Hessische Expertengruppe empfiehlt engere Zusammenarbeit der Behörden zur Bekämpfung der Jugendkriminalität

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 03.10.2008

Die auf Veranlassung des hessischen Justizministers Jürgen Banzer (CDU) gebildete Expertenkommission zur Bekämpfung der Jugendkriminalität hat am 26.9.2008 in Wiesbaden ihren Abschlussbericht überreicht. Der  Bericht enthält Optimierungsvorschläge für das Verfahren und den Jugendstrafvollzug. Als "Kardinalmaßnahme" bewerten die Experten die Professionalisierung der behördenübergreifenden Zusammenarbeit zur Verfahrenbeschleunigung.

Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendhilfe "unter einem Dach"

Befürwortet werden außerdem «Häuser des Jugendrechtes», wie sie derzeit bereits durch das hessische Justizministerium intensiv vorbereitet werden. Diesem Modell liegt laut Justizministerium der Gedanke zugrunde, dass staatliche Reaktionen auf delinquentes oder sozial auffälliges Verhalten junger Menschen oftmals nicht abgestimmt und mit erheblichem zeitlichen Verzug erfolgt. Um die behördenübergreifende Zusammenarbeit zu optimieren, eine schnelle und gründliche Bearbeitung von jugendstrafrechtlichen Verfahren zu unterstützen und die Verfahrensdauer zu verkürzen, sollen Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendhilfe «unter einem Dach» räumlich zusammengefasst werden. Auf diese Weise soll den Experten zufolge eine schnelle und «ganzheitliche» Reaktion der staatlichen Instanzen unter Ausschöpfung aller nicht nur im Jugendgerichtsgesetz sondern auch im Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) vorgesehenen Möglichkeiten erreicht werden.

Jugendkriminalität primär ein gesellschaftliches Problem

Darüber hinaus hat die Kommission laut Angaben des Ministeriums Optimierungsansätze im Bereich der Vollstreckungseinleitung bei Jugendarrest und Jugendstrafe erarbeitet. Durch veränderte Abläufe soll die Einleitung der Vollstreckung weiter beschleunigt werden. Dadurch werde den Jugendlichen und Heranwachsenden verdeutlicht, welche Konsequenzen ihr strafbares Tun für sie habe, erklärte das Ministerium. Jugendkriminalität sei kein rein rechtliches Problem, sondern primär ein gesellschaftspolitisches, sagte Justizminister Banzer.

Hintergrund

Die Expertenkommission unter dem Vorsitz des hessischen Generalstaatsanwalts Dieter Anders besteht aus Vertretern verschiedener Berufsgruppen und Bundesländer, darunter auch Oberstaatsanwalt Roman Reusch, der in Berlin als Leiter der Intensivtäterabteilung der Staatsanwaltschaft abgelöst wurde. Nach Meldung der Süddeutschen Zeitung habe Banzer seine Berliner Amtskollegin Gisela von der Aue (SPD) darum gebeten, Reusch in der Expertengruppe einsetzen zu können. Reusch war laut SZ in der Verangenheit mehrfach kritisiert worden, weil er wiederholt öffentlich ein drastisches Bild von der Jugendgewalt in Berlin gezeichnet hatte. Auch seien seine Forderungen zu deren Bekämpfung von Politik und Justiz heftig kritisiert worden.

Zur Dikussion im Blog

Reformvorschläge zum Jugendstrafrecht

Aus der Datenbank beck-online

Walter/Wilms, Künftige Voraussetzungen für die Verhängung der Jugendstrafe: Was kommt nach einem Wegfall der «schädlichen Neigungen»?, NStZ 2007, 1

Müller-Piepenkötter/Kubink: «Gelbe Karte» für junge Straftäter - Ein Projekt der rationalen Kriminalpolitik, ZRP 2007, 61

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