Führerscheintourismus: Die EuGH-Rechtsprechung kommt bei den Verwaltungsgerichten an

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 11.11.2008

Mehrfach war der Führerscheintourismus Gegenstand des Blogs. Der VGH Mannheim (Urteil v. 9.9.08 - 10 S 994/07) hat nun die jüngste Rechtsprechung des EuGH übernommen: wenn sich aus dem Führerschein selbst ergibt, dass zur Zeit seiner Ausstellung (im Falle des VGH Mannheim: in Tschechien) im Ausstellungsstaat kein Wohnsitz vorhanden war, so muss die Fahrerlaubnis nicht in Deutschland anerkannt werden. Das Gericht hat ferner festgestellt, dass freilich nicht - wie von der Fahrerlaubnisbehörde zunächst vorgenommen - die Fahrerlaubnis entzogen werden kann. Es kann nur festgestellt werden, dass der Inhaber nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland berechtigt ist.

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15 Kommentare

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mE äußerst problematisch ist die einschränkung des EuGH, dass die tatsachen nicht ohne weiteres durch hiesige erkenntnisse nachgewiesen werden können, sondern gesicherte erkenntnisse des "führerschein"-ausstellerstaates erforderlich sind (bzw - aber das dürfte in zukunft wohl nicht mehr vorkommen, wenn die entsprechenden fahrschulen entsprechend "umrüsten" - sich aus dem führerschein selbst ein inländischer wohnsitz ergibt). hierdurch wird dem füherscheintourismus nur ein begrenzt wirksamer riegel vorgeschoben, da sich erhebliche ermittlungsprobleme ergeben und es faktisch äußerst schwierig werden dürfte, diese probleme gänzlich mit rechtshilfeersuchen zu lösen.

dabei stellt sich mir insbesondere die frage, die ich hiermit gerne mal in den raum stellen möchte, ob die EG/EU-grundfreiheiten wirklich bösgläubige führerscheintouristen schützen w(s)ollen, die sich zB bewusst einer MPU entziehen und sich im ausland führerscheine holen, obwohl sie beruflich dort nichts zu tun haben und einen dortigen wohnsitz nur vortäuschen?

warum soll der nachweis insoweit nicht auch aufgrund hier in deutschland gewonnenen erkenntnissen geführt werden können, zB wenn im verwaltungsgerichtlichen bzw. uU auch strafrechtlichen prozess nachgewiesen werden kann, dass ein führerscheintourist im ausstellungszeitraum hier vollzeit gearbeitet hat und auch seine familie hier ansässig ist und demgegenüber ein offenbar unzutreffender wohnsitz bspw in tschechien im führerschein aufgeführt ist?

wie sehen das die anderen blog-teilnehmer?

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Was hat dieses Land eigentlich für ein Problem mit dem EU-Führerschein.
Ich kenne einige Leute , die nach FS-Entzug die MPU machen mußten.Alle ohne Ausnahme trinken wieder,aber die meisten fahren dann nicht mehr.
Das völlig gleiche ist aber mit denen,die den Schein im Ausland machten.Keiner will ihn mehr verlieren.Aber die deutschen Beamten haben scheinbar sowenig Arbeit,daß Sie sich mit diesem Thema unendlich beschäftigen.
Einige sind jetzt glücklich,daß wieder die Lücke mit dem Wohnsitz gefunden wurde,wo man einstechen kann.Und wieder wird den Tschechen,Polen,Holländer usw.unglaubliche Mengen Geld gegeben,daß man den Schein wieder bekommt.
Wie hoch ist eigentlich die Rückfälligkeit bei den MPU Kanditaten?80 % oder mehr?
Viel Geld auszugeben,um zu lernen,wie man den Psychologen austrickst,hat das einen Sinn?
Und jetzt braucht man noch mehr Beamte,die jedem einzelnen Fall nachgehen,ob er wirklich im Ausland war zu der Zeit.
Noch einmal.Hat dieses Land keine anderen Probleme?

