Domain-Bestellabwicklung als Dienstleistungsautomat i.S.v. § 265a StGB

von Jan Spoenle, veröffentlicht am 27.08.2008

Das LG Freiburg hat mit Urteil vom 23. Juli 2008 (Az. 7 Ns 240 Js 11179/04 - AK 63/08; nicht rechtskräftig) einen aus Sicht des Internetstrafrechts interessanten Fall entschieden: Das ausführlich begründete Urteil widmet sich der Abgrenzung der Auffangtatbestände des Betrugs - liegt bei der Bestellung von Domains unter Verwendung einer automatisierten Bestellabwicklung im Internet in vollem Bewusstsein mangelnder Zahlungsfähigkeit ein Computerbetrug (§ 263a StGB) oder ein Erschleichen von Leistungen (§ 265a StGB) vor?

Der Sachverhalt ist schnell erklärt: Obwohl keine ausreichende Kontodeckung bestand, hat der Angeklagte eine große Zahl von Domains in der Hoffnung bestellt, sie teuer an interessierte Dritte verkaufen zu können, und damit einen Schaden von über 80.000 Euro verursacht. Die Registrierung und Konnektierung wird wie üblich vollautomatisch abgewickelt und zunächst vom Hosting-Unternehmen übernommen, aber zeitnah abgerechnet. Die Bankverbindung und Einzugsermächtigung werden nur beim ersten Kontakt des Kunden mit der Bestellmaske abgefragt, zukünftig wird auf diese Angaben ohne Bonitätsprüfung zurückgegriffen.

Das LG hat versuchten und vollendeten Betrug mangels Täuschung eines Menschen und Computerbetrug mangels unbefugter Verwendung von Daten abgelehnt: Nach allen Auffassungen zur Auslegung dieses Merkmals liege keine unbefugte Verwendung vor - der Angeklagte konnte über seine Bankdaten selbst verfügen (subjektivierende Auffassung), hat durch das Zusammenklicken der Bestellungen nicht auf den DV-Vorgang eingewirkt (computerspezifische Auslegung) und bei vergleichbarer manueller Bearbeitung von Bestellungen wird die Bonität ebenfalls nicht geprüft (betrugsspezifische Auslegung). Stattdessen wurde der Angeklagte wegen des Erschleichens einer Automatenleistung i.S.d. § 265a StGB verurteilt.

Das LG Freiburg sieht dabei die automatisierte Bestellabwicklung des Webhosters als Dienstleistungsautomaten an, dessen Leistung sich der Angeklagte nach allen Auffassungen "erschlichen" habe: Genügt jede unbefugte Inanspruchnahme, so liegt das auf der Hand; eine andere Auffassung fordert die Umgehung oder Ausschaltung von Sicherheitsvorkehrungen, wobei jedoch manche Autoren und die Rechtsprechung - insbesondere in den Fällen des Schwarzfahrens - das Sich-Umgeben mit dem Anschein der Ordnungsmäßigkeit in äußerlich erkennbarer Weise genügen lassen. Das LG Freiburg vergleicht den vorliegenden Fall mit Schwarzfahrer-Fällen: Der Abbau von Personal, dessen Ersatz durch automatisiert arbeitende Computersysteme, das Vertrauen in die Zahlungsbereitschaft der Kundschaft sollen nicht zu Strafbarkeitslücken führen, und § 265a StGB sei als Auffangtatbestand zum Betrug das passende Gegenmittel - das Erschleichen der Leistungs sei als Täuschungssurrogat anzusehen.

Zwar, so das LG, hätte auch ein Mitarbeiter des Webhosters keine Prüfung der Bonität vorgenommen, aber ein solcher hätte auch nicht die Funktion eines Vertreters beim Vertragsabschluss - letzterer komme nur aufgrund der schlüssig erklärten Angaben des Kunden zustande, die jeder Bestellung seit der Ersteingabe zugrunde liegen. Durch den Login in das Kundenkonto und das Zusammenklicken von Bestellungen verhalte sich der Kunde unauffällig und erwecke den Anschein der Ordnungsmäßigkeit - wie beim Schwarzfahren. Eine weite Auslegung des Begriffs "Erschleichen" sei notwendig, um zu verhindern, dass durch den technischen Fortschritt eine Strafbarkeitslücke entstehe - dies würde der Auffangfunktion von § 265a StGB widersprechen, so das Gericht.

Die Absicht, das Entgelt nicht zu errichten, war nach den Feststellungen unproblematisch gegeben. Der Angeklagte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt. Ein interessantes Urteil, wie ich finde - was halten die Beck-Blog-Leser von der Begründung?

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