Strafverbot von "Jugendpornographie" tritt bald in Kraft

von Prof. Dr. Marc Liesching, veröffentlicht am 28.08.2008

Der Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie hat in der Fassung der Beschlussempfehlung des Bundesrates den Deutschen Bundestag in dritter Lesung passiert und wird voraussichtlich noch im Herbst 2008 in Kraft treten.

Nach der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses sollen die bislang gemeinsam mit kinderpornographischen Schriften neu zu regelnden, so genannten jugendpornographischen Schriften nunmehr eigenständig im Rahmen eines neu zu fassenden § 184c StGB normiert werden. Hintergrund hierfür ist die Erwägung des Rechtsausschusses, dass die Verbreitung, der Erwerb und der Besitz kinderpornographischer Schriften einen höheren Unrechtsgehalt aufweisen als die Verbreitung, der Erwerb und der Besitz jugendpornographischer Schriften (vgl. BT-Drs. 16/9646, S. 34 f., 38 f. der elektronischen Vorab-Fassung).

Damit wird nunmehr § 184c StGB voraussichtlich in folgender Fassung in Kraft treten:

§ 184 c [Verbreitung, Erwerb und Besitz jugendpornographischer Schriften]

„(1) Wer pornographische Schriften (§ 11 Abs. 3), die sexuelle Handlungen von, an oder vor Personen von vierzehn bis achtzehn Jahren zum Gegenstand haben (jugendpornographische Schriften),

1. verbreitet,

2. öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht oder

3. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Nummer 1 oder Nummer 2 zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer es unternimmt, einem anderen den Besitz von jugendpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und die jugendpornographischen Schriften ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben.

(4) Wer es unternimmt, sich den Besitz von jugendpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches Geschehen wiedergeben oder wer solche Schriften besitzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Handlungen von Personen in Bezug auf solche jugendpornographische Schriften, die sie im Alter von unter 18 Jahren mit Einwilligung der dargestellten Personen hergestellt haben.

(5) § 184b Abs. 5 und 6 gilt entsprechend."

Das neue Strafverbot führt zu einer ganz erheblichen Ausweitung des bisherigen Tatbestandsbereichs der Kinderpornographie. Erfasst werden künftig bei den praktisch relevanten Verbreitungshandlungen auch pornographische Darstellungen von allen Personen unter 18 Jahren und zudem auch von so genannten "Scheinminderjährigen", also sochen Darsteller(innen), die zwar objektiv volljährig sind, aber nach ihrem äußeren Erscheinungsbild als minderjährig eingestuft werden können. Für die einschlägigen Medienunternehmen ist damit zur Vermeidung von Strafbarkeitsrisiken noch vor Inkrafttreten der Strafbestimmungen eine Überprüfung des eigenen Angebotes erforderlich.

Maßgeblich muss hierbei zunächst sein, rechtssicher Kriterien zur Bestimmung einer etwaigen "Scheinminderjährigkeit" festzulegen. Der Gesetzgeber lässt hier die Normadressaten weitgehend im Regen stehen. Bei Zugrundelegung der bisher zu verzeichnenden regen Aufsichtspraxis und der ergangenen Rechtsprechung zum Parallelverbot von Posendarstellungen Minderjähriger (§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 JMStV) ist jedoch davon auszugehen, dass nunmehr auch die Strafverfolgungsbehörden sich alleine von der Unbestimmtheit der vom Gesetzgeber insoweit gemachten Vorgaben nicht abschrecken lassen werden.

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165 Kommentare

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@ Peter Mulzer

Nein, Kaffee koche ich denen nicht. Dann hab ich noch gleich das nächste Verfahren am Hals:

"Versuch der Bestechung"

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Das "alles Böse" aus den USA kommt würde ich nicht unterschreiben.

Aber ich sehe, dass oft eine ganz normale Kritik an den USA als "unfundierte Amerikafeindlichkeit" dargestellt wird.

Und Kritik an den USA habe ich genug - mal angefangen mit DMCA (digital millennium copyright act) über eine Wirtschaftspolitik, die dafür gesorgt hat, dass jetzt der Staat den Banken eine Milliarde Dollar in den Rachen wirft, weil die ihr Geld in kurzfristiger Gier verpulvert habe (aktuell) bis hin zu Kriegen um die Vorherrschaft in Ölreichen Gebieten, die den internationalen Terrorismus fördern, der vorrangig von Gruppen kommt, die die USA selbst aufgebaut haben um damals die Russen zu schädigen.

Und die Leute in den USA haben denjenigen, der die ganzen Kriege und einen großen Teil der wirklich idiotischen Gesetze verbrochen hat, auch noch wiedergewählt.

Also: Ja, ich kritisiere die USA für vieles, was sie tun.

Die haben damals in der Prohibition ("Alkohol = Böse") schon völlig unnötig einen großen Teil ihrer Bevölkerung kriminalisiert, und jetzt nutzen sie den (völlig legitimen und wichtigen) Kampf gegen Kinderpornographie, um einen Prohibitionskrieg gegen einen großen Teil der Erotik zu führen - und unser Staat ist dämlich genug da mitzumachen.

Erotik ist Teil unserer Kultur, und wenn eine Frau jünger als 18 aussieht, sollte das, wenn sie zufällig Pornodarstellerin ist, kein Berufsverbot sein.

Habe ich es eigentlich richtig verstanden, dass sich der Paragraph nicht nur gegen Filme richtet, sondern auch gegen jede geschriebene plain-text Geschichte in der Sex zwischen Jugendlichen (oder jugendlich beschriebenen) auf anregende Art erzählt wird?

Genauso auch gegen Comics, in denen die Charaktere jünger als 18 aussehen? (Wer hier Beispiele will, kann einfach mal in einen beliebigen Comicladen vorbeischauen und per Zufall drei Comics aus dem Regal nehmen. Die Chancen sind groß, dass mindestens einer der Comics Charaktere darstellt, die jünger als 18 aussehen - bei Mangas reicht es, einen rauszunehmen).

Und gegen Zeichentrickfilme?

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Das eben ist die Problematik - Texte sind selbstverständlich mit Besitzverbot belegt, soweit es sich um (Jugend-) Pornographie handelt. Ihre Annahme ist also durchaus richtig. Was nun aber literarische Pornographie h e u t e ist, weiß niemand. Wir haben nur ur-alte Definitionen dazu, die beim besten Willen nicht mehr herangezogen werden können, da sich der Kunstbegriff in der Literatrur inzwischen geändert hat.

Aktuell ist der Pornographiebegriff - notabene indirekt - nur in der Rechtsprechung zu den Medienschutzgesetzen halbwegs erkennbar, nämlich in Richtung auf soziale Desorientierung. Das Gefasel von der Hervorhebung und Alleinstellung, der Herauslösung aus menschlichen Bezügen usw., das die a l t e Pornographierechtsprechung betrifft, hilft heute nicht mehr weiter.

Manga, Comix usw. sind ausdrücklich in den Anhörungen als zu verbieten genannt worden, soweit sie jugendpornographisch seien. Sollte man sie jedoch als Kunstform einschätzen, dann sind sie nicht pornographisch und also auch nicht mit Besitzverbot belegt.

Es wird aber noch komplizierter. Die Fachjuristen, von denen ich sehr viel halte und auf die ich vertraue, werden sofort nach der Gesetzeskraft antreten und sich Gedanken machen dazu. Dann sehen wir weiter. Vermutlich bekommen die Gesetzesmacher schon dann eine ganze Serie von Ohnfeigen verabreicht.

Schlampig verabschiedete bzw. formulierte Gesetze rächen sich auf der Stelle. Ich warte auf den ersten Verriß in der NJW. Würde ich in den beteiligten Ministerien sitzen, wäre mir nicht wohl zumute.

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Ich sehe schon die tausenden von Abmahnungen gegen jugendliche Hobbyautoren und Zeichner vor mir... das Gesetz könnte eine sehr düstere Zeit starten, bis es endlich korrigiert wird.

Und ich sehe eine gesamte Mediensparte (Mangas und Animes) einen grausigen Tod sterben, wenn sich die Leute nicht auf der Stelle bewegen.

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Eine vernünftige Zwischenlösung würde sein, wenn ministeriell empfohlen wird, Jugendpornographie, die v o r dem Zeitpunkt des Inkafttreten des Gesetzes im Buch- und Zeitschriftenhandel erschienen, geschrieben oder fotografiert worden ist, im B e s i t z straflos sein zu lassen.

Das würde die Situation entkrampfen. Man könnte sich seitens der Justiz auf Klärung der Pornographie-Grenzfragen in Ruhe konzentrieren, das Antiquariat und der Neubuch- und Zeitschriftenhandel würden bis dahin natürlich auf den Vertrieb verzichten, es dürfte nichts neu produziert bzw. ins Netz gestellt werden.

Damit würde vermieden, daß jeder xte Staatsbürger wegen A l t b e s i t z e s auf Anhieb mit Gefängnis zur Bewährung bestraft werden könnte, weil er längst angestaubte Hustler, Bravo usw. besitzt.

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Das witzige zum Thema "Alles schlechte kommt aus den USA" ist ja, daß der Supreme Court die dortigen Regelungen zur "virtuellen" Pornographie, also Texte, Comics, Fotos mit "Scheinminderjährigen" schon wieder kassiert hat. In den USA gibt es nämlich durchaus einen Gesetzgeber, der bei diesen Dingen zur Hysterie neigt... aber eben auch eine Verfassung, die dem Treiben eben dieses Gesetzgebers enge Grenzen setzt.

Wir haben es hierzulande also geschafft, prüder (jedenfalls von staatlicher Seite her) zu sein als die USA. Ich sage voraus, daß das keinen der intellektuellen Ignoranten abhalten wird, unser schönes Deutschland weiterhin für das weltoffenste, aufgeschlossenste und liberalste Land der Welt zu halten.