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Zitat"aber das dürfte in zukunft wohl nicht mehr vorkommen, wenn die entsprechenden fahrschulen entsprechend “umrüsten” - sich aus dem führerschein selbst ein inländischer wohnsitz ergibt). hierdurch wird dem füherscheintourismus nur ein begrenzt wirksamer riegel vorgeschoben" Zitat ende

Sehr verehrter Herr Staatsanwalt.
Diese-Ihre-Aussage zeigt mir das Sie sich mit diesem Thema noch nicht richtig beschäftigt haben, so das Sie eigentlich Ihre Meinung besser nicht äussern sollten ohne sich vorher mit der Materie auch nur grundlegend zu befassen. Sowohl Polen als auch CZ stellen schon seit Jahren keine Führerscheine mehr ohne einen Wohnsitz aus, so das zwangläufig seit Jahren in jedem Führerschein aus diesen Staaten eine CZ/PL Adresse drin steht. Diese Urtele des EUGH laufen also, für deutsche Behörden ins leere. Ebenso ist der Wohnsitzeintrag Fakultativ, es braucht also, laut 3. Führerscheinrichtlinie gar keiner drin zu stehen.

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hallo,

muss Oskar recht geben!
Wozu das ganze Theater seit Jahren,auf Kosten der Steuerzahler???

gibt echt wichtigeres!
zumal ein Gericht jemanden verurteilt für begangene Straftaten...zu recht!

aber wofür wird man noch 16 Jahre nachträglich dafür bestraft???
mit welchem Recht???

wenn ein Mörder nach 15 Jahren entlassen wird,hat er seine Schuld getan und muss sich nicht noch von irgendwelchen Psychologen gegen teures Geld untersuchen lassen!

Fehler macht jeder mal....aber die eigentliche Sch.... richtet doch der Staat selber an!

und wenn der EUGH sich so zum Thema äussert und Rilis aufstellt,dann auch für Deutschland!

wenns D nicht gefällt...in der EU wird niemand gezwungen,daran teil zu haben!!!
dann können sie ihre Gesetze machen wie es ihnen passt,was nix neues wäre...

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zur Erinnerung: der FS in der zitierten Entscheidung war am 29.11.2004 ausgestellt worden.

Tatsächlich glaube ich auch, dass sich nur sehr wenig Fälle finden lassen werden, in denen die Betroffenen so blöd waren, ihren deutschen Wohnsitz eintragen zu lassen.

Ein bisschen sehe ich das auch wie Herr Bronnen - die (eingeschränkte) Überprüfbarkeit ist ein zahnloser Tiger und deshalb sicher als problematisch zu bewerten. Sie ist nun aber einmal Fakt. Wer also den Führerscheintourismus bekämpfen will, der wird sich zunächst um die Verbesserung der EG-weiten Zusammenarbeit in derartigen Sachen kümmern müssen, oder?!

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Guten Tag.

Zu Ihrem Beitrag muß ich garnichts überlegen, denn ich denke, das da jemand schreibt, der nicht so richtige Ahnung aus der Vergangenheit hat.

Sie schreiben , "das wohl niemand so blöd war und einen deutschen Wohnsitz angegeben hat" 

Das war bei vielen das zwangsläufige muss. Sie konnten und können nicht einfach einen Wohnsitz angeben, bei dem Verwaltungsbogen in der CZ , der nicht wirklich existiert.

Bei einer solchen Angabe von einem Wohnsitz der dort nicht der Richtigkeit entspricht ,bekommen Sie auf der Behörde keinen Führerschein.

Sie müßen einen Wohnsitz dort durch alle Instanzen fechten, was nicht gerade das leichteste ist.

Meine Frage nochmals an Sie Herr Krumm : Bleiben Sie bei der Aussage, das niemand so blöd gewesen sei ?

MfG Hammer

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Hallo zusammen
ich darf mal als ergänzende Diskussionsgrundlage das Augenmerk auf die Umsetzung von Artikel 11 der 3.FS-Richtlinie richten, die am 19.01.2009 in Kraft tritt. Die entsprechende Bundesratsdrucksache und die entsprechenden Änderungen finden sich auf
www.fahrerlaubnisrecht.de.

Unter dieser Prämisse - vor allem der Änderung der §§ 20 und 28 FeV kann die Diskussion schon jetzt in eine andere Richtung gehen.

