Solange die Täter unter uns sind, muss die strafrechtliche Aufarbeitung von NS-Verbrechen weitergehen!

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 03.12.2008

Vor 50 Jahren wurde die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen  (außerhalb des Bundesgebiets) mit Sitz in Ludwigsburg gegründet. Am Montag würdigten Bundespräsident Koehler und die Vorsitzende des Zentralrats der Juden Charlotte Knobloch die Arbeit der Einrichtung, ohne deren Vorermittlungen für die Staatsanwaltschaften der Auschwitz-Prozess nicht aussichtsreich hätte geführt werden können.

Die von Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm geleitete Zentralstelle  darauf nur vorermitteln. Erst vor wenigen Wochen wurde belastendes Material über Iwan Demjanjuk der Staatsanwaltschaft München I übergeben. Die Arbeit in Ludwigsburg geht weiter.

Es ist zu hoffen, dass das gilt, was der baden-württembergische Justizminister Goll (FDP) anlässlich des Jubiläums sagte: Solange es auch nur theoretisch denkbar sei, dass noch ein Täter unter uns ist, besteht die Verpflichtung zur strafrechtlichen Aufarbeitung!

Seit dem Jahr 2000 besteht eine Außenstelle ds Bundesarchivs in Ludwigsburg, seit 2001 gibt es eine von der Universität Stuttgart finanzierte historische Forschungsstelle.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

6 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

In seinem Beitrag "Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen und die Verfolgung nationalsozialistischer Verbrechen" NJW 2009, 14 befasst sich RiOLG K. Kuchenbauer mit den tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Verfolgung dieser Verbrechen in der Praxis und mit der Frage, ob diese weiterverfolgt werden sollen. Auch er vertritt die Auffassung, dass die Bewährung der Rechtsordnung und der Schutz des menschlichen Lebens weiterhin die Verfolgung und Bestrafung erfordern.

0

Die Behauptung vom Prof. Heintschel-Heinegg, dass die Nazi-Verbrecher sollen so lange bestraft werden, wie sie es gibt, scheint mir zu allgemein zu sein. Die Frage ist nur wie bestraft? Unbedingt bestraft nur allein des Verdachts wegen, oder erst doch beweisen, dass ein oder andere mutmaßliche Täter tatsächlich was Konkretes getan hat.

In Fall Demjanjuk über 40 Jahre geht es darum, dass nicht einmal seine Identität mit von den Zeugen beklagte Person mit komischer Bezeichnung "Iwan der Schreckliche" festgestellt ist. Und schlimmer noch als einzige Beweis soll der SS-Dienstausweis gelten.  Das ist aber nicht schwierig dabei erkundigen ob SS-Dienst auch den Kriegsgefangenen Ausländer solchen Dokumenten mal gegeben hat.

Das passt weder zu NS-Ideologie, noch von keinem der Kriegsgefangenen Ausländer bestätigt ist. Außerdem ist alles mit der tausendmal veröffentlichen Faximile des Ausweises für Demjanjuk zeigt ganz merkwürdige Merkmale: Jemand hat von Hand alles in Russisch geschrieben, jemand hat "vergessen" Erstelldatum für den Dokument einzugeben und noch dazu jemand hat ein falscher Stempel dafür benutzte - dass alles ist vermerkt bei der Analyse des BKA und sogar extra darauf hingewiesen.

Die israelische Justizbehörden aufgrund dieses offensichtlich gefälschten Dokument mußten die Todesstrafe gegen Demjanjuk einstimmig revidieren und sogar den Verdächtigen freizusprechen.

Mag sein, dass Frau Knobloch sich tatsächlich für Bestrafung von Täter interessiert, aber soll dabei alles an Gesetzte vorbei laufen? Letztendlich Iwan Demjanjuk ist auch „menschliches Wesen“, welches einen Schutz braucht.

Jurij Below, Frankfurt

Sehr geehrter Herr Below,

an dem, was ich in meinem Start-Beitrag allgemein zur Verfolgung von NS-Verbrechen geschrieben habe, halte ich unverrückt fest: "Solange die Täter unter uns sind, muss die strafrechtliche Aufarbeitung von NS-Verbrechen weitergehen!" und "Solange es auch nur theoretisch denkbar sei, dass noch ein Täter unter uns ist, besteht die Verpflichtung zur strafrechtlichen Aufarbeitung!"

Gemeint ist damit nicht eine Vorverurteilung all derjenigen, die in NS-Taten verstrickt sind - auch für sie gilt selbstverständlich wie für jeden Straftäter die Unschuldsvermutung -, sondern die Aufklärung der Taten in einem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren, das bei fehlendem hinreichenden Tatverdacht mit einer Einstellung endet kann, oder in einer öffentlichen Hauptverhandlung, die mit einem Freispruch endet, wenn die Schuld des Angeklagten der Überzeugung des Gerichts nicht feststeht.

