Aufsichtsratsmitglieder im Zwiespalt

von Dr. Ulrike Unger, veröffentlicht am 13.10.2008

Aufsichtsratsmitglieder müssen die erhaltenen Geschäftsunterlagen nach Beendigung ihrer Amtszeit an die Gesellschaft herausgeben. Diese Pflicht erstreckt sich auch auf Fotokopien und Dublikate. Das hat nun der Bundesgerichtshof klargestellt ( BGH, Beschluss vom 7.7.2008 - II ZR 71/07). Begründet wird dies damit, dass auch für den Vorstand einer AG gemäß §§ 675, 666, 667 BGB eine entsprechende Pflicht bestehe. Die bloß abstrakte Möglichkeit, von der Gesellschaft wegen etwaiger Fehler der Amtsführung auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden und dann zur eigenen Verteidigung auf die Unterlagen angewiesen zu sein, soll daran nichts ändern. Da sich die Pflicht bereits aus dem Gesetz ergebe, bestehen auch hinsichtlich Geschäftsordnungsregelungen, die eine Herausgabepflicht von Unterlagen samt Kopien vorsehen, keine Bedenken. Wie soll sich nun aber ein Aufsichtsratsmitglied, dass keine Unterlagen mehr zu den Vorgängen hat, im Fall der Fälle verteidigen? Sich auf sein Erinnerungsvermögen zu verlassen, ist wohl in den meisten Konstellationen nicht ausreichend. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs sind die Interessen des Aufsichtsratsmitglieds dadurch ausreichend geschützt, dass die Gesellschaft die ihm vorzuwerfende Pflichtverletzung zu bezeichnen und ihm Einsicht in die dafür maßgeblichen Unterlagen zu gewähren habe. Ob ein solches Vorgehen eine optimale Verteidigungsmöglichkeit des Aufsichtsratsmitglieds gewährleistet, ist allerdings mehr als zweifelhaft. Nicht umfasst von der Entscheidung, ist die Frage, ob eine Herausgabepflicht auch besteht, falls Schadenserstzansprüche gegen das Aufsichtsratsmitglied bereits konkret im Raum stehen oder schon geltend gemacht wurden. Auch ist damit nicht entschieden, wie mit eigenen Notizen des Aufsichtsratsmitglieds zu verfahren ist, etwa mit Erinnerungsprotokollen.

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