Ich prognostiziere schon jetzt neue EU-GH-Verfahren zur Umsetzung der (nicht eindeutigen) Regelungen in der BRD zur Umsetzung von Artikel 11 :-)

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@sachse

nun auch hier gelandet? Ein interessanter Beitrag, dem leider aus der Praxis wiedersprochen werden muss. Auf meinem Schreibtisch befanden sich Führerscheine aus Tschechien (nachgeprüft echte Führerscheine) die ein Erteilungsdatum aus dem Jahr 2007 und den Eintrag eines deutschen Wohnsitzes enthielten.

Weiterhin bitte ich Dich darum zumindest hier die Form zu wahren und nicht wieder User auf diese Art und Weise anzugehen. Das ist unnötig und für die Diskussion nicht gewinnbringend.

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Das BVerwG entscheidet morgen 2 Fälle zum sog. Führerscheintourismus.
In beiden Fällen deutsche Staatsangehörige mit tschechische Führerscheine mit eingetragenem Wohnsitz in Deutschland, deutsche Behörden haben diese Führerscheine nicht akzeptiert.
Es liegt nach der EuGH-Rechtsprechung ein Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis der EG-FS-Richtlinie vor, beide Klagen haben demnach keine Erfolgsaussichten.
Für diese Auffassung spricht auch die Tatsache, dass das BVerwG die Sachen dem EuGH nicht nach Art. 234 EGV vorgelegt hat, wie das in den bisher vom EuGH entschiedenen Fällen war (Vorlageverfahren deutscher Verwaltungsgerichte).
Auch für das BVerwG ist die Rechtslage damit eindeutig, Verstoß gegen die FS-Richtlinie.

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Auszug aus der aktuellen Pressemitteilung des BVerwG zu den beiden genannten Verfahren:

"Das Bundesverwaltungsgericht hat die angegriffenen Urteile im Ergebnis bestätigt und die Revisionen der Kläger zurückgewiesen".

Meine Prognose von gestern, daß die Rechtslage eindeutig ist und das Vorbringen der Kläger keine Erfolgsaussichten hat, war zutreffend.

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Sicherlich ist es auch weiterhin möglich inen EU Führerschein zu erwerben. Jedoch zu empfehlen ist es Garantiert nicht.
Deutsche Behörden werden nun erbarmungslos gegen Führerscheintouristen vorgehen.

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27.01.2008

Oberverwaltungsgericht : Verpflichtung deutscher Führerscheinbehörden zur Anerkennung von EU-Fahrerlaubnissen
- Änderung der Rechtsprechung zu „Führerscheintourismus“ -

Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat am 23.01.2009 drei dem sog. Führerscheintourismus“ zuzurechnende Eilrechtsschutzverfahren (1 B 378/08, 1 B 437/08 und 1 B 438/08) entschieden und dabei in Anbetracht der in den letzten Monaten zu verzeichnenden Fortentwicklung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes seine bisherige Rechtsprechung entsprechend geändert. Danach ist es den deutschen Führerscheinbehörden aufgrund europarechtlicher Vorgaben verwehrt, einer EU-Fahrerlaubnis die Gültigkeit für das Bundesgebiet in Fällen abzuerkennen, in denen die Betroffenen nach Entziehung ihrer früheren inländischen Fahrerlaubnis im Inland sich nicht mehr um die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis bemühten, um sich nicht einer nach inländischem Recht vorgeschriebenen Eignungsprüfung unterziehen zu müssen, sondern statt dessen eine Fahrerlaubnis unter Begründung eines Scheinwohnsitzes im europäischen Ausland erwarben. Die Entscheidungen betreffen nur Fälle, in denen in der ausländischen Fahrerlaubnis ein Wohnsitz im Ausstellermitgliedstaat eingetragen ist. Ist in dem ausländischen Führerschein hingegen ein Wohnsitz im Bundesgebiet eingetragen, bleibt es bei der bisherigen Rechtsprechung des Senats, wonach eine solche Fahrerlaubnis bezogen auf das Bundesgebiet ungültig ist (vgl. Beschluss des Senats vom 21.01.2009 - 1 B 381/08 -).
http://www.ovg.saarland.de/10711_10786.htm

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