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Es gibt im neuen §184c keine Regelung zur Scheinminderjährigkeit. Diese bleibt weiterhin straffrei.
Im Gesetzgebungsverfahren war ursprünglich ein solcher Passus vorgesehen, der aber auch von den zuständigen Ausschüssen als blödsinnig erkannt und entfernt wurde.
Dieses ganze Tamtam ist ein herrliches Beispiel, wie sich eine riesige Blase voll heißer Luft erheben kann - aufgrund falscher Informationen, falscher Auslegung und deren hartnäckiger Weiterbeachtung, und das leider nicht nur von Laien.

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@arnold

Sorry, aber ich habe den beschlossenen Text vorliegen. Bitte verbreite nicht solch einen Unsinn. Die Scheinminderjährigkeit ist sehr wohl ein Problem. Das was du vermutlicherweise ansprichst, ist der Änderungsantrag der Grünen, der aber, wie allgemein bekannt, verworfen wurde.

Sollte System darin liegen, abzuwiegeln? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

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@Reinhard

Vergiss doch einmal die bisherigen Dutzende von Beiträgen zum Thema und lies den Gesetzestext nochmal:

§184c(1) legt eindeutig fest, was jugendpornographische Schriften sind.

Und niemand unter 18 kann "scheinminderjährig" sein.

Deshalb ist ein großer Teil der Debatte sinnlos.

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[...]Arnold Kommentar 25. September 2008 - 15:28
Es gibt im neuen §184c keine Regelung zur Scheinminderjährigkeit. Diese bleibt weiterhin straffrei.
[...]

und was ist dann bitte unter "wirklichkeitsnahes Geschehen" zu verstehen vgl.
[...](2) Ebenso wird bestraft, wer es unternimmt, einem anderen den Besitz von jugendpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben.[...]?

bombjack

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Man kann diese unglückliche Formulierung stark vereinfachend mit "echt" oder "real" übersetzen; zur Abgrenzung vom "Fiktiven".

"Tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen" sind z.B. Fotos aller Art oder ein echter oder geschauspielerter Videofilm - im Gegensatz zu einem Weltraummärchenroman oder bestimmten Mangas. Aber wohlgemerkt mit Personen unter 18 Jahren, nicht über 18 Jahren.

Hier ergeben sich ganz neue Probleme. Das hat aber nichts mit Scheinminderjährigkeit zu tun, und ausschließlich darum geht es mir. Ich widerspreche diesbezüglich ausdrücklich der ganz oben in der Einladung zur Diskussion geäußerten Auffassung Dr. Marc Lieschings.

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Solange auf mehreren fachjuristischen Seiten und sogar in einer ministeriellen Veröffentlichung die Brücke vom "wirklichkeitsnahen Geschehen" zur "Scheinminderjährigkeit" geschlagen wird, sehe ich gar keine Veranlassung, da die rosarote Brille aufzusetzen. (Ich bin jetzt zu faul, die Fundstellen herauszusuchen.)

Tatsächlich kann - das wurde schon in der Expertenanhörung angesprochen - niemand zwischen der Altersttufe unter oder über 18 unterscheiden. Wir haben, das bestätigt Ihnen jeder Sportlehrer oder Schularzt, 15jährige, die wie 18 aussehen, und 18jährige, die man auf gut 15 schätzen würde.

Das wäre somit die Generalklausel, um jegliche Jugendpornographie straffrei zu machen. Ich sage das jetzt als advocatus diaboli. Wenn die Scheinjugendlichkeit nicht einbezogen wird, kann ich das halbe Jugendpornogesetz vergessen.

Darf ich noch anmerken: Das Familienministerium betont in den letzten Urteilen zum Medienschutzrecht, die "Anmutung" von Jugendlichen solle vermieden werden, und bezieht sich dabei auch auf den "Schulmädelkomplex". Tatsächlich ist die Schulmädelmanie ja ein Hauptträger der heterosexuellen Jugendprostitution und -pornographie. Ich werde das Gefühl nicht los, daß hier Querverbindungen zur "Scheinjugendlichkeit" im neuen Pornographiegesetz gewollt sind, daß es also Verbindungen zwischen den alten Medienschutzbestimmungen und der neuen Jugendpornographie-Pönalisierung gibt. Was dann vielleicht die Interpretation erleichtert, leider.

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@Arnold/Bombjack:

Arnold schrieb:

“Tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen” sind z.B. Fotos aller Art oder ein echter oder geschauspielerter Videofilm - im Gegensatz zu einem Weltraummärchenroman oder bestimmten Mangas. Aber wohlgemerkt mit Personen unter 18 Jahren, nicht über 18 Jahren.

Ihr habt in gewisserweise beide recht. Und Dr.Liesching hat ja den Begriff "Scheinminderjährigkeit" auch in Anführungszeichen gesetzt, allerdings ist sein zweiter Halbsatz : "also solchen Darsteller(innen), die zwar objektiv volljährig sind, aber nach ihrem äußeren Erscheinungsbild als minderjährig eingestuft werden können." eher eine Befürchtung, als daß es eine juristische Schlußfolgerung wäre, denn die Klausel der Scheinminderjährigkeit ist ja in der verabschiedeten § Fassung gestrichen worden.

Trotzdem wird diese "Scheinminderjährigkeit" eine Rolle spielen.

Mit "wirklichkeitsnahem" Geschehen sind letztendlich Abbildungen, Zeichnungen, Fotos usw. gemeint, die die Wirklichkeit einigermaßen konkret abbilden. Man hätte hier besser den Begriff "virtuell" verwenden sollen. Es gibt ja schon seit 1993 Erfahrungen damit, was Staatsanwälte und Richter als "wirklichkeitsnah" einstufen. Mit dem Besitzverbot der KP sind ja z.B. auch kinderpornographische Zeichnungen strafrechtlich verfolgt worden. Der Begriff "wirkichkeitsnah" schließt hier alles ein, vom schlecht gezeichneten Manga Comic, bis zum virtuellen Kinderporno am PC.

Bei "wirklichkeitsnaher" KP hat man den Radius hier sehr weit gezogen. Darunter fiel auch oft eine ganz bestimmte Mangaserie, die in den USA problemlos verlegt werden konnte, da es ja dort (bisher, wird sich bald vielleicht ändern ) kein Verbot virtuellen Materials gab.
Wenn man den Radius bei KP so weit gezogen hat, wird man dies bei JP sicher auch tun.

Ein Beispiel: Jemand kopiert sich aus einer Teenseite ( alle laut Produzent 18 ) seine Favouriten heraus, druckt seine vier Lieblingsmodelle aus. Ein paar Wochen später hat er - aus welchem Grund auch immer - eine Hausdurchsuchung. Die Ausdrucke werden beschlagnahmt, die Staatsanwaltschaft geht von "Jugendpornographie" aus, da die erwachsenen Teenagergirls verdächtig jung aussehen.

Jetzt will der "Besitzstraftäter" nachweisen, daß die Modelle alle über 18 sind und ruft die Seite wieder auf, Fehlanzeige, die Seite ist weg. Da die Polizei auch seinen PC beschlagnahmt hat, darauf weitere jugendliche Modelle findet, die sie auf 16 oder 17 schätzt, läuft jetzt ein Verfahren wegen Besitzes von Jugendpornographie. Ein entsprechender Gutachter wird vor Gericht darlegen, daß die jungen Damen höchstens 16 sind. Die Modelle sind - nach dem ersten Anschein - scheinbar minderjährig, also "scheinminderjährig".
Ohne ein teures Gegengutachten stehen die Chancen hier schlecht.

Vor US Gerichten sind jedenfalls die Angeklagten mit "in dubio pro reo" nicht freigesprochen worden, denn diese Gutachten wurden als Beweismittel eingestuft. Und in den USA läuft ja gerade ein Fall, wo Material mit einer Darstellerin, die zu 99,9% zum Zeitpunkt des Drehs 18 war, trotzdem fortgesetzt wird, weil das Gutachten höher gewertet wird als entsprechende Nachweise.

Dies ist alles schlimm genug, wäre allerdings die Scheinminderjährigkeitsklausel noch im § mit drin, dann wäre ein großer Teil der legalen über 18 Teenager Pornographie damit zu beschlagnahmen. Dazu wird und kann es in D nicht kommen, da ja alle Produzenten der DVDs klar nachweisen können, daß die Modelle 18 oder älter sind. Bei selbst zusammengestellten Kopien, sowie altem Material aus den 60er - 80er Jahren, als der Altersnachweis noch nicht in allen Staaten zwingend vorgeschrieben war, bzw. einfach keine Nachweise mehr vorhanden sind, ist dies schon schwieriger.

So verstehe ich jedenfalls die "Scheinminderjährigkeits"problematik in D. Zur allgemeinen Verwirrung beigetragen hat die JM selbst, die ja in der Presse ihr eigenes § drei Mal verschieden interpretiert hat.
Sowie weitere Politiker, die jedesmal völlig verschiedene Interpretationen in die Presse posaunten.

Aber selbst bei der Verabschiedung im Bundesrat, dort sprach der niedersächsische Justizminister Busemann davon, daß " man die EU Richtlinie nicht nur 1:1 umgesetzt hat, sondern sogar noch über diese EU Richtlinie hinausgegangen ist" ( PHÖNIX, letzten FR ).

Bundespräsident Köhler würde uns allen einen großen Dienst erweisen - sogar den Politikern selbst - wenn er dieses verworrene § nächste Woche nicht unterschreibt.

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[...]Man kann diese unglückliche Formulierung stark vereinfachend mit “echt” oder “real” übersetzen; zur Abgrenzung vom “Fiktiven”.
“Tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen” sind z.B. Fotos aller Art oder ein echter oder geschauspielerter Videofilm
[...]

