Marco Weiss verliert Verteidiger wegen seines umstrittenen Buchs

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 28.11.2008

Gegen den jetzt 19-jährigen Marco Weiss wird in Antalya/Türkei wegen der behaupteten Vergewaltigung einer 13-jährigen Britin verhandelt. 247 Tage befand er sich in türkischer Untersuchungshaft. In Deutschland wie in der Türkei hatte das Verfahren für große öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt und nach Mahnungen der Bundesregierung sogar zu politischen Verstimmungen zwischen den beiden Ländern geführt.

Gestern sah man noch einmal das in der türkischen Untersuchungshaft aufgenommene Foto des kahlrasierten jungen Mannes auf der Titelseite der Bild-Zeitung, die mit dem Vorabdruck des heute erschienenen Buchs über seine Leidenszeit in der Türkei begonnen hat. In dem Buch berichtet er auch über die Nacht mit der Britin.

Einer seiner beiden deutschen Verteidiger, Rechtsanwalt Matthias Waldraff aus Hannover, hat deshalb sein Mandat niedergelegt: Er habe stets versucht, Schaden von seinem Mandanten abzuwenden; das sei nun nicht mehr möglich. Auch der Anwalt in Istanbul erwägt, sein Mandat niederzulegen. Wenn Marco über seine Zeit in der Untersuchungshaft berechtigt, sei das unbedenklich. Sobald er aber Kritik an dem Schwurgericht in Antalya übe, könne das Auswirkungen auf das für April erwartete Urteil haben.

Marcos Anwälte haben immer gegen die schädlichen Folgen der Boulevard-Berichterstattung gekämpft. Für fahrlässig hielten sie die Aktion der Bild-Zeitung 18.000 Petitionen ihrer Leser ins Gericht nach Antalya bringen zu lassen. Rechtsanwalt Waldraff: Ein solcher Versuch der Beeinflussung des Gerichts ist in der Türkei strafbar. Die Gefahr ist groß, dass man der Verteidigung unterstellt, so etwas zu lancieren.

Derweil will der Anwalt der jungen Britin mit einem neuen Beweisantrag das Buch darauf prüfen lassen, ob es neue Erkenntnisse zum Tatablauf bringe.

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14 Kommentare

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Tja, ein Schlag ins Gesicht all derer die u.a. der Türkei damals unterstellten ein Unrechtsstaat zu sein und die sich für ihn einsetzten und die für ihn sogar gespendet haben. Imho sogar unter Mißbrauchs des guten Rufes des THW.
Wie beratungsresistent muss man eigentlich sein vor Abschluss eines Verfahrens nicht nur nicht den Mund zu halten sondern sogar noch ein Buch zu veröffentlichen?
Da kann man nur noch den Kopf schütteln.

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@corax:
Problematisch allerdings die Bewertungs-Unterschiede, die in einem ähnlichen Fall gemacht wurden (ohne dass ich die Schutzaltersgrenzen genau kenne). Der Artikel spielt auf die zunehmende Politisierung der dortigen Justiz an.

Zitat:
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Ein 76-jähriger fundamentalistisch-islamischer Kolumnist ist auf freiem Fuß, seit ein türkisches Gericht befand, er habe zwar mit einem 14 Jahre alten Mädchen geschlafen, dieses sei aber weder körperlich noch seelisch geschädigt worden. [...] Wie auch immer das Ergebnis lautet – der Beischlaf mit einer 14-Jährigen ist laut türkischem Gesetz ein Verbrechen.
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Artikel:
http://www.welt.de/vermischtes/article2697204/Die-Triebe-kann-niemand-ko...

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Danke für den Vorschlag. Auch aus meiner Sicht ist dies die bessere Formulierung (wie ich sie übrigens in der Presse zumeist gelesen und - leider - wenig reflektiert übernommen habe), ist die Eingangsmitteilung von mir entsprechend geändert worden.

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@ Joachim

der von Ihnen erwähnte Fall ist natürlich völlig unverständlich und ärgerlich, kam aber später.