Im Fall Demjanjuk ist zwar die Anklage zugelassen worden, der Prozess wird aber erst in einigen Wochen beginnen. Dann kann jeder in öffentlicher Verhandlung verfolgen, in welcher Weise dieses Verfahren geführt wird, d.h. konkret, ob die Rechte des Angeklagten gewahrt bleiben, und wie es ausgeht. Und selbst eine Verurteilung kann noch vom Bundesgerichtshof auf Rechtsfehler überprüft werden.

Beste Grüße

Bernd von Heintschel-Heinegg

Sehr geehrter Herr Prof. Heintschel-Heinegg,

erstmals haben Sie vielen Dank für Ihre Antwort.

Ich will aber nach etwa 16 Monaten doch zum Thema Demjanjuk zurückkehren. Und vor allem deswegen, dass in dieser Zeit nichts Neues im Prozess in München passiert. Und ich will Sie bitten nicht aus Sicht eines Rechtswissenschaftler antworten, also nicht aus humanitärer oder moralischer Sicht. Ich kann mir das leisten, aber Sie sollen das nicht tun. Dura lex, sed lex schließt aus Emotion und anderen für Menschen immanenten Gefühle. Es geht um ein Gesetz.

Sie haben vollkommen Recht, dass das Kapitalverbrechen, das Demjanjuk vorgeworfen ist gesetzlich gesehen ist weder verjährt noch soll Rücksicht auf Alter oder Gesundheitszustand nehmen. Es geht dabei nicht um einen Quatsch eines Querulanten, sondern um Grundprinzip der Justiz: Beweisaufnahme.

Sie sollten schon bemerkt haben, dass in München trotz großen Bemühungen um Zeugen der Anklage zu kriegen oder mindestens Sachverständigen, die etwa aus Erfahrungen die Möglichkeit einer Straftat indirekt indizieren zu können, es nichts passiert. Bisher das Gericht konnte aufgrund Aussagen der „Nebenkläger“ nur folgendes feststellen:

1. Ob es tatsächlich dabei handelt um eine Verwicklung des Angeklagten in Massenmord oder Beihilfe zum Mord. Selbst wenn der Angeklagte aus welchen Gründen wie auch immer tatsächlich mindestens 1 Person tötete oder half jemanden anderen diese Person zu umbringen.

2. Wenn es die von Staatskläger genannte Zahl der Opfer über 20.000 stimme, dann muss doch schon dies auch beweisen werden. Das ist noch nicht geschehen, denn alle Zeugen selbst nicht einmal den Angeklagten wiedererkennen konnten. Außerdem die Zeugen könnten beliebig fantasieren und nennen noch größere Zahlen der Opfer, aber das Ort selbst konnten sie auch nicht sicher als Tatort nennen. Es ist genauso, wie in Jerusalem, Demjanjuk sollte zur gleiche Zeit in verschieden Orten des „Großgouvernement Polen“ die Exekution der Juden die Tat üben.

3. Die russische FSB (Nachfolger des KGB) im Dezember 2009 nochmal dem Gericht bereits bekannte Nachweis zur Verfügung stellte. Das „Dokument“, das nicht der Aufenthalt des Angeklagten mindestens in der Funktion eines Mittäters (Angestellten der KZ-Administration) nachweisen könne, sondern, im Gegenteil, als eine Fälschung der „Dienstausweises“, die nach wie vor grammatische Fehler der angeblichen „Dokumentaussteller“ beinhaltete und noch dazu als Muster benutzte mit der Serie, die nur für Polizeipräsidium in Lublin galt. Der Soldat der Rote Armee Demjanjuk als Ausländer durfte damals das nicht haben.  

4. Seit April 2009 Prozess in München stagniert. Der Angeklagte wegen der Verschlechterung der Gesundheit wurde erst in normalen Krankenhaus behandelt und dann auch in einem Altersheim, weil er stets auf eine Betreuung angewiesen ist.  Inzwischen wegerte er bei dieser Farce teilnehmen und sagte sein „letztes Wort“: dass er „der Kampf aufgab“, weil er „keine Kräfte mehr“ habe. In seiner Erklärung beschuldigt er Deutschland, das ihn zuerst als Sklave in einem Lager behandelte und seine Frau als Zwangsarbeiterin ausgebeutet und dann noch dazu auf ihm eine Hexenjagt veranstaltete.

An 13. April sein Rechtsanwalt die 12-Punkten Gegenanklage von Demjanjuk im Gerichtsaal vorgelesen mit folgenden Schlusssatz:

„Es ist absolut nicht mit der Vorstellung von Gerechtigkeit und Humanität vereinbar, die Tatsache, dass ich mehr als 35 Jahren praktisch zu einem ewig-verfolgten Opfer geworden bin. Ich musste auch mich gegen OSI (Büro der Speziellen Ermittlungen) in den USA und insbesondere gegen diejenigen, die hinter diesem Büro stehen: vor allem gegen den World Jewish Congress und das Wiesenthal Zentrum verteidigen. Denn diese Organisationen leben praktisch nur auf Kosten der Rache für den Holocaust.“

Um Aussetzung des Prozesses, der ohnehin in Stocken geraten ist, zu vermeiden, Demjanjuk wurde formal ins Gerichtsaal getragen und damit wurde eine Sitzung inszeniert. Der mutmaßliche Urteilspruch terminmäßig konnte nicht zustande kommen. Denn Gericht konnte weder genauer Ort, Zeit und eine konkrete Tat feststellen. Normalerweise unter diesen Umständen muss das Gericht sich nach zweitausendjähriger Geschichte der Rechtsprechung in dubio pro reo entschieden. Aber wegen der Forderung der Präsidentin des ZRJ Frau Knobloch: „Demjanjuk muss verurteilt werden“ (2008) Justiz in Deutschland ist nicht fähig ihr Pflicht nachgehen.