Hm.....daraus werde ich nicht schlau, denn was ist dann der unterschied zwischen "tatsächlichem Geschehen" und "echtem (realen) Geschehen", wenn man Deine "Übersetzung" anwendet?
Desweiteren stellt sich die Frage was bitte der Schutzzweck wäre wenn es sich um etwas handelt was geschauspielert wird d.h. kein realer Mißbrauch stattfindet?

bombjack

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[...]Mit “wirklichkeitsnahem” Geschehen sind letztendlich Abbildungen, Zeichnungen, Fotos usw. gemeint, die die Wirklichkeit einigermaßen konkret abbilden. Man hätte hier besser den Begriff “virtuell” verwenden sollen. Es gibt ja schon seit 1993 Erfahrungen damit, was Staatsanwälte und Richter als “wirklichkeitsnah” einstufen. Mit dem Besitzverbot der KP sind ja z.B. auch kinderpornographische Zeichnungen strafrechtlich verfolgt worden. Der Begriff “wirkichkeitsnah” schließt hier alles ein, vom schlecht gezeichneten Manga Comic, bis zum virtuellen Kinderporno am PC.
[...]

und genau hier setzt es bei mir aus.....sorry auch wenn dies Thema sehr emotional ist, aber wie oben schon geschrieben, der Schutzzweck von dieser Auslegung ist mir schleierhaft, denn von keinem werden Rechte verletzt, keiner wird geschädigt und niemand wird gezwungen sich dies anzusehen.
Meiner Meinung nach hat diese Form von Moral im StgB nichts zu suchen.....

bombjack

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Da ich mit und von der Sprache lebe, kann ich mich angesichts der Diskussion um "Scheinminderjährigkeit" nur wundern. Im Gesetzestext ist nirgends die Rede davon. Offenbar herrschen gewisse Unklarheiten hinsichtlich des Begriffes "wirklichkeitsnah". Dieses Wort nun bezieht sich eindeutig auf das "Geschehen", also auf eine konkrete Handlung. Wäre eine Scheinminderjährigkeit gemeint, hätte es völlig anders formuliert werden müssen. Eine Person kann nicht "wirklichkeitsnah" sein. Warum hier in derart epischer Breite über ein nicht existierendes Problem referiert wird, bleibt mir daher in Gänze verschlossen.

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Wie willst du im Nachhinein wissen, ob es realer Missbrauch war?

V.a. bei nicht im Inland produzierten Filmen, bei denen die Polizei also nicht einfach bei den Produzenten vorbeischauen können?

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@Eberhard Reese: Weil zumindest mir nicht klar ist, wo genau die Grenzen liegen.

Ich hoffe immernoch, dass mir jemand eine Antwort auf meine konkreten Fragen geben kann: Was bedeutet das Gesetz erotische

- Texte über Jugendliche oder jugendlich Beschriebene,
- Zeichnungen mit jugendlich aussehenden Personen oder
- Zeichentrickfilme?

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Ich will nur noch einmal die absurde § Lage in den NL darstellen. Aus Zeitgründen ohne die Verlinkung der Texte ( die aber ohnehin alle in holländischer Sprache sind ).

Denn Peter Mulchers Kommentar hat mich dazu noch einmal bewogen:

"Eine vernünftige Zwischenlösung würde sein, wenn ministeriell empfohlen wird, Jugendpornographie, die v o r dem Zeitpunkt des Inkafttreten des Gesetzes im Buch- und Zeitschriftenhandel erschienen, geschrieben oder fotografiert worden ist, im B e s i t z straflos sein zu lassen."

Dies stellt exakt die Lösung (?) in den NL dar.
( Auch VK/Kauf/Vertrieb sind straflos )

Wobei wir hier beides gleichzeitg haben, einmal laut § (Artikel 240) die strengste Umsetzung der EU Richtlinie, die die NL als erstes Land Europas, schon am 1.10.02, also noch vor der abschließenden Beschlußfassung der EU Rahmenrichtlinie in nationales Recht umgesetzt haben.
Verantwortlich dafür ist die damalige Rechtsaußen Regierung ( Pym Fortuyn Partei, Rechtsliberale ), die nur wenige Monate in dieser Konstellation im Amt war.

Laut NL § ist: " KP Material mit Personen, die jünger AUSSEHEN als 18". Damit hätte man fast jeden Niederländer strafrechtlich verfolgen können. Später gab es dann ein ellenlanges Rundschreiben des Justizministeriums, Pornographie mit unter 15/16-jährigen nicht strafrechtlich zu verfolgen. Im Schreiben steht einerseits "16", weil Material < 16 auch vor der § Änderung, sowohl im Strafrecht, als selbst in der Verfassung, als KP bezeichnet worden ist. Andererseits gab es immer eine pragmatische "-1 Jahr Toleranz Regel", die das Material mit 15-jährigen geduldet hat, schon wegen der Nähe zu Dänemark mit seiner damaligen 15er Grenze. Allerdings war die Produktion von Hardcore mit 15-jährigen in den NL verboten, aber nicht die Einfuhr der in DK produzierten Filme.

Das Schreiben selbst larviert fürchterlich herum, einerseits wird dem Leser vermittelt, daß man Pornographie mit unter 18-jährigen moralisch nicht gutheißen kann, andererseits wird gesagt, daß man Pornographie mit über 16-jährigen nicht juristisch als KP verfolgen sollte, dann wird die "Toleranz" Regel kritisiert, dann wird sie wieder als weiterhin gegeben angenommen, sozusagen als Gewohnheitsrecht. Meine Nachfrage bei der Polizei vor Ort hat jedenfalls ergeben, daß ALTES Material mit mind. 15 jährigen Modellen NICHT strafrechtlich verfolgt wird. Ich bat um eine kurze schriftliche Bestätigung, die abgelehnt worden ist, weil a.) dies ja im Rundschreiben steht, b.) das Strafrecht eine Legalisierung von unter 18er Material verbietet ( eben der neue § 240er, in dem kein Wort von dieser "Fristenlösung" steht ).

Auf meine erneute Nachfrage ob diese Filme jetzt völlig legal sind ( im juristischen Sinne ), meinte ein Polizeibeamter: " Was nicht verboten ist, ist nicht unbedingt legal. Aber bisher wird dieses Material nicht verfolgt. "

Rechtssicherheit sieht jedenfalls anders aus, aber diese Vorgehensweise ist mir immer noch lieber als die in D oder ÖST

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[...]Wie willst du im Nachhinein wissen, ob es realer Missbrauch war?
V.a. bei nicht im Inland produzierten Filmen, bei denen die Polizei also nicht einfach bei den Produzenten vorbeischauen können?
[...]

Diese Frage stellt sich doch bei allen Medien, die reale Abbildungen zeigen, selbst beim lachenden Kind in der Badewanne was jeder für einen Familienschnappschuß hält kann, wenn man Dein Argument berücksichtigt, nicht davon ausgegangen werden, daß es um keinen realen Mißbrauch handelt, denn wer weiß was da noch für andere Aufnahmen exisitieren.

Bloß und das ist der Punkt, gibts da so ein kleinen Grundsatz (der zwar immer mehr ins Schwanken gerät) und der nennt sich im "Zweifel für den Angeklagten".

bombjack

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Anmerkung zur "virtuellen" Pornographie

Im Bereich dessen, was man - falsch - homosexuelle Kinderpornographie nennt (mit Homosexualität hat die Erotik der Knäblein vor der Pubertät herzlich wenig zu tun), mußte ich mir im Netz allerlei *virtuelle* Kinderpornographie ansehen, obgleich ich nach dem suchte, was man heute Jugendpornographie nennt.

Ich geriet in eine ganze Welt von "Poser Art", benannt nach einem inzwischen auch schon in die Jahre gekommenen Graphikprogramm. Damit lassen sich künstliche Menschen fotorealistisch abbilden, in Handlungen verstricken, ihnen Emotionen verleihen und Räume und Landschaften hinzukomponieren.

Um es kurz zu machen - ich war auf eine ziemlich grausige Weise fasziniert. Für so

*perfekt in der Illusionswirkung

hätte ich diese "Poser Art" niemals gehalten. Ich ging von den plumpen, ganz kalten, artifiziellen Mangas aus und erwartete dort Ähnliches.

Von wegen! Eine gut gemachte Poser-Art-Serie übertrifft in ihrer Eindringlichkeit und S u g g e s t i v k r a f t jede Fotoserie. Es ermöglicht tiefe Einblicke in das geheime Wesen der Knäblein-Liebhaber, wenn zugefügter brutaler Schmerz, verlogenes "fröhliches" Mitmachen der Kinder dargestellt werden. Die Knäblein stellen sich "vergnügt", ja "begeistert" in Reihen auf, können es nicht erwarten, von Männern mit Riesenorganen oral halb erstickt oder anderweitig benutzt zu werden.

Solche virtuelle Darstellungen sind womöglich infamer als die real abfotografierten Serien, weil eben eine ungeheure, verlogene Suggestivkraft entfaltet werden kann, die fast keine Grenzen kennt - Kinder "hinterher" in Mülleimern entsorgt usw.

Soviel zur Gefährlichkeit virtueller Darstellungen. Es handelt sich nicht um die althergebrachten pornographischen Strichzeichnungen, die wir von Klowänden und aus den Unterfächern unserer Schultische her kennen.

Allerdings, und da sind wir wieder beim springenden Punkt, das alles hat im Bereich über 14 eine andere Qualität. W e n n aber irgendeine Darstellungsweise sozusagen "in vorderster Linie" verboten werden sollte, dann die virtuelle der modernsten Art.

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Quote:
Diese Frage stellt sich doch bei allen Medien, die reale Abbildungen zeigen, selbst beim lachenden Kind in der Badewanne was jeder für einen Familienschnappschuß hält kann, wenn man Dein Argument berücksichtigt, nicht davon ausgegangen werden, daß es um keinen realen Mißbrauch handelt, denn wer weiß was da noch für andere Aufnahmen exisitieren.

Ich sehe zwischen dem lachenden Kind in der Badewanne und einer nachgestellten Missbrauchsszene einen Unterschied in der Intention dessen, der sie sich ansieht und damit einen Unterschied im "Zweck" des Bildes.

Ein Bild eines lachenden Kindes in der Badewanne zeigt keine Demütigung, und damit sollte es für jemanden, der genau diese Demütigung sucht, wenig interessant sein. Es bietet kein Vorbild für Missbrauch.

