG sie nennt, ist ja, auch demjenigen einen dem Urheberrecht ähnlichen Schutz zu gewähren, der organisatorische (aber eben, mit Ausnahme der ausübenden Künstler, nicht kreative) Leistungen dafür erbringt, dass Werke der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Ob dieser Schutz so weit gehen muss, dass auch kleine Samples nur mit Einwilligung verwendet werden dürfen, kann man sicher in Frage stellen. Wie der Beschluss des BVerfG zum Stück "Germania 3" von Heiner Müller zeigt, ist im Urheberrecht das Zitatrecht flexibel genug, der künstlerischen Entfaltung ausreichend Raum zu geben, wenn der einwilligungsfreie Rückgriff auf vorbestehener Werke zum künstlerischen Ausdruck unerlässlich ist (http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg100-00.html).

Wenn man also ganze Passagen von Bert Brecht in ein Theaterstück einbauen darf, warum soll es bei kurzen Samples unmöglich sein? Die "Aktion" von Johannes Kreidler wirft wesentlich spannendere rechtliche Fragen auf, als ihm offenbar bewusst ist.

@Prof. Hoeren: Ich hatte mich vor allem an Ihrer Formulierung "passende Ausrede" gestört, die insinuiert, dass die GEMA sich mit einem billigen Trick aus der Affäre ziehen könnte. Der zu erwartende Hinweis darauf, dass gar keine Urheberrechte betroffen sind und die Abertausende Anträge nichts als Schikane darstellen, ist sicher keine "Ausrede", sondern völlig berechtigt. M.E. wird die ganze Aktion außer ein paar Schlagzeilen nichts erbringen und ist deshalb in meinen Augen überflüssig und ärgerlich.

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Zu Zeitgenosse: Ich wollte nicht der GEMA unterstellen, billige Ausreden zu formulieren. Die Künstleraktion ist urheberrechtlich nicht ernst zu nehmen und dementsprechend auch nicht fachwissenschjaftlich zu beantworten. Daher meine ich mit "Ausrede": Wie reagiert die GEMA nicht-fachlicxh auf solche "Happenings"?

Und Neues in Sachen Verwertungsgesellschaften und Kartellrecht
http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/08/1165&forma...

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Was die Kommentatoren offenbar nicht verstanden haben: Die GEMA verlangt bei einer Werkanmeldung die Nennung jeglichen Fremdanteils, egal wie lang, und da setzt Kreidler an, denn da wird Kreativität behindert. Natürlich treibt er das provokant auf die Spitze mit seinen Mikro-Zitaten, aber das soll ja auch symbolisch sein für die Menge an Daten, die heute im Netz kursieren und kreativ bearbeitet werden könn(t)en.

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Hier ein Resumée der vorgestrigen GEMA-Aktion (besten Dank an Matthias Böse für den Hinweis). Nun gut - das Ergebnis bestätigt, daß das Ganze eher eine künstlerische Spassaktion gewesen ist - aber mit einem Effekt: Über Urheberrecht wird diskutiert - und das selbst in Kreisen, die vor 10 Jahren keine Ahnung hatten, was das ist.

http://www.heise.de/newsticker/meldung/115905

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