Kampf um Abfall aus Privathaushalten verliert nicht an Aktualität

von Dr. Ludger Giesberts, LL.M., veröffentlicht am 23.10.2008

Aus dem Kampf gegen den Müll ist in der Vergangenheit ein Kampf um den Müll geworden. Gewerbetreibende haben längst den lukrativen Marktwert von Altpapier erkannt. Entscheidungserheblich für den seit längerem andauernden Streit von gewerblichen und kommunalen Abfallentsorgern (s. nur Spiegel-Artikel v. 31.3.2008) ist u.a., ob einer gewerblichen Sammlung überwiegende öffentliche Interessen  nach § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 KrW-/AbfG entgegenstehen.

Grundsätzlich haben private Haushaltungen nach § 13 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG die Pflicht zur Überlassung des Abfalls an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger. Eine Ausnahme besteht nach § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 KrW-/AbfG für gewerbliche Sammlungen, wenn der Nachweis einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung erfolgt und überwiegende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen. Gerichte beurteilen die Frage, wann im Einzelfall überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen, sehr unterschiedlich. Überwiegend wurde bislang aber eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgung verneint und der durch Art. 12 GG geschützten Berufsfreiheit der gewerblichen Sammler ein höheres Gewicht beigemessen.

Überwiegende öffentliche Interessen liegen vor, wenn eine Übernahme durch gewerbliche Entsorger die öffentlich-rechtliche Entsorgung in ihrer Funktionsfähigkeit gefährdet (Giesberts, in: Giesberts/Reinhardt, Umweltrecht, Beck OK, § 13 KrW-/AbfG, Rn. 43). Dieser unbestimmte Rechtsbegriff ist eng auszulegen. Mehrheitlich wurde die Auffassung vertreten, dass eine von gewerblichen Anbietern vorgenommene „Rosinenpickerei“ bei den lukrativsten Standorten, durch die die restliche öffentlich-rechtliche Entsorgung teurer werde, kein überwiegendes öffentliches Interesse begründe. Das Gesetz hatte dies durch die vorgesehene Ausnahme von der Überlassungspflicht selbst so bewertet, zudem kommt es meist allein zu einer geringfügig höheren Gebührenbelastung der Bürger (in den bisher entschiedenen Fällen nicht über 10 Euro pro Einwohner und Jahr). Meiner Ansicht nach ist es richtig, ein überwiegendes öffentliches Interesse zu bejahen, wenn dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die Planungssicherheit dergestalt genommen wird, dass die sinnvolle Erfüllung seiner gesetzlichen Pflicht zur Abfallentsorgung nicht mehr sichergestellt ist. Eine solche existentielle Bedrohung dürfte aber wohl nur in Ausnahmesituationen gegeben sein.

Nicht nur wirtschaftliche, sondern auch sonstige Kriterien, wie beispielsweise die Einhaltung anderer gesetzlicher Vorschriften, können eine Rolle spielen. So hat das OVG Hamburg vor kurzem ein überwiegendes öffentliches Interesse wegen eines Verstoßes gegen die Verpackungsverordnung bejaht. Durch die Überlassung der Abfälle an gewerbliche Entsorger werde das bestehende flächendeckende System zur Erfassung von Verkaufsverpackungen bestandsgefährdend beeinträchtigt (OVG Hamburg, Beschl. v. 8.7.2008, Az. 1 Bs 91/08). Das unaufgeforderte Aufstellen von blauen Tonnen wurde außerdem kürzlich von verschiedenen Verwaltungsgerichten unter straßenrechtlichen Gesichtspunkten untersagt, da es sich hierbei um eine erlaubnispflichtige Sondernutzung handele, die als illegale Straßenbenutzung gemäß § 22 StrWG (NRW) untersagt werden könne (VG Aachen, Beschl. v. 17.6.2008, 6 L 252/08).

Trotz der in jüngster Zeit zahlreich ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen ist eine Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht zur endgültigen Klärung der Frage mehr als wünschenswert. Denn für die Zukunft zeichnet sich ab, dass sich der Streit auf andere Abfälle wie beispielsweise Schrott, Metalle, Glas und Textilien ausweiten wird. Eine solche Entscheidung könnte aufgrund der Zulassung der Revision durch das OVG Schleswig (Urteil v. 22.4.08, Az. 4 LB 7/06) erfolgen. Demgegenüber erscheint der Ruf der Kommunen nach dem Gesetzgeber verfrüht. Auch auf der Grundlage des geltenden Rechts lassen sich sachgerechte Lösungen (im Einzelfall) finden.

RA Dr. Ludger Giesberts, LL.M. / RA Guido Kleve

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