Und sollte es das doch tun, dann wäre mir hier der Kollateralschaden (alle Urlaubsphotos vom Nacktbadestrand verbieten) zu hoch - soll die Polizei lieber aufhören harmlose Musiktauscher im Netz zu verfolgen und sich stattdessen auf Produzenten von KP konzentrieren; dann hat sie nämlich genug Resourcen frei.

Überall Böses zu suchen geht schief - im Fall von Filmen von gequälten Kindern anzunehmen, dass sie schon geschauspielert sein werden, aber auch.

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Dem Gesetzgeber ist bekannt, dass sexuelle Handlungen bereits vor dem 18. Geburtstag stattfinden. Diese dürfen aber nicht (mehr) pornographisch verwertet werden. Der 18. Geburtstag ist das einzige Kriterium, welches objektiv nachweisbar ist. Der Gesetzgeber hat das richtig erkannt und umgesetzt. Sinnvoll und wichtig ist das etwa für Zeitschriftenverlage oder Videotheken, die nun ihr Angebot beibehalten können, sofern die Darsteller volljährig sind.

@ Arne, Mulzer, Kaiser:

Mit 18 sieht niemand mehr aus wie ein Kind. Es geht in meinem Beitrag um Scheinminderjährigkeit, nicht um Kinderpornographie. §184c hat damit auch nichts zu tun. Viele Diskussionsbeiträge streifen den Inhalt des Paragraphen nicht ansatzweise. Auch der Begriff Missbrauch ist hier fehl am Platze.

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@ Arnold
Komisch, daß nicht nur die im Bundestag befragten Experten, sondern auch der Gesetzgeber selbst da anderer Auffassung sind als Sie. Komisch auch, daß exakt die gleichen Formulierungen, die nach Auffassung des Gesetzgebers und auch in der Praxis die "virtuelle" Kinderpornographie verbieten, bei "virtueller" Jugendpornographie plötzlich etwas anderes bedeuten sollen.

Es wurde nichts in Bezug auf "Scheinminderjährigkeit" gestrichen oder hinzugefügt - sondern man hat in allen Gesetzentwürfen, einschließlich des beschlossenen einfach die gleiche Terminologie verwendet wie beim bisherigen 184b, wenn man sich auch darauf besonnen hat, die Strafbarkeitsgrenzen etwas zu verschieben.

Nichtsdestotrotz bleibt folgendes anzumerken: Selbst die Definition von "wirklichkeitsnah" (und daß "wirklichkeitsnah" nicht "real" bedeutet, können Sie schon aus der Tatsache folgern, daß es auch ein "tatsächliches" Geschehen gibt) geht an der Sache vorbei. Denn was die Verbreitung und alle zugehörigen Vorbereitungshandlungen angeht, ist auch eine Schrift strafbar, die in keine der beiden Kategorien fällt. Das war bisher bei der KP so, und das ist bei dem gleichformulierten 184c genau so. Die Verbreitung (wenn auch nicht der Besitz) rein fiktiver "Jugendpornographie" ist nach dem neuen Gesetz strafbar, genau wie es die fiktive Kinderpornographie bisher war.

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Wollen wir wetten, dass es vielleicht schon in der 1. Oktoberwoche für manche ein ganz böses Erwachen geben wird. Ich weiß aus gewissen Kreisen der KRIPO / StA zumindest in Bayern, dass mit Hochdruck an der Vorbereitung von Razzien gearbeitet wird. Das Wissen ist sicherlich nicht offiziell, also formulieren wir es journalistisch korrekt: Mir sind persönliche Meinungungen bekannt, dass ... .
An dieser Stelle sei auch noch darauf hingewiesen, dass mit mit dem §184c auch noch ganz nebenbei die StPO (§§100 ff.) geändert hat, die den Besitz, Verbreitung von Jugendpornografie in die Liste der Straftaten aufgenommen hat, die Überwachungs- und Repressionsmechanismen wie Hausdurchsucng, etc. selbst bei geringstem Anfangsverdacht rechtfertigen.
Noch einen Solchen Misserfolg wie "Himmel" wird es nicht nochmal geben. Die "Erfolge" werden sich in großer Zahl einstellen. Ihr werdet sehen, wir sind ein großes Volk von Kinderschändern.
Zu den og. Meinungen zurück: Ich weiß auch von Äusserungen wie:
"Es ist uns gar nicht so recht, dass dieser § in der Form immer mehr öffentlich diskutiert wird. Es erschwert unsere Fahndungserfolge."
Ohne Unterstellung an Arnold, aber seine Postings passen in diese Strategie. Jetzt wird wider besseren Wissens abgewiegelt, damit man ja auch bestimmt was findet.

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"Scheinminderjährige" sind nach meine Verständnis durchaus betroffen. Der Text zur Jugendpornografie entspricht doch eins-zu-eins dem zur Kinderpornografie und dazu gibt es ausreichend Rechtsprechung. Es handelt sich immer dann um Kinderpornografie, wenn die dargestellte Person entweder tatsächlich ein Kind ist (selbst wenn sie nicht danach aussieht) oder wenn sie nur danach aussieht (ohne eines zu sein). BGH: 27.06.2001: "Das Tatbestandsmerkmal des § 184 Abs. 3 StGB "sexuellen Mißbrauch von Kindern zum Gegenstand haben" liegt stets vor, wenn die Person des tatsächlichen sexuellen Mißbrauchs ein Kind ist. In den übrigen Fällen kommt es auf die Sicht eines verständigen Betrachters an" Woraus ergibt sich, dass das bei dem neuen § 184c anders sein sollte, als bei § 184b (im Zitat noch § 184 Abs 3)?

"Wirklichkeitsnah" sind m.M. jedenfalls alle Darstellungen, die der Betrachter für echt halten könnte. Also zB. Manipulationen von echten Fotos (zB. um sie pornografisch zu machen) oder fotorealistische Zeichnungen und Computergrafiken. Die Grenzen dazu sind aber möglicherweise noch gar nicht so klar abgesteckt.

Arnold, mit deiner Interpretation stehst du ziemlich alleine

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@caroline

Danke, dass Du die Lage in NL nochmal so klar dargestellt hast. Sicherlich gebe ich Dir recht, dass man das, so wie ihr in den NL das macht, nicht unbedingt als Rechtsicherheit bezeichnen kann. Aber es zeigt, dass sich euer Volk schon immer durch Pragmatismus und auch Toleranz gepaart mit gesundem Menschenverstand ausgezeichnet hat. So nach dem Motto, wenn man diese leidige Richtlinie schon umsetzen muss, dann aber nicht gegen Grundüberzeugungen und vor allem der real existiereden Wirklichkeit. Es wäre nun wirklich ein Hohn wenn man fast alle Niederländer, wie du klargelegt hast, verfolgen müsste.
Wir in Deutschland träumen nur von solcher Praxis. Ich habe sogar das Gefühl, dass so mache im Exekutivapparat ganz heiß drauf sind, endlich loszulegen (siehe obiges Posting von mir).
Das in Österreich ist ein bisschen anders gelagert. Der Besitzstrafatbestand "auf Teufel komm raus" findet sich dort so nicht.
Womit ich aber keine der Regelungen als besonders glücklich und gelungen bezeichnen möchte. Nur bei uns in D werde ich den Eindruck nicht los:
Dieses Gesetz ist in erster Linie dazu gemacht worden, zu verfolgen, nicht um zu schützen.

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Da der Begriff der "Jugendpornographie" mit §184c neu eingeführt wird, gibt es noch keine Rechtsprechung dazu. In die StPO muss er ebenfalls neu rein.

Dennoch möge man sich §184c(1) erneut durchlesen. Es geht um Personen von 14 bis 18. Dass dieser Kreis einen eigenen Paragraphen erhält, ist grundsätzlich vernünftig, da es hier weder um Kinder noch um Erwachsene geht. Die bisherigen Regelungen zur Pornographie mit Personen über 18 bleiben unverändert.

@Reinhard: Durch meine Beiträge entsteht nichts, das bei Razzien zu beschlagnahmen wäre.

Ich möchte aber bitten, beim Thema zu bleiben und nicht ständig mit Kinderpornographie, den Niederlanden, USA, Österreich, Religion oder Verschwörungstheorien zu vermischen.

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Und nun ganz praktisch: Was tun?

Auch wenn ich der Polizei, zumal in Bayern, manches zutraue, so dürfen wir doch nicht vergessen, daß die Polizei in solchen Belangen erst lostrabt, wenn ein höherer Beamter der Justiz grünes Licht gegeben hat (um es fürchterlich vereinfacht zu sagen). Wir haben es also mit denkenden Menschen zu tun und nicht mit erfolgsgeilen Robotern.

Die Kollateralschäden aus Haussuchungen sind oft größer als eventuell nachfolgende Strafbefehle oder Urteile - beschlagnahmte Computer, hellhörig gewordene Nachbarn, Aufsehen am Arbeitsplatz usw.

Um dies zu vermeiden und zugleich der ganz unklaren Rechtslage im Bereich der neuen Jugendpornographie-Regelung zu begegnen, schlage ich vor, so vorzugehen, wie ich persönlich es in den nächsten Tagen tun werde:

1. Voraussetzung ist, daß Sie, auch nicht aus Versehen, irgendwelche Kinderpornographie besitzen. In FKK-Veröffentlichungen befindet sich nur ganz ausnahmsweise und eindeutig ausgrenzbar KiPo, ich sage das, weil ich in der FKK selbst aktiv bin und wir nun nicht unsere eigene Literatur vernichten sollen.

2. Nun müssen Sie sich etwas Mühe machen. Sortieren Sie zunächst Jugendpornographie aus, die p a t i n i e r t ist, ein gutes Stichdatum hierfür ist das Jahr 2000. Legen Sie dieses Material (Literatur, Heftchen, Fotos) separat und deutlich beschriftet (!) in einem verschlossenen Behältnis ab (Pappkarton). Dort gehört auch eventuelles EDV-Material hin, das Sie restlos von Ihrem Computer herunternehmen sollten. Dazu gehören auch Hustler-Hefte, U S - Playboys (nicht die deutschen), T w e n (Sie lesen richtig), Jahrgänge der Quick zwischen 1970 und 1985, K o n k r e t (wichtig!), a l l e s von Olympia Press usw.

