Europäisches Umweltrecht soll effektiver umgesetzt werden

von Dr. Ludger Giesberts, LL.M., veröffentlicht am 26.11.2008

Damit Recht seine normative Kraft auch faktisch entfalten kann, muss es effektiv durchgesetzt werden. Dies gilt insbesondere für das Europäische Umweltrecht, das in Form von EG-Richtlinien regelmäßig nicht unmittelbar anwendbar ist, sondern von den Mitgliedstaaten erst in das nationale Recht umgesetzt werden muss. Anders als etwa bei einer mangelhaften Umsetzung von europäischen Regeln des Verbraucherschutzes oder des Wirtschaftsrechts fehlt es im Bereich des Umweltrechts vielfach an einem unmittelbar Geschädigten, der schon aus Eigeninteresse für die Durchsetzung des EG-Rechts zu streiten beginnt. Hier ist vor allem die Europäische Kommission gefragt, die in ihrer Funktion als „Hüterin des Gemeinschaftsrechts" nach Art. 211 EG dafür zuständig ist, die Einhaltung des primären und sekundären Europarechts zu überwachen. Die Kommission hat jetzt eine Mitteilung an die anderen Gemeinschaftsorgane vorgelegt, die auf die Verbesserung der Umsetzung und damit der Durchsetzung des Umweltrechts gerichtet ist.

EU-Umweltkommissar Stavros Dimas erklärt dazu: „Wir müssen dafür sorgen, dass Europa die beschlossenen Umweltmaßnahmen tatsächlich in die Praxis umsetzt". Als besonders ernste Probleme werden die Duldung illegaler Mülldeponien oder Versäumnisse bei der Behandlung städtischer Abwässer benannt. Auf über 200 EU-Rechtstexte ist der Normenbestand im Europäischen Umweltrecht inzwischen angewachsen, der in den 27 Mitgliedstaaten effektiv umgesetzt werden muss.

Ein Blick auf die Statistiken der Generaldirektion Umwelt zeigt, wie hoch der Handlungsbedarf im Umweltrecht ist: 479 Verstöße gegen Europäisches Umweltrecht verfolgte die Kommission Ende 2007, wobei bei dieser Zählung nur die Fälle berücksichtigt werden, in denen zumindest der erste Schritt eines formalen Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 ff. EG eingeleitet wurde.
Damit entfallen fast 25 % aller Vertragsverletzungsverfahren gegen die EU-Mitgliedsstaaten auf das Umweltrecht. Interessant ist auch ein Blick auf die Verteilung der Verfahren auf die Mitgliedstaaten. Der zweifelhafte Ruhm des „Spitzenreiters" fällt auf Italien mit 60 Verstößen, gefolgt von Spanien mit 42 Verstößen. Deutschland liegt mit 13 Fällen im guten Mittelfeld. Musterknaben sind nach dieser Zählung einige osteuropäische Staaten, wobei allerdings berücksichtigt werden muss, dass für die Staaten der letzten Beitrittsrunden im Umweltrecht zahlreiche Übergangsfristen gelten.

Die effektive Durchsetzung des europäischen Umweltrechts kann aus meiner Sicht nur begrüßt werden. Einerseits dient sie den zentralen Zielen der europäischen Umweltpolitik nach Art. 174 EG, der Erhaltung und dem Schutz der Umwelt, dem Schutz menschlicher Gesundheit und der umsichtigen Verwendung natürlicher Ressourcen. Andererseits ist die effektive europaweite Durchsetzung aber auch erforderlich, um ihre Akzeptanz und Legitimität bei denjenigen zu fördern, die die Kosten und den Aufwand hoher umweltpolitischer Standards zu tragen haben. In einem europäischen Mitgliedstaat ansässige Unternehmen - egal ob Großkonzern oder Mittelstand - werden nur dann bereit sein, die Kosten und den Aufwand in Kauf zu nehmen, um die umweltrechtlichen Vorgaben einzuhalten, wenn sie sich darauf verlassen können, dass ihre Konkurrenten in den übrigen Mitgliedstaaten diese Vorschriften ebenfalls beachten müssen. Mangelnde Umsetzung des Europäischen Umweltrechts darf nicht zu einem positiven Standortfaktor werden.

Damit dient eine effektive Umsetzung des Europäischen Umweltrechts in ganz Europa am Ende allen: der Umwelt genauso wie dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem, unverfälschten Wettbewerb.

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