Der Gesetzgeber sollte an den Rechtsanwender denken

von Dr. Ludger Giesberts, LL.M., veröffentlicht am 26.09.2008
Rechtsgebiete: BBodSchGVerwaltungsrechtÖffentliches Recht1|3256 Aufrufe

Wenn in öffentlich-rechtlichen Normen auf privatrechtliche Rechtsinstitute zurückgegriffen wird, scheint dies den Rechtsanwender zu überfordern. Bestes Beispiel dafür ist § 4 Abs. 3 Satz 4 BBodSchG. Seit dem 01.03.1999 findet sich darin eine Sanierungsverantwortlichkeit für die Personen, die aus handelsrechtlichem oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person einzustehen hat, der ein kontaminiertes Grundstück gehört. Hintergrund dieser Durchgriffsverantwortlichkeit war, dass umfangreiche Boden- und Grundwasserkontaminationen auf Grundstücken von Unternehmen zu finden waren, die jedenfalls durch die Sanierungslasten völlig überschuldet waren und deshalb für eine Beseitigung der Verunreinigungen finanziell nicht einstehen konnten. Der Gesetzgeber wollte eine Durchgriffsmöglichkeit auf Personen schaffen, die für solche Unternehmen einstehen müssen. Die Vorschrift lautet im Wortlaut wie folgt:

„Zur Sanierung ist auch verpflichtet, wer aus handelsrechtlichem oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person einzustehen hat, der ein Grundstück, das mit einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast belastet ist, gehört, und wer das Eigentum an einem solchen Grundstück aufgibt."

Statt der Schaffung eines eigenen öffentlich-rechtlichen Durchgriffstatbestandes hat der Gesetzgeber aber auf bereits vorhandene Institute des Privatrechts zurückgegriffen und diese in der Norm lediglich in Bezug genommen. Diese Rechtsgründe des Handels- und Gesellschaftsrechts sind durchaus zu den schwierigeren Rechtsmaterien zu zählen (Einzelheiten in Giesberts, in: Fluck, Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und Bodenschutzrecht, Kommentar,  § 4 BBodSchG, Rn. 265 - 314).

Nach beinahe einer Dekade zeigt sich in der Praxis, dass die Norm von den zuständigen Behörden eher selten angewendet wird. Aus diesem Grunde existieren auch nur wenige Gerichtsentscheidungen (siehe z. B. VGH München, NVwZ-RR 2005, S. 465 - 466). Es stellt sich deshalb die Frage, weshalb der Rechtsanwender nicht häufiger auf diese Norm zugreift.  Meine These ist, dass die vom Gesetzgeber vorgenommene Inbezugnahme von Haftungsinstituten aus anderen Rechtsmaterien auf den ersten Blick zwar als „geschickter Schachzug" erscheint, sich jedoch mit Blick auf die beinahe 10jährige Praxis eher als Rechtsanwendungshindernis erweist. Die Inbezugnahme durchaus komplizierter handels- und gesellschaftsrechtlicher Haftungsregime in das öffentliche Recht bereitet dem typischen Rechtsanwender der Norm des § 4 Abs. 3 Satz 4 BBodSchG wohl Probleme, weil die Arbeit mit solchen Haftungsinstituten regelmäßig nicht zu seinem „täglichen Brot" gehören dürfte. Dazu zählt vielmehr das öffentliche Recht und das Umweltrecht. Da die Einarbeitung in diese fremde Rechtsmaterie regelmäßig mit erhöhtem Aufwand verbunden ist, dürfte anzunehmen sein, dass auch deshalb eher von der Anwendung abgesehen wird. Stattdessen werden vertraute Verantwortungstatbestände in § 4 Abs. 3 Satz 1 und § 4 Abs. 6 Satz 1 des BBodSchG für die Identifizierung von Sanierungsverantwortlichen angewendet.

Sollte sich die These als richtig erweisen, dann muss dem Gesetzgeber empfohlen werden, bei Erlass eines Gesetzes zu bedenken, ob die von dem Rechtsanwender vorzunehmende Subsumtion angesichts seiner Ausbildung sowie der typischerweise anzunehmenden Erfahrung und Rechtspraxis auch tatsächlich erwartet werden kann.

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Ich glaube eher an eine grundsätzliche Unwilligkeit der Verwaltung, das Verursacherprinzip im Umweltrecht konsequent anzuwenden. Bußgelder erreichen nie die erforderliche Höhe, um vorsätzliche Umweltverschmutzer wirksam zu treffen. Umweltstrafrecht wird so gut wie nie angewendet, weil die Umweltbehörden nicht in der Lage oder nicht willens sind, Ermittlungen gemäß strafrechtlichen Standards zu führen. Statt dessen werden Sanktionen und Beseitigungsanordnungen außergerichtlich ausgekundelt. Die Täter sind ja fast immer Gewerbesteuerzahler.

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