3. Eine weitere Gruppe bildet Material, das sie entweder nicht als patiniert zuordnen können oder das neueren Datums ist - - und dem Sie einen K u n s t - Charakter zubilligen. Mit etwas Erfahrung geht das schon. Auch hier gehört wieder die CD mit dem entsprechenden EDV-Material hin.

4. Für Kenner des Jugendpornographie-Gebiets: Wenn Sie von den herstellenden Studios her w i s s e n oder stark vermuten dürfen, daß es sich um S c h e i n - Minderjährigkeit handelt, dann legen Sie Bilder, Filme usw. in dieser dritten Gruppe ab.

Dazu wäre noch viel zu sagen. Ich kann es leider nicht vom Standpunkt des Buchantiquars /Buchhändlers referieren, weil ich beruflich vom ganzen Thema nicht betroffen bin - ich führe seit jeher nur Titel vor 1945 . Ich blicke nicht durch, inwieweit nun bereits bestehende *Indizierungen der Bundesprüfstelle die neue Regelung für den Buchantiquar tangieren.

Fassen wir zusammen: Die vorsorgliche Separierung und genaue Beschriftung der folgenden Gruppen erspart Ärger bei Haussuchungen, zeigt der Justiz gegenüber die Bereitschaft zur Kooperation und hilft - notabene - die verworrene Rechtslage zu klären:

- Patiniertes Material vor 2000
- Kunstwerke in Text, Aktbildkunst, Film
- Darsteller, von denen Sie begründet annehmen dürfen, daß sie in Wahrheit über 18 Jahre alt sind/ waren

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Nachtrag:

... was weder einem s e h r weitgefaßten Kunstbegriff, noch der patinierten Pornographie 14-18 entspricht, das sollte man ohne Bedauern vernichten können.

Wobei man freilich über Geschmäcker nicht streiten kann (über Kunst schon!). Ich persönlich finde unkünstlerische Pornographie jeder Altersstufe langweilig. Weil das so ist, würde ich es begrüßen, wenn hier auch die Interessen der "bewußt ordinären" Pornographie vertreten würden. Denn für die sehe ich gar keine andere Lösung als die Vernichtung.

Im homosexuellen Bereich 14-18 gibt es - das hat Gründe - nur sehr wenig unkünstlerisches Material, während der Hetero-Sektor in der gleichen Altersstufe aus dem Ordinären, gewollt Unkünstlerischen einen beständigen sexuellen Kick bezieht. Siehe den unsäglichen "Schulmädchen"-Kitsch. Ausnahmen gibt es: Hamilton und seine Schule kann als Kunst vertreten werden, und was ich aus der - schwer zugänglichen - lesbischen Jugendpornographie kenne, ist absolut hervorragend und hoch künstlerisch (USA, Schweden usw.).

Wie ich schon mal oben sagte: Eine umfassende Diskussion über Kunst und Pornographie wird notwendig sein in denm deutschen Gerichtssälen.

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Nochmal, auch wenn es langsam langweilig zu werden droht:

Was bedeutet das Gesetz für erotische

- Texte über Jugendliche oder jugendlich Beschriebene,
- Zeichnungen mit jugendlich aussehenden Personen oder
- Zeichentrickfilme?

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Es wird nicht langweilig, sondern man lernt eine ganze Menge hier. Die Materie ist nun mal verzwickt. Ich würde aus meiner Sicht so antworten:

1.
Das Gesetz bedeutet "für erotische Texte über Jugendliche oder jugendlich Beschriebene":

W e n n es sich um *Pornographie* handelt, daß du sie nicht einmal besitzen darfst, von anderen Handlungen zu schweigen,

wenn es sich n i c h t um Pornographie handelt, guckst du, ob sie indiziert sind von der Bundesprüfstelle. Wenn ja, darfst du sie zwar besitzen, aber nicht damit handeln (sehr vereinfacht gesagt). Sind sie nicht indiziert, darfst du sie vielleicht trotzdem nicht ins Netz tellen, siehe Jugendmedienrecht.

2.
Was bedeutet das Gesetz für erotische Zeichnungen mit jugendlich aussehenden Personen oder Zeichentrickfilme?

Hierfür gilt haargenau die gleiche Antwort wie oben, f a l l s es zutrifft, daß auch "Scheinjugendlichkeit" verfolgt wird. Die Ministerin und verschiedene Abgeordnete geben darauf zur Stunde noch unterschiedliche Antworten.

Falls das n i c h t zutrifft, kommt es darauf an, ob das Alter im Begleittext oder aus dem Sinnbezug her Minderjährige meint. Falls das nicht der Fall ist, kannst du immer behaupten, es handle sich bei den Dargestellten um scheinjugendliche Erwachsene.

Du siehst (1)eine ganz klare Antwort ist erst nach den entsprechenden Festlegungen /Erklärungen der Justizbehörden möglich. Die Polizei wird das wenig kümmern (deshalb mein Rat, Zweifelsfälle einstweilen in den häuslichen bzw. geschäftlichen Giftschrank zu verbannen und entsprechend zu deklarieren). Und (2) i m m e r wird die Frage, ob es sich um *Pornographie handelt oder nicht, die eigentliche Gretchenfrage sein.

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@Peter Mulzer: Danke für die ausführliche und fundierte Antwort!

Dann will ich selbst noch was zu deiner Antwort beitragen:

Werke sind als pornografisch einzustufen, wenn sie „zum Ausdruck bringen, daß sie ausschließlich oder überwiegend auf die Erregung eines sexuellen Reizes bei dem Betrachter abzielen und dabei die im Einklang mit allgemeinen gesellschaftlichen Wertvorstellungen gezogenen Grenzen des sexuellen Anstandes eindeutig überschreiten“

Kurz: Wenn ich eine Geschichte schreibe, die jugendliche Protagonisten hat und v.a. dafür geschrieben wurde, salopp gesagt "Leute zu erregen", ist sie mit dem Gesetz verboten.

Wenn sich zwei Jugendliche gegenseitig mit Geschichten aufheizen (das machen einige - inzwischen wohl noch mehr; die Zeit in der ich als jugendlich galt ist schon seit 8 Jahren vorbei), dürfen sie das nicht ins Netz stellen - selbst wenn sie es beide wollen, und zwar auch später nicht, wenn sie beide 18 sind. Und sich auf die Art von ihrer Vergangenheit schreiben dürfen sie auch nur völlig privat - gemeinsam mit Anderen in Foren Geschichten spinnen ist verboten; d.h. ein großer Teil der eigenen Geschichte darf nur noch unpersönlich beschrieben werden.

Wenn Scheinjugendlichkeit verboten ist, darf ich in einer eigenen Geschichte nichtmal Beschreibungen nehmen, die jugendlich klingen.

- Die gesamte Definition aus der Wikipedia, mit zwei weiteren, etwas weniger umfassenden Definitionen:

Die strafrechtliche Definition des Begriffs Pornografie basiert auf dem Fanny-Hill-Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1969. Das Gericht ging der Frage nach, ob es sich bei Schilderungen geschlechtlicher Vorgänge grundsätzlich um unzüchtige Schriften handelt, die gemäß § 184 StGB a. F. einem Verbreitungsverbot unterlagen. Es kam dabei zu der Erkenntnis, dass eine solche Schrift dann nicht unzüchtig sei, „wenn sie nicht aufdringlich vergröbernd oder anreißerisch ist und dadurch Belange der Gemeinschaft stört oder ernsthaft gefährdet“ (BGHSt 23, 40).

Im Zuge der Strafrechtsreform wurde 1973 der Begriff unzüchtige Schriften durch pornografische Schriften ersetzt. Nach Auffassung des Sonderausschusses des Bundestags für die Strafrechtsreform sind Schriften, Ton- und Bildträger dann als pornografisch einzustufen, wenn sie „zum Ausdruck bringen, daß sie ausschließlich oder überwiegend auf die Erregung eines sexuellen Reizes bei dem Betrachter abzielen und dabei die im Einklang mit allgemeinen gesellschaftlichen Wertvorstellungen gezogenen Grenzen des sexuellen Anstandes eindeutig überschreiten“ (BT-Drs. VI/3521 S. 60). Der Gesetzgeber geht bei Pornografie also von einer Obszönität aus.

In der deutschen Rechtsprechung wird regelmäßig auf eine Definition des OLG Düsseldorf verwiesen. Danach handelt es sich bei Pornografie um „grobe Darstellungen des Sexuellen, die in einer den Sexualtrieb aufstachelnden Weise den Menschen zum bloßen, auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Begierde degradieren. Diese Darstellungen bleiben ohne Sinnzusammenhang mit anderen Lebensäußerungen und nehmen spurenhafte gedankliche Inhalte lediglich zum Vorwand für provozierende Sexualität“

- http://de.wikipedia.org/wiki/Pornografie#Definition

Was als Frage für mich bleibt, ist ob mit dem neuen Gesetz jetzt Jugendpornografie als harte Pornografie gilt, die allgemein _verboten_ ist:

- http://de.wikipedia.org/wiki/Pornografie#Harte_Pornografie

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Nein, Herr Mulzer, das stimmt nicht.
Schauen Sie bitte ins Gesetz: Die Strafbarkeit des *Besitzes*, also die Regelung durch §184c (4), gilt nur für Schriften, die ein *tatsächliches Geschehen* beinhalten.
Für pornographische Darstellungen von Jugendlichen in den Medien...
- (fiktiver) Text
- Zeichnung
- Zeichentrickfilm
... gilt daher:
- Verbreitung (definitiv also auch Handel, aber eventuell auch nichtkommerzielle Weitergabe) *ist* strafbar.
- Besitzverschaffung für Dritte ist *möglicherweise* strafbar (wenn das dargestellte Geschehen als "wirklichkeitsnah" gilt.)
- Besitz und private Beschaffung ist *nicht* strafbar.

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In diesem Zusammenhang habe ich übrigens schon lange mal eine Frage, die mir möglicherweise ein Experte hier beantworten kann: Was ist eigentlich die genaue juristische Definition, so es denn eine gibt, von "Verbreitung"?

