BGH: Internationale Zuständigkeit im ECommerce

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 09.11.2008

Der BGH hat mit Beschluß vom 17. September 2008 -  III ZR 71/08 die Regeln für die internationale Zuständigkeit in ECommerce-Fällen präzisiert. Zu unterscheiden sei zwischen interaktiven Websites und passiven Websites. Bei der Verwendung einer interaktiven Website, bei der der Verbraucher auf einer Website des Vertragspartners die von ihm gewünsch ten Leistungen bestellt,  werde die notwendige Verbindung zum Staat des Verbrauchers schon dadurch geschaffen, dass dessen Vertragspartner seine Tätigkeit -auf diesen Staat ausrichtet. Allerdings seien die Zugänglichkeit einer nur passiven Website als solche und der Umstand, dass sich der Verbraucher des Angebots einer Dienstleistung oder der Möglichkeit, Waren zu kaufen, durch eine solche in seinem Mitgliedstaat zugängliche Website bewusst wird, nicht ausreichend, um eine internationale Zuständigkeit zu begründen.

Interaktiv versus passiv - mir ist nie klar geworden, wie man dies juristisch abgrenzen will. Was ist eine "passive Website"? Haben Sie Vorschläge?

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9 Kommentare

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Vorschlag:

Interaktiv ist eine Webseite, auf der Waren bestellt werden können, unabhängig davon ob dies per Kontaktformular oder mit Hilfe eines Webshops erfolgt. Letzterer stellt ebenso nur eine Möglichkeit zur Verfügung, den Verkaäufer vom Einkauf zu benachrichtigen.

Interaktiv sind auch Wikis, Foren, Blogs mit Kommentarfunktion etc.. Allerdings wird hier darauf abzustellen sein, ob diese zum Zwecke des ecommerce bereitgehalten werden.

Passiv sind Webseiten, wenn nur Waren beworben, aber nicht zum Kauf von Verbrauchern angeboten werden. Dies ist oftmals bei Großhändlern der Fall, die nur an Zwischenhändler liefern und nicht an Endkunden.

Passiv ist eine Webseite auch dann, wenn ein Internetnutzer keine Möglichkeit hat den Inhalt der Seite zu beeinflussen (bspw. Wiki) oder Waren zu bestellen.

Die Abgrenzung im einzelnen dürfte schwierig werden.

Müller Martin

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Lieber Herr Müller,
das klingt gut. Aber würde man nicht die Unterscheidung anders ziehen müssen. Passiv steht aktiv gegenüber (nicht interaktiv). Entscheidend ist die Zielrichtung der Website - ist sie auf einen bestimmten regionalen Markt bezogen und versucht hierfür Kunden zu gewinnen (egal ob diese dann via Website oder im Laden bestellen. Gruss TH

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Ich denke, der BGH versteht unter einer "passiven Website" - was für eine Bezeichnung! - eine bloße Web-Visitenkarte, die neben der Existenz eines Unternehmens dessen Anschrift und sonstige Erreichbarkeit sowie eventuell das Geschäftsfeld zum Abruf bereithält. So lässt sich auch die Abgrenzung zum Erfordernis des Ausrichtens der Tätigkeit auf einen Staat besser nachvollziehen: Sobald der Kunde als Kunde angesprochen wird und ihm Produkte oder Dienstleistungen direkt angeboten oder zumindest vermittelt werden, hält die Website "aktiv" ein Angebot bereit, das über Informationszwecke hinausgeht. Und so wie ich die Normen der EUGVVO verstehe, ist eher eine verbraucherfreundliche, extensive Auslegung gefragt als das Gegenteil.

Ob dazu aber die Begriffe einer "interaktiven" vs. einer "nur passiven" Website wirklich notwendig sind, steht auf einem anderen Blatt. Hört sich nach einer Formulierung von Menschen an, "die sich das Internet ausdrucken lassen". (Zitat von Andreas Bogk, CCC, im Verfahren vor dem BVerfG in Sachen Online-Durchsuchung)

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Heise berichtet just, daß das BMJ den fliegenden Gerichtsstand gerade auch im Urheberrecht auf konkrete Gerichtsstände zurückstutzen will. So ist angedacht, dass bei Internet-Delikten nur noch jenes Gericht angerufen werden kann, in dem der Rechteinhaber oder der potenzielle Verletzer seinen Wohnsitz hat.

http://www.heise.de/newsticker/Fliegender-Gerichtsstand-bei-Internet-Del...

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Na Bravo, endlich wachen die Sesselpuper in Berlin auf und kapieren, dass hier was oberfaul läuft. Das war ja wohl lange überfällig, dass der Contentmafia und ihren Anwälten in die Suppe gespuckt wird! Offenbar hat man sich endlich entschlossen Auswüchse zu beseitigen über jeder normaldenkende Internetnutzer schon seit Jahren bescheid wusste und den Kopf schüttelt. So wie bei der Abzocke über Abmahn"gebühren" gegen Filesharer, wo für einen simplen Wisch mit Anwaltsbriefkopf Mondpreise von 10 k€ pro Song als "Streitwert" aufgerufen werden nur damit die Kasse klingelt. Nach 97 a UrhG will sich der Gesetzgeber (die Interessenvertretung des Volkes, siehe Art. 20 II GG, nicht von Lobbygruppen wie der maroden Plattenindustrie!) jetzt wohl auch andere Vorschriften vorknöpfen, die die Gerichte bisher massiv verbogen haben und wo eine Klarstellung vonnöten ist. Da kann man nur hoffen: Weiter so! Nachdem die Einschränkung des Rechts auf Privatkopie in der letzten Urheberrechtsänderung ein negatives Signal war, geht es hoffentlich wieder aufwärtz.

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Sehr geehrter H5N1,
na, wenn das alles so alte Kamellen sind, dann wundert es, dass man darüber so viel diskutieren kann. Aber dann mal her mit den Wahrheiten. Was ist denn dann der Unterschied zwischen einer interaktiven und nicht-interaktiven Website? Was ist überhaupt eine "nicht-interaktive Website"?

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Sehr geehrter Herr Hoeren,

die von Ihnen kritisierte Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Websites ist jedenfalls so alt, dass sie bereits die Kommission in der Begründung des EuGVVO-Vorschlags vom 14. Juli 1999 (abgedruckt z.B. in BR-Drucks. 534/99, dort S. 16) zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs von Art. 15 EuGVVO heranziehen wollte.

Seitdem haben sich etwa ein Dutzend Dissertationen und Hunderte sonstiger Stellungnahmen damit befasst, die Sie sich anhand der Ihnen zugänglichen Literatur sicher leicht erschließen können (in BGH III ZR 71/08 Rn. 9 finden Sie schon einiges für den Einstieg).

Alt ist im übrigen zwar auch die Kritik an diesem Abgrenzungskriterium (z.B. Spindler MMR 2000, 18, 23; s. ausführlich etwa Borges, Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr [auch schon aus dem Jahr 2003 !], S. 717 ff. m.w.N.), aber solange ein besseres nicht auf dem Tisch liegt, kann man damit arbeiten.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr H5N1

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