Hoffnung für betrunkene Radfahrer - kein automatischer Schluss auf fehlendes "Trennungsvermögen"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 22.10.2008

Mittlerweile ist es durchaus "Allgemeingut", dass auch nach einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad eine Fahrerlaubnisentziehung auf verwaltungsrechtlichen Wege stattfinden kann. Vor allem bei hohen BAK-Werten ab 1,6 Promille wird stets eine MPU gefordert. Die Entziehung ist dann ohne lange Vorbereitung der MPU nur logische Konsequenz. Hoffnung gibt den Betroffenen nun das VG Oldenburg in einer bislang wohl nur im ACE-Verkehrsjuristen veröffentlichten Entscheidung (Beschl. v. 10.4.2008 - 7 B 767/08), aus der hier ein kurzer Auszug eingefügt ist:

...entscheidend im Rahmen der Beurteilung der Kraftfahreignung kann aber nach Auffassung der Kammer vielmehr allein sein, ob vom Antragsteller ein Verstoß gegen das Trennungsgebot der Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV zu erwarten ist, oder ob die Änderung seines Trinkverhaltens im Hinblick auf das Trennungsgebot entgegen Nr. 8.2 der Anlage 4 ausreichend gefestigt ist. Speziell zu dieser zentralen Frage, der künftigen Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr unter Alkohol, enthält das Gutachten jedoch keine verwertbaren Äußerungen. Die Umstände sprechen dafür, dass der Antragsteller zwischen dem Führen von Kraftfahrzeugen - und allein auf diese stellt Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV ab - ... und dem übermäßigen Trinken trennen kann. Der Antragsteller ist bislang lediglich einmal bei einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad aufgefallen. Der Antragsteller hat hierbei aber objektiv keinen Alkoholmissbrauch im Sinne von Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV begangen, denn er hat kein Kraftfahrzeug benutzt. Es ist nicht bekannt, dass er innerhalb der vorangegangenen Jahre, in denen er über die Fahrerlaubnis verfügte, jemals alkoholisiert ein Kraftfahrzeug geführt hat....Aus den Umständen der einmaligen alkoholisierten Fahrradfahrt kann daher nach Überzeugung des Gerichts nicht zwingend auf eine mangelnde Kraftfahreignung geschlossen werden.

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5 Kommentare

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Die Entscheidung des VG Oldenburg ist auch längst in den Printmedien gewesen: Juni-Heft der ZfS: ZfS 2008, 353.
Die Entscheidung ist laut redaktionellem Hinweis in ZfS 2008, 539 allerdings vom NdsOVG aufgehoben worden. Man sollte die VG-Entscheidung daher mit gewisser Vorsicht lesen. Der Grundgedanke der VG-Entscheidung - dass die Behörde dem Gutachter die richtigen Fragen stellen muss, widrigenfalls das Gutachten unbrauchbar ist - dürfte von der Aufhebung nicht tangiert sein.

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Hallo Herr Dr. Kettler
Vielen Dank für den Fundstellenhinweis - aus beckonline ergab der sich (noch) nicht.

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Hallo Herr Krumm,
die Entscheidung ist ja noch so frisch, dass sie noch nicht überall verarbeitet sein muss. Aber man muss sich ja nicht auf beckonline allein verlassen. Die Werbung will Glauben machen, man bräuchte nicht mehr als genau dieses Produkt, aber...

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Das ist dann wieder die Stärke von Juris, wo sich sowohl die beiden genannten Fundstellen als auch der Hinweis auf die nachgehende Entscheidung des NdsOVG finden. Die Parallelfundstellensuche von Beck-Online hat hier durchaus noch Optimierungspotenzial (wobei ich nicht verhehlen möchte, dass gerade bei älteren Entscheidungen auch Juris Schwächen hat und selbst NJW-Fundstellen verschweigt).

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Die aufgeworfene Fragestellung wird meines Erachtens ab dem 30.10.2008 durch die Änderung der Anlage 4 wieder eine andere Dimension bekommen, da die Anlage 4 dann grundsäztlich nicht mehr auf Kraftfahrzeuge, sondern auf Fahrzeuge abhebt.

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