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@ TobyR

Besten Dank für Ihren Hinweis - natürlich haben Sie Recht! Das ist ja auch nachzulesen in der Pressemitteilung des Justizministeriums vom 20.6.08, aus der ich zitieren darf:

"Dagegen bleibt der Besitz von fiktiver Jugendpornografie (z. B. Computeranimationen) und von pornografischen Abbildungen von Erwachsenen, die lediglich so aussehen wie Jugendliche (sog. Scheinjugendliche), weiterhin straflos."

An sich ist es klar, wenn man sich den revidierten Gesetzestext ansieht: Bei der V e r b r e i t u n g bleibt das "tatsächliche oder wirklichkeitsnahe" Geschehen verboten (§ 184c, Abs.2), dagegen ist beim B e s i t z nur das "tatsächliche" Geschehen pönalisiert.(§ 184d, Abs.4).

Das wirft einige Fragen auf im Bereich der literarischen Pornographie - ist die * F i k t i o n im Sinne einer "Inszenierung eines tatsächlichen Geschehens" nun eigentlich die Wiedergabe einer *Fiktion (straflos) oder eines behaupteten Referierens eines *tatsächlichen Geschehens (nicht straflos)? Was ist, wenn die Fiktion tatsächlich geschieht, das tatsächliche Geschehen nur fiktiv inszeniert wird?

Ist die "Inszenierung" einer sexuellen Handlungsfolge durch (echte) Jugendliche (quasi als Drehbuch, als "Theateraufführung") vor der Kamera ein eher fiktives oder eher reales Geschehen? Komme ich nicht mit der Definition des "wirklichen" Geschehens dahin, daß nur die Reportage eines nicht-inszenierten Geschehens noch strafbar bleibt, etwa als Schlüsselloch-Abfilmen in einem Hotelzimmer? - Ist der Akt, im Fall des Jugendlichen etwa onanierend, posierend, ein "Geschehen"? Was für ein "wirkliches Geschehen" geschieht denn, wenn ein nacktes Mädchen mit gespreizten Beinen daliegt? Ist es nicht nur das Geschehen im Kopf des Betrachters?

Glauben Sie bitte nicht, das seien weit hergeholte Argumente. Ich meine, das Chaos steht uns noch bevor.

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Also, in Bezug auf die Strafbarkeit der *Verbreitung* sind diese Erwägungen alle gleichgültig. Denn in §184c(1) gibt es keine Einschränkung auf ein tatsächliches *oder* wirklichkeitsnahes Geschehen, demzufolge darf auch Jugendpornographie, die weder real noch realistisch ist (also Zeichnungen, offensichtlich fiktive Texte, etc.) bei Strafe nicht verbreitet werden.

§184c(2) bezieht sich ja auf die Besitzverschaffung an andere, was offensichtlich etwas anderes sein muß als Verbreitung (sonst gäbe es diese Unterscheidung nicht.) Aber wo genau der Unterschied ist, kann ich nicht sagen. Wenn ich mal ins Blaue hineinraten müßte, würde ich §184c(2) für nur in randständigen Einzelfällen relevant halten.

Ich wäre allerdings wirklich dankbar, wenn jemand mit entsprechendem Fachwissen einmal erklären könnte, wie Verbreitung und Besitzverschaffung genau definiert sind.

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Für all jene, die meinen eine verschärfte Strafverfolgung sei die Folge der neuen Regelungen: Das Gegenteil dürfte aus praktischen Gründen der Fall sein! War nicht einst Intention der Gesetzesänderung u.a. die Erleichterung der Beweisführung für eine Straftat i.S.d. § 184b StGB? Sollte nicht (auch) die Schwierigkeit der Abgrenzung unter 14jähriger von über 14jährigen vermieden werden? Sollte nicht gerade dies durch die Anhebung der Schutzaltersgrenze erreicht werden? Dank der Einführung einer neuen - zusätzlichen - Strafnorm ist nichts gewonnen: Nunmeher muß die Anklageerehebung noch detalierter abgegrenzt werden: Unter 14, über 14, bzw. 14 - 18, über 18. Dies bei der üblichen Anzahl festgestellter Bilddateien auf Rechnern Tatverdächtoger dürfte jeden Staatsanwalt von umfangreicher Anklageerhebung abhalten. Die Folge: Vermehrte Einstellung von Verfahren nach dem Oppurtinätsgundsatz. Von einer verschärften Strafverfolgung dürfte daher kaum die Rede sein.

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...dringende Warnung: Ein Gesetz, so es ordnungsgemäß verabschiedet worden ist, verpflichtet jeden Juristen zur punktgenauen Befolgung. Es d a r f da für "Opportunität" eben im Interesse der allgemeinen Rechtssicherheit kein Raum sein. Das muß man verstehen.

Verstehen sollte man auch die Juristen: Bei einem neuen Gesetz kann man zeigen, was man drauf hat. Das möchte ich nicht abwertend "sich profilieren" nennen, sondern ich verstehe es als "professionellen Ehrgeiz". Den hätte ich an ihrer Stelle auch.

Fazit: Kein Gedanke daran, daß mit dem neue Besen nicht e i s e r n gekehrt werden würde.

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@TobyR:

Der BGH sagt: Verbreiten im Sinne des § 131 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass die Schrift ihrer Substanz nach und damit körperlich einem größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht wird. Für die Kettenvebreitung ist anerkannt, dass die Weitergabe eines Einzelexemplars an eine bestimmte Person ausreicht, wenn dies in der Absicht erfolgt, dass ein größerer Personenkreis nacheinander in dessen Besitz und damit den "Genuß" der Benutzung kommen kann.

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http://abgeordnetenwatch.de/siegfried_kauder-650-5724--f119067.html#frag...

Siegfried Kauder sieht dies scheinbar wieder anders als die Justizministerin Zypries. Interessant seine Anmerkungen zu Trickfilmen, Zeichnungen usw.

Die angesprochene Kritik auf die Vergleiche mit KP und Vorgehensweise in den NL und ÖSTER usw. Da man ja den "KP Paragraphen" einfach um den der JP ergänzt hat, sollte dieser auch als juristischer Vergleich dienen. Und Vergleiche zu anderen europ. Ländern sind auch nicht verkehrt, schließlich handelt es sich ja um eine EU Richtlinie.

Weshalb es jetzt so eine Verwirrung gibt, ist mir gestern Abend aufgefallen, als ich die Cybercrime Convention noch einmal studiert habe, sie läßt zwar einerseits ein Mindestalter von 16 zu (z.B. die Schweiz hat davon Gebrauch gemacht ), ANDERERSEITS sind viele ihrer Definitionen noch strenger als in der EU Richtlinie. Dies betrifft die Straftaten mit Bezug zur Kinderpornographie ( Artikel 9 ), aber auch den Bereich der "Jugendpornographie". Und da D sowohl die CCC ratifiziert hat, als auch die EU Rahmenrichtlinie in nationales Recht umgesetzt hat, außerdem auch andere Abkommen ratifiziert hat, die in einigen wenigen - aber wichtigen - Punkten voneinander abweichen, gibt es ein ganz schönes Chaos. Früher gab es mal die Regelung: Landesrecht bricht Europarecht. Mittlerweile scheint dies umgekehrt zu sein.

Die ersten Prozesse werden hier sicher einiges klären können.
Ja, die Ermittler stehen - wie damals in ÖST auch - schon in den Startlöchern. In den letzten Jahren ist es nur ganz selten gelungen, die international agierenden Produzenten von KP zu fassen. Ausnahmslos handelt es sich hier um absolute IT Experten, bzw. arbeiten diese mit den Kinderpornographen zusammen.

Man hat sich deshalb auf die Besitzstraftäter konzentriert, da diese durch die hinterlassenen Spuren im Web recht leicht zu ermitteln waren. Hier ist allerdings die Anzahl der Verfahren so groß, daß viele LKAs mittlerweile bis zu vier Jahre (!) brauchen, um das beschlagnahmte Material auszuwerten. Ganz besonders schwierig ist immer die Trennung zwischen bisher strafloser JP und strafbarer KP.
Dieses § dient deshalb in erster Linie einer ökonomischereren Ermittlungsarbeit. Erinnert sei an einem der ersten Entwürfe des neuen §184ers, wo KP und JP strafrechtlich gleichgestellt worden sind !

Leider ist dieser Wunschtraum vieler Oberstaatsanwälte und Hardlinern im LKA/BKA nicht wahrgeworden, so hätte man sich sehr viel Auswertungsaebeit ersparen können.

Jetzt wird diese Auswertung immer noch viel Zeit in Anspruch nehmen, nur hat sie den Vorteil, daß es keine eingestellten Verfahren mehr geben wird. JP findet sich überall. Neben Hausdurchsuchungen sind ja jetzt auch, da JP von der EU in den Bereich der "Schwerstkriminalität" geschoben wurde, Postkontrolle und Abhörmaßnahmen möglich.

Ich rechne auch damit, daß ab nächster Woche eine Welle von Razzien läuft. Diese wird zuerst in Sexshops gestartet, da diese am meisten "kriminelles" Material zutage fördern wird. Durch die Beschlagnahmung der Kundendatei wird der Strom der "Besitzstraftäter" nicht abreissen. Eventuelle Kritik wird damit gerechtfertigt, daß man bei 1000 Kunden , dann vielleicht bei zweien tatsächlich KP findet. " Wollen Sie wirklich diese Täter schützen ? Es geht um unsere Kinder. "

Mein Vorschlag: Präventive Hausdurchsuchungen ohne Anlass - haben sich doch in der DDR auch bewährt.

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Da leider die Verlinkung zum kandidatenwatch immer noch nicht richtig funktioniert, sei mir ausnahmsweise eine Kopie der Antwort hier gestattet:
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Sehr geehrter Herr Kauder!