Die Schutzaltergrenzen sind in der Türkei aber in den letzten Jahren auf Druck aus dem Westen unseren angepasst worden. Das türkische Strafrecht ist meines Wissens sogar explizit an das deutsche als Vorbild angelehnt.
Das Schutzalter ist 14 Jahre.
Er war mit einer 13jährigen auf dem Zimmer, es soll laut ihm zu sexuellen Handlungen gekommen sein (kein Beischlaf sondern "fummeln") anschließend wurde eine Vergewaltigung von der Mutter behauptet. Die Aussagen der Ärzte waren wohl nicht eindeutig. Er war ausländischer Staatsbürger.
Da wäre die Anordnung der Untersuchungshaft hier genauso erfolgt. Und vielleicht wäre er damals auch früher freigekommen, wenn einige unserer Politiker und die BLÖD nicht so einen Terz in der Öffentlichkeit veranstaltet hätten.

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Man mag es für arrogant halten, aber Marco kann es ziemlich egal sein, ob er nwälte hat und zum welchem Urteil ein türkisches Gericht irgendwann in seiner Abwesenheit kommt. Erstens wird Marco wohl kaum an die Türkei ausgeliefert werden (ein lächerlicher Gedanke), zweitens hätte er in Deutschland trotz des wahnwitzigen Gelabers über 15 Jahre Höchststrafe bei der bekannten Beweislage nur eine Bewährungsstrafe zu erwarten - wenn überhaupt. Fakt ist, dass er beinahe ein Kind geschwängert hat. Das ist eine Tatsache nach deutschem Recht. Natürlich kommt es vor, dass frühreife 13jährige Mädchen nicht nur an sich selbst rumspielen , sondern im besoffenen Zustand mit einem älteren Jungen zu weit gehen. Der junge Mann sollte dann aber auch einen Hauch von Verantwortung übernehmen, wenn er das Mädchen beinahe geschwängert hat: zum Beispiel könnte er die Schutzbehauptungen des Mädchens bestätigen, auch wenn er sich dabei belastet. Wer sich für einen Mann hält, sollte nach Möglichkeit seine Freundin nicht als verlogenes Flittchen darstellen, das im besoffenen Zustand mit jedem Erstbesten ins Bett steigt. Anstatt die Schuld mannhaft auf sich zu nehmen, wälzt Marco alles auf die Initiative eines betrunkenen Kindes ab. Aus dieser Perspektive wird das Verhalten der türkisches Justiz eher verständlich: Marco hat sich ehrlos verhalten, kein Schwein interessiert sich für seine "Wahrheit", mit der er die Ehre eines Mädchens für immer beschmutzt hat.

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@Bernd: Sie schlagen also ernsthaft vor, ein Beschuldigter sollte in der vorliegenden Situation die Vorwürfe einräumen, selbst wenn sie unzutreffend sind, um die "Ehre" eines Dritten zu "retten"?

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Wer hätte das gedacht: Das Buch von Marco Weiss "Marco W. - Meine 247 Tage in Haft" ist ein Verkaufsschlager. Wie ich heute in der FAZ (Nr. 283 S. 8) lese, ist die erste Auflage mit 20.000 Exemplaren bereits nach wenigen Tagen ausverkauft. Am Montag soll die zweite Auflage des Buchs verschickt werden.

Trotz dieser guten Nachrichten bleibt es bei einem Datum, das all die Verkaufsfreude trübt: der 10. April 2009, der Tag, an dem voraussichtlich der Prozess in der Türkei fortgesetzt wird. Mit neuen deutschen Anwälten - die türkischen wollen ihr Mandat behalten.

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@jan, wenn Marco eingeräumt hätte, dass er sich an der schlafenden Jungfrau gerubbelt hat, wäre allen Beteiligten klar gewesen, dass dies Quatsch ist. Aber er hätte die Verantwortung auf sich genommen, die Ehre der Mädchen geschützt, die Türkei hätte ihn nach dem ersten Prozesstag nach Hause entlassen. Die wissen auch was Tatbestandsirrtum hinsichtlich des Alters ist. Seine lange Haft hat er dadurch verschuldet, dass er ständig Öl ins Feuer gegossen hat. Er behauptet für seine Ehre zu kämpfen. Fakt ist, dass er ein Mädchen mit Sperma bekleckert hat und im nachhinein das Mädchen und seine Schwester als alkoholsüchtige Flittchen darstellt, die es nacheinander mit jedem treiben. Das ist nicht gut angekommen in England. Es hat letztlich zur Vergewaltigungsklage geführt und zu einer großen Wut gegenüber einem Jungen, der nichts dafür können will, wenn sich auf einmal Sperma in der Scheide eines angetrunkenen Kindes findet.

