Anrechnung der Geschäftsgebühr aus dem Widerspruchsverfahren im vorläufigen Rechtsschutzverfahren?

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 02.12.2008

Die Vielzahl der Entscheidungen, die auch noch derzeit in der Frage der Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nach Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG ergehen, belegt, dass es sich bei dieser Anrechnungsregelung um ein Kardinalproblem des RVG handelt. Zu beachten in diesem Zusammenhang ist auch stets, dass die für den Zivilprozess geltenden Grundsätze sich nicht ohne Weiteres wegen § 162 VwGO auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren übertragen lassen. Besonderheiten bestehen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch deshalb, weil vielfach neben einem Widerspruchsverfahren auch noch ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren geführt wird, wobei es vielfach je nach Ausgang des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu einem Hauptsacheverfahren nicht mehr kommt. Zu der Anrechnungsproblematik hat sich das VG Frankfurt im Beschluss vom 15.10.2008 - 1 O 2590/08 geäußert; das VG Frankfurt ließ offen, ob eine Geschäftsgebühr, die dem Rechtsanwalt für das Betreiben des Widerspruchsverfahrens entstanden ist, im Sinne von Vorb. 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG denselben Gegenstand betrifft wie das auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichtete gerichtliche Eilverfahren, hat aber mit überzeugender Begründung dargelegt, dass eine Anrechnung nur dann zulässig ist, wenn der Prozessgegner auch für die anzurechnende Gebühr einzustehen hat. Das ist aber nur für die Kosten des Vorverfahrens der Fall und auch nur dann, wenn die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig erklärt worden ist. Da es eine solche Erklärung nach § 162 Abs. 2 VwGO nur im Hauptsacheverfahren geben kann, weil dem Eilverfahren kein Vorverfahren vorausgeht, kam das Gericht zu dem zutreffenden Schluss, dass eine Anrechnung vorprozessualer Gebühren auf die im Eilverfahren entstandene Verfahrensgebühr in keinem Fall in Betracht kommt.

 

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§ 162 VwGO und § 91 ZPO unterscheiden sich nur insoweit, als nach § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO im Ausnahmefall auch vorgerichtliche Anwaltskosten zur Festsetzung gelangen können.
Dementsprechend rechnen u.a. das OVG Lüneburg, das OVG Bremen, das OVG Koblenz, VG Minden. Zur Begründung vgl. nur Oberverwaltungsgericht Koblenz, Beschluss vom 28.01.2008 in
6 E 11203/07, juris sowie ein in diesem Blog an anderer Stelle zitierte Beschluss des VG Minden vom 06.10.2008 in 7 K 797/06.A.
Als Vertreter der Gegenauffassung haben sich das OVG Münster und der VGH München bisher noch nicht eingehend mit der Rechtsprechung des BGH auseinandergesetzt. Der 22. Senat des VGH München und der 6. Senat des OVG Münster haben jedoch bereits - ohne über diese Frage konkret entscheiden zu müssen - Zweifel an der bisherigen Rechtsprechung ihres Gerichts in der Anrechnungsfrage angemeldet.

Unabhängig davon wird der Rechtsanwalt gegenüber seinem Mandanten seine Tätigkeit wegen desselben Gegenstandes im behördlichen Verfahren auf seine Tätigkeit im Verfahren nach § 123 VwGO und/oder im Klageverfahren anrechnen. Ebenso seine Tätigkeit im behördlichen Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 4 VwGO auf das gerichtliche Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO.

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