Ich habe einige Fragen zum "Gesetzentwurf zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie", der ja Gegenstand einiger Debatten war und stark geändert wurde.
Es war leider so, daß der endgültige Gesetzentwurf erst sehr spät - wenige Tage vor der Abstimmung - an die Öffentlichkeit gelangt ist und daß eine weitere Debatte dadurch unterbunden wurde. Zu dem nunmehr beschlossenen Gesetz habe ich folgende Fragen:

Das Gesetz operiert mit folgenden Kategorien von "Jugendpornographie":
1. Tatsächliches Geschehen.
2. Wirklichkeitsnahes Geschehen.
3. Sonstiges (nicht wirklichkeitsnahes) Geschehen.

Erste Frage: Wie definieren Sie die letzten beiden Kategorien?

Zweite Frage: Wenn zur Definition "Scheinjugendliche" gehören, wie sollen diese optisch von jungen Erwachsenen unterschieden werden? Weiterhin: In welche Richtung läuft hier die Beweislast? Muß man bei einer real 25-Jährigen annehmen, daß diese "jugendlich" ist, bis das Gegenteil bewiesen wurde? Wie sieht es mit Zeichnungen, Computergrafiken, Schriftstücken aus, denen ja keine realen Personen egal welchen Alters zugrunde liegen?

Dritte Frage: Was ist der Schutzzweck des Verbreitungsverbotes von Jugendpornographie, der kein tatsächliches Geschehen zugrunde liegt? Warum wurde bei der Umarbeitung des Gesetzesentwurfs kein Gebrauch von den diesbezüglichen Ausnahmeregelungen der EU-Richtlinie gemacht?

Vierte Frage: Wird es bald notwendig werden, die Videotheken in diesem Land flächendeckend zu schließen, weil sie "Scheinjugendpornographie" verbreiten? Welche Kapazitäten von Polizei und Justiz werden, wenn ja, dafür aufgewendet?

Mit freundlichen Grüßen

P.S.: Ich habe diese Fragen in gleicher Form auch an Frau Zypries geschickt.
P.P.S.: Ich unterstütze das Anliegen, die Mitwirkung von unter 18-jährigen an Pornos zu unterbinden. Bezüglich der Tauglichkeit dieses Gesetzes habe ich jedoch meine Zweifel.

02.09.2008
Antwort von
Siegfried Kauder

Bild: Siegfried Kauder

Sehr geehrter Herr ,

vielen Dank für Ihre Fragen zum Gesetzentwurf zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie.

Der neue § 184c StGB verwendet die Begriffe "tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen". Den Begriff "sonstiges (nicht wirklichkeitsnahes) Geschehen" kennt der Tatbestand nicht. Diese Begriffe kommen bereits im geltenden § 184b StGB vor. Unter "Geschehen" sind sexuelle Handlungen von, an oder vor Personen von 14 bis 18 Jahren, die Gegenstand einer jugendpornographischen Schrift sind, zu verstehen (siehe einleitend § 184c Abs. 1 StGB). Neben dem tatsächlichen Geschehen erfasst der Tatbestand auch ein "wirklichkeitsnahes" Geschehen, d.h. die Darstellung eines Geschehens, das sich dem durchschnittlichen Betrachter dem äußeren Erscheinungsbild nach als ein tatsächliches darstellt.

Die Strafbarkeit der Verbreitung pornographischer Schriften, deren Darsteller Erwachsene mit jugendlichem Erscheinungsbild sind ("Scheinjugendliche"), entspricht den übrigen Vorschriften gegen Pornographie. In Grenzbereichen ist dabei auf das jugendliche Erscheinungsbild des Darstellers abzustellen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um die Darstellung eines tatsächlichen, wirklichkeitsnahen oder eines fiktiven Geschehens handelt. Strafgrund ist nämlich nicht nur der Darstellerschutz, sondern auch der Schutz der Konsumenten (vor allem von Jugendlichen) vor schädlichen Inhalten und dem Nachahmungseffekt. Nach dem EU-Rahmenbeschluss muss die Verbreitung fiktiver Pornographie strafbar sein [siehe Art. 1 Buchstabe a) iii)]. Einen nachvollziehbaren Grund dafür, die Verbreitung von pornographischen Computeranimationen und Zeichentrickfilmen unter Strafe zu stellen, nicht aber die Verbreitung von Pornographie mit Scheinjugendlichen als Darsteller, gibt es nicht. Daher wurde auch nicht von der Ausnahmemöglichkeit des Rahmenbeschlusses [Art. 3 Abs. 2 Buchstabe a)] Gebrauch gemacht.

Die von Ihnen beschriebene Gefahr, dass die Videotheken in Deutschland bald flächendeckend schließen müssen, sehe ich.

Mit freundlichen Grüßen

Siegfried Kauder, MdB

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@Laie: "Die Folge: Vermehrte Einstellung von Verfahren nach dem Oppurtinätsgundsatz. Von einer verschärften Strafverfolgung dürfte daher kaum die Rede sein."

Wäre ich jetzt bösartig, würde ich sagen, der Name passt sich der Aussage an. ;-)

Wenn man sich nur die Statistik der Vergehen nach §184 ansieht, dann steigt diese seit 1993 - mit Schwankungen - stark an.
Im Bereich KP werden Verfahren - auch nur bei Besitzstraftätern und Ersttätern - nur gegen hohe Geldzahlungen eingestellt.

Die ständige Verschärfungen im Sexualstrafrecht seit 1993 - wobei ich nicht alle ablehne - haben sowohl zu einer Steigerung der Ermittlungen, als auch zu einer Steigerung der Verurteilungen geführt.

Lediglich die Anzahl der schwersten Sexualstraftaten ( sexuell motivierter Kindsmord ) ist zurückgegangen.

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Die schlimmsten Auswirkungen des neuen Gesetzes sehe ich im Bereich der M e d i e n, also bei der Verbreitungsfrage. Da die Justitiare Texte und Bilder im Grenzbereich zu "unter 18" vor der Veröffentlichung zu prüfen haben werden, gehen sie als leidgeprüfte Juristen natürlich kein Risiko ein und stellen ab sofort alle auch nur von fern erotischen Texte und Bilder zurück, die Jugendliche zum Gegenstand haben - in der Sorge, irgendeine Justizperson könne das als "pornographisch" einschätzen.

Nun gibt es bekanntlich im Bereich der Erotik und der Kunst seit jeher das Grunderlebnis der Jugendlichkeit. J u g e n d (beileibe nicht Kindheit, das ist ein anderes Kapitel) ist ein Lieblingsgegenstand fast aller erotisch angehauchten Dichter, Maler, Fotografen - so war es schon immer und wirds immer sein. Die Natur hat Jugendliche beiden Geschlechts so schön gemacht, weil sie (seltsamerweise) dieses Alter für das beste hält, um viele gesunde Kinderlein zu zeugen und zu bekommen.

Aber Natur hin oder her, wir werden durch das Gesetz

*brutal und schamlos k a s t r i e r t e Medien

bekommen, ob es sich um Bücher, Zeitschriften oder Elektronik handelt.

Soll man deshalb in Trauer verfallen? Ich glaube nicht. Meine These: Literatur, Kunst und alle anderen Kulturträger werden in kürzester Zeit und ganz gewaltig r e b e l l i e r e n gegen die Kastration, die hier angeordnet worden ist.

Der Weg dazu ist, wie üblich, die provokative Grenzverletzung. Es wird zu Gerichtsverfahren kommen, in denen - und nun wirds spannend -

*das A b s u r d e der neuen "Verbreitungs"-Kastration aufgezeigt und angeprangert

werden wird. Das einzige Thema hierbei ist der Begriff des "pornographischen" und deren neuesten Anhängsel wie "Posing". "Hervorhebung" usw.

Um den größten Teil der Jugendpornographie im engeren Sinn ist es nicht schade. Sollen die Mädel in der Lederhose auf der Alm eben erst ab 18 jodeln. Darauf kommts, sieht man vom grundsätzlich Verwerflichen der Zensur ab, nicht an. Aber hier wird

***die heilige Göttin K u n s t zusammen mit der Muse aller Literaten, bildencen Künstler, Fotografen, Filmleute angegriffen, der J u g e n d. Wer der Kunst die Jugendzeit raubt, der vergewaltigt sie.

Das wird sich die Kunst nicht gefallen lassen. Deshalb erwarte ich eine neue 68er-Bewegung, diesmal von Dichtern und Künstlern ausgehend. In unseren Gerichtssälen wird sich Ungewohntes tun - holt die alten Revoluzzer-Zeitungen heraus und veranstaltet wieder Happenings! "Wenns der Wahrheitsfindung dient..."

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Ich denke, die Kunst wird rebellieren, aber die Kunst in 20 Jahren wird massiven Schaden erleiden, sobald die neuen Regelungen zur Norm geworden sind, es sei denn, das Gesetz wird zügig angepasst.

Vor allem aber verlieren gleichzeitig Gesetze weiter an Autorität, weil sie offensichtlich sinnlos sind - und damit nimmt unser Rechtssystem Schaden (ähnlich wie bei den völlig sinnlosen Klagen gegen jugendliche Tauschbörsennutzer, die wegen angeblichem Schaden belangt werden, den sie nie verursachen konnten, weil es um Geld geht, das sie angeblich ausgegeben hätten, wenn sie Lieder nicht gratis heruntergeladen hätten, das sie aber nie hatten, also auch nie ausgeben konnten).