Geldstrafe, Bewährungsstrafe, egal, hauptsache, die türkische Justiz darf selber urteilen. In Deutschland würde keinem Jugendlichen monatelang die Tortur angetan, welche Marco erlitten hat. Deswegen kotzen mich die Kommentare von Juristen an, welche behaupten, ein ausländischer Jugendlicher hätte bei gleichen Vorwürfen hier auch in U-Haft gemusst. Die U-Haft in der Türkei muss man als Jugendlicher erst mal überleben! Marco war stark selbstmordgefährdet. Die Solidaritätsbekundungen haben ihn am leben gehalten, mit Sicherheit nicht das Gelaber von gewissen Politikern und Juristen, welche die Haft für völlig korrekt hielten und die Unabhängigkeit der türkischen Justiz verteidigten.

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Wie Herr Prof. Dr. von Heintschel-Heinegg schon betonte: Was die Fakten sind, wissen wir nicht. Ich für meinen Teil war in der fraglichen Nacht nämlich nicht vor Ort. Insofern kann ich Ihren Ausführungen nur bedingt folgen.

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Ich habe im Fall Marco von sogenannten Experten zum größten Teil nur Halbwahrheiten gelesen, die keinen Bezug zur Komplexität des Sachverhalts hatten. Ich weiß nicht, inwieweit diese Experten sich über die bislang bekannten Fakten informieren, wenn sie zu ihren Beurteilungen kommen.
Mal drohen Marco 15 Jahre Gefängnis (!?), dann wird auf die Höchststrafe nach deutschem Recht verwiesen; ich lese Kommentare, in denen Richtern das Recht eingeräumt wird, uneingeschränkt über die Länge von U-Haft zu entscheiden - bis alle Unklarheiten beseitigt sind! Unabhängig von der Beweislage, vom Entlastungsmaterial, von der Zumutbarkeit der Haft für einen Jugendlichen - total unabhängig von Recht und Gesetz! Dies wurde in vielen Gazetten verbreitet, ohne dass sich Widerspruch regte. Ein Hoch auf den Rechtsstaat! ^
Im Fall Marco sind folgende Fakten relevant, die jeder gerne zur Bestätigung googeln kann:
in Charlottes Scheide wurde Marcos Sperma gefunden, ihr Hymen wurde gereizt, ist aber nicht gerissen.
Nun können medizinische Experten trefflich darüber spekulieren, mit welcher Wahrscheinlichkeit was passiert sein könnte. Ich weiß es nicht, und die Experten wissen es auch nicht. Der Arzt, welcher Charlotte untersuchte, stellte zur Beruhigung der Mutter ihre Jungfräulichkeit fest (eine Schwängerung wäre trotzdem möglich gewesen); das Mädchen, das er selbst für viel älter hielt, sagte ihm, dass Marco ihr nichts angetan hätte. Der Arzt ging ursprünglich von einem verpatzten Entjungferungsversuch aus (lässt sich alles googeln). Vor Gericht hielt er einen Geschlechtsverkehr für unwahrscheinlich; das Sperma hätte auch "irgendwie" in die Scheide gelangen können. Charlottes Anwalt war stinksauer über den täterfreundlichen Meinungswechsel und wollte neue "Gutachten" - glauben Sie mir: es lässt sich nur spekulieren über den genauen Tathergang. Marco will sich in seinem Buch auch nicht näher dazu äußern. Bevor es "richtig" losging, wars schon passiert. Sehr vieldeutig. Marco stellt Charlotte und ihre Schwestern wieder als billige, leicht bekleidete Flittchen dar, die sich gern betrinken und nacheinander mit Jungs in Bett gehen, die sie kaum kennen. Herzlichen Glückwunsch. Gleichzeitig beschwert er sich über die bösen Lügen, welche seine "Wahrheit" untergraben. Er kämpft schließlich um seine Ehre. Nicht nur er. Im Gegensatz zur deutschen und türkischen Presse hat die englische Yellow Press darauf verzichtet, ein schutzbedürftiges KIND als frühreifes Flittchen zu präsentieren, inklusive Oben-ohne-Fotos, um klarzustellen, wie gut gebaut das Kind ist.

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