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@ Caroline Kaiser

Niemand stellt in Abrede, dass die Anzahl der Ermittlungsverfahren seit 1993 nicht gestiegen wären. Es stellt sich m.E. nur die Frage, ob die Anzahl der Verurteilungen im Verhältnis zur Anzahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren proportional gestiegen ist oder ob wegen der explosionsartigen Zunahme der Ermittlungsverfahren – der damit einhergehenden steigenden Verfahrensdauer - und der Kompliziertheit der rechtlichen Materie die Bereitschaft zur Einstellung aus Gründen der Oppurtunität gestiegen ist und durch die Neuregelung nicht noch weiter steigen wird – so allein meine Behauptung.
Dass gerne bei Tatvorwürfen gem. §§ 184 ff. StGB von der Möglichkeit der Einstellung Gebrauch gemacht wird, könnte sich bereits aus der Feststellung ergeben, dass es trotz der unbestreitbar vielfältigen Rechtsprobleme bei §§ 184 ff. StGB nur vergleichsweise wenig höchstrichterliche Rechtsprechung gibt, eben weil Verfahren selten bis in höhere Instanzen gelangen (und lieber vorher eingestellt werden??).
In diesem Zusammenhang: Die von Ihnen erwähnte Einstellung gem. § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage stellt eben eine solche Einstellungsmöglichkeit dar. Und im Übrigen: Weisen Sie nicht selbst – zurecht – auf die erhebliche Dauer der Auswertungszeiten bei den LKAen hin? Die Neuregelung wird eine weitere Aufschlüsselung strafrechtlich relevanter Dateien im Rahmen der Auswertung notwendig machen und damit zu einer weiteren Verfahrensverzögerung führen. Dies wirkt sich (strafmildernd) auf das zu erwartende Strafmaß aus. Die Folge: Lieber frühzeitig einstellen, als nach langen Jahren aufwändiger Ermittlungen ein geringes Strafmaß erreichen.

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@Laie

Weiterhin warne ich davor, sich Polizei und Justiz als Straßenbahnbetrieb vorzustellen, der bei Überfüllung schon mal auf die Kontrolle der Fahrscheine verzichtet, oder als Bananen-Ude auf dem Hamburger Fischmarkt: Bei Gedränge gibts noch eine Banane gratis dazu.

Justiz hat weder mit Opportunität zu tun noch ist der Richter ein Kapitän auf hoher See, der je nach Fehlen höchstrichterlicher Entscheidungen oder unklarer Rechtslage einstellen darf. Die Justiz wird gründlichst beobachtet und kontrolliert.

Durch die - wenn auch abgeschwächte - unselige Verbindung mit dem Kinderpornographie-Bereich ist der Druck durch die Politik, insbesondere aber der der Ö f f e n t l i c h k e i t auf die Justiz hier äußerst brutal und energisch. Innerhalb der Jusiz gibt es (vernünftigerweise) bestimmte Schlüsselzahlen zur Verteilung anfallender Sachen, zur Erhöhung und Wegweisung an andere Gerichts usw., wenn eine Überlastung einzelner Gerichtsstellen bzw. Personen absehbar ist.

Was bedeutet das in der Praxis? Polizei und Justiz melden höheren Planbedarf an und erhalten nachgewiesenermaßen notwendige Stellen auch. Mit dem Zauberwort "Kinderpornographie" traben Medien, Parteien und Ministerien los - auch wenn das Kind eine 19jährige Studentin ist, die wie 16 aussieht und mit herausgedrücktem Po hübsch bekleidet, aber "unzüchtig" "posiert".

Soweit ich das aus den Fallberichten ersehe, kommt es bei den an sich ja hochinteressanten Grenzfällen bisher nur deshalb nicht zur häufigeren Inanspruchnahme höherer Instanzen, weil die S c h a m bei den Tätern groß und die Unsicherheit der meisten Anwälte noch größer ist. Das wird sich ändern, wenn Stern, Spiegel, taz und die Süddeutsche Jugendpornographie verbreiten (sollen). Die werden sich wehren.

Ich halte Ihre Ansicht, bei komplizierten Sachverhalten würde eher eingestellt, für grotesk falsch. Gerade dann sehen Richter und Staatsanwälte ja Klärungsbedarf, sie empfinden ihre eigene Unsicherheit und sind - wir leben in einem Rechtsstaat - zur Klärung solcher dunkler Rechtsbereiche im Instanzenweg jederzeit bereit.

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@ Laie | Peter Mulzer

jetzt zu spekulieren wie sich das entwickeln wird halte ich eigentlich für müßig, zumal sich ja die Leute die sich damit auskennen sollten, Politiker und Juristen, schon nicht einig sind wie das Gesetz zu handhaben ist. Ich fürchte deshalb Sie werden beide recht behalten.
Das wird vermutlich genauso übersichtlich wie die Definition der "geringen Menge" beim Cannabis.
Einige Staatsanwaltschaften und Gerichte werden wohl schnell einstellen (gegen geringe Auflagen) und andere werden alles anklagen und rigoros durchexerzieren, wahrscheinlich wieder mit deutlichem Nord-Süd-gefälle, auf jeden Fall mit deutlichen Diskrepanzen.
Zumindest vermute ich das. Mehr als abwarten kann man jetzt ohnehin nicht mehr.

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@ Peter Mulzer

„Innerhalb der Justiz gibt es (vernünftigerweise) bestimmte Schlüsselzahlen zur Verteilung anfallender Sachen, zur Erhöhung und Wegweisung an andere Gerichts usw., wenn eine Überlastung einzelner Gerichtsstellen bzw. Personen absehbar ist.“

Dies wäre wünschenswert, ist aber leider nicht so:

Die Zuständigkeit der Gerichte ist gesetzlich geregelt (GVG), es besteht das Prinzip des sog. „gesetzlichen Richters“, d.h. es muss bei Festlegung eines Geschäftsverteilungsplanes am Anfang eines Jahres die Anzahl der Richter und Kammern in bestimmten Zuständigkeitsbereichen FESTSTEHEN. Eine spätere Änderung „nach Bedarf“ ist nicht möglich. Unvorhersehbare Verfahren mit zum Teil langer Verfahrensdauer (Haftsachen z.B. bei Mord oder umfangreiche Wirtschaftsverfahren) legen daher regelmäßig ganze Kammern lahm, weshalb vereinzelt auch bereits Haftentlassungen von Beschuldigten der Fall waren, da mit einer Terminierung bei an sich zuständigen Kammern innerhalb der Haftprüfungsfristen nicht möglich war.

Eine Zuweisung an „andere Gerichte“ ist schon von Gesetzeswegen nicht möglich.

Lediglich ganz vereinzelt (sehr vereinzelt z.B. bei zu ERWARTENDEN, mehrjährigen Verfahren) kann ein Geschäftsverteilungsplan weit im voraus dahingehend „angepasst“ werden, dass zusätzliche Kammern oder Richterstellen eingerichtet werden. Dies geschieht regelmäßig durch Personalumschichtung.

Der Personalbedarf wird nach dem sog. PEBBSY Schlüssel berechnet.

„Polizei und Justiz melden höheren Planbedarf an und erhalten nachgewiesenermaßen notwendige Stellen auch.“

Die Steigerungszahlen der Ermittlungsverfahren im Bereich der Kinderpornografie betragen zwischen 50 und 111 % (Lagebild BKA, Steigerung 2006/2007). In welchem Bundesland waren die Stellen bei Polizei und Justiz um 50 – 111 % doch gleich gestiegen? In der Regel findet nach meiner Kenntnis nach wie vor ein Stellenabbau statt.

„Gerade dann sehen Richter und Staatsanwälte ja Klärungsbedarf, sie empfinden ihre eigene Unsicherheit und sind - wir leben in einem Rechtsstaat - zur Klärung solcher dunkler Rechtsbereiche im Instanzenweg jederzeit bereit.“

Wie bereits erwähnt: Die Rechtsprobleme der §§ 184 ff. StGB werden vornehmlich von der Literatur erörtert (s. „Praxis!!)-Kommentierungen zum StGB bsp. Fischer). Fundstellen zur Rechtsprechung, insbesondere höherer Gerichte finden sich VERGLEICHSWEISE wenig. Nehmen Sie einen Kommentar zur Hand, klemmen Sie die Seiten, die sich mit §§ 184 – 184d StGB beschäftigen zwischen zwei Fingern fest und betrachten Sie den Stapel. Verfahren Sie genauso mit §§ 223, 224 (Körperverletzung) oder § 242 StGB (Diebstahl): Die Kasuistik in diesem Bereich ist weitaus stärker vertreten.

@ corax: Danke, ich stimme zu.

Im Übrigen räume ich ein, dass DIESE Diskussion doch jetzt etwas vom eigentlichen Thema abweicht.

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@ Laie

Der Laie bin nach den Tatsachen ich, wie Sie wissen, und so betrachte ich die Angelegenheit nur von außen und vielleicht doch auch etwas grundsätzlicher. Für die *kurzfristige Verteilung der anfallenden Strafsachen gilt das von Ihnen Gesagte ganz sicher. Ich meinte aber die *längerfristige Planung.

Der Staatsanwalt, der (typisches Beispiel die jüngsten Aktionen der Urheberrechts-Industrie) anfallsweise tausende von Vorgängen auf den Schreibtisch bekommt, meldet das nach oben. Und im Justizministerium reagiert man, wenn auch langsam. So sind unsere Schwerpunkt-Gerichte bzw. Staatsanwaltschaften entstanden, und eigentlich ist fast jede Verwaltungsreform der Justiz erst auf "Überfüllungsdruck" von unten entstanden.

Ich habs also mittelfristig gemeint. Kurzfristig werden die altbewährten (oder besser nichtbewährten) Krücken eingesetzt, schön zu studieren in Frankreich, wo ein Verfahren dann, naiv ausgedrückt, schon mal drei Jahre unbearbeitet bleibt und sich scheints keiner wundert darüber. Aber es w i r d bearbeitet.

Mir ging es darum, die nach meiner Einschätzung bei unseren Thema b r a n d g e f ä h r l i c h e Meinung zu konterkarieren, daß es wegen der Menge der Fälle und/ oder der Schwierigkeit bzw. Schwerbestimmbarkeit des Themas "Grenzen der Ponographie" zu irgendeiner Form der Abmilderung des Vorgehens der Justiz kommen könne.

Das ist doch eine Ehrensache für die Justiz, ein n e u e s Gesetz schlagkräftig und konsequent umzusetzen, jedenfalls bis die ersten Stolpersteine auftauchen. Mein naives, aber wohl nicht ganz unrichtiges Bild im Kopf zeigt Justizminister, Staatsanwälte und Richter der oberen Ränge vergnügt am Besprechungstisch, Unmengen Kaffee vertilgend und schöne Pläne für den Tag X machend, an dem losgetrabt werden darf.

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