Was hat ja alles mit der Justiz zu tun? Bei allem Respekt bitte ich Sie mir mal doch erklären. Nun spreche ich nicht von „Fall Demjanjuk“, sondern Fall der „Deutsche Justiz“.

Mit vorzüglicher Hochachtung,

Jurij Below

alleine das Zitat, das sich Herr Below zu Eigen macht, das Simon Wiesenthal Center oder der WJC lebten "auf Kosten der Rache für den Holocaust", entlarvt das vorstehende Posting als antisemitische Hetze.

Die Beweisaufnahme läuft noch, und durch eine spekulative und tendenziöse Vorwegnahme der Ergebnisse wird aus einem Mordprozess noch lange kein "Fall deutsche Justiz". Abgesehen davon ist durch die bisherige Beweisaufnahme die Behauptung Demjanjuks, er sei jahrelang in Chelm Kriegsgefangener gewesen, so gut wie widerlegt, seine Anwesenheit in Flossenbürg nach seiner Zeit in Sobibor sehr wahrscheinlich (http://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen/prozess-gegen-john-demjanjuk-der-muehsame-weg-zur-wahrheit-1.988297) und der Ausweis wurde nicht vom FSB, sondern vom OSI der USA zur Verfügung gestellt (ob die Echtheit angesichts der Vergleichs- und Untersuchungsmöglichkeiten erwiesen ist, ist wieder eine andere Frage, aber nicht abhängig davon, woher der Ausweis kommt. Falsche Angaben machen den ganzen o.g. Beitrag unglaubwürdig).

 

0

Der "SS-Ausweis" (bis 1991) in München ab November 2009 wieder als "Dienst-Ausweis" aufgetaucht. Nach vielen Turbulenzen, die in Israel die neue Auflage der Ermittlungen gegen John Demjanjuk hervorgerufen, sagte die Dalia Dörner, ehemalige Richterin in Prozess gegen Demjanjuk in Israel auf einer Presse-Konferenz:

...die beiden Dokumente über Zugehörigkeit von Demjanjuk zu SS oder sonstigen "Reichsdiensten" ist ausgeschlossen: denn Israelische Zentrum für Aufklärung des Nazi-Verbrechen bereits 1991 die originale Dokumente bekam, wo keine von den anderen Verdächtigen jemals ein "SS-Ausweis" gehabt.

Das bewies die 11-köpfige Gruppe von durch Putin reorganisierten KGB - nun heißt SFB, während der Revision des Urteils. Später durch OSI ausgetauchter Dokument "Dienst-Ausweis" nach der Vernehmen der OSI Zeugen wollte die neue Geheimdienst der Russische Föderation verunglimpfen indem gleiches Dokument, ebenfalls mit russischen Übersetzungen darauf versetzt: bei der Analyse "mit den Löcher vom Tacker" versehrt wurden.

Die SFB-Zeugen bestätigten, dass bis 1989 tatsächlich Dokumenten in den "alten" Mappen aufbewahrt wurden. Nach 1990 die Dokumenten werden in Plastiktüten archiviert um die Dokumente von Schaden zu schützen.

Offenbar das ist eine alte Fälschung von NKWD/KGB - denn nicht die "russischen" Löcher da geblieben, sondern auch die grammatische Fehler bei Stempel: wie "SS und Polizeistelle Lublin" (bei anderen echten Dokumenten hieß es auf Stempel "SS- und Polizeistelle..."

Es ist ausgeschlossen, dass es für Großgouvernement Polen eine Ausnahme aus Regel bei Erstellung von Stempeln gab. Damit es doch nicht genug: "SS-Standartenführer Globocnick" durfte die Ausweise nicht unterschreiben, sondern Behörden in Berlin. Zudem dieser "Standartenführer" wurde bereits vor fast einem Jahr nach Königsberg versetzt.

In New York verhaftete Dora Grande, die wegen Affären mit der Wiedergutmachungsgeld" zusammen mit anderen 16 Angeklagten, die im Auftrag von Claims Conference erfüllte, sagte aus, dass OSI hat auch heute "guten Kontakten" zu Geheimdienst in Russland und sein Mann (russischer Bürger) lieferte "Dokumente" für OSI. Frau Grande bekam in den USA "politisches Asyl" und inzwischen "naturalisiert" wurde und berichtete, dass auch die "Dokumente" für potentiellen Anwärter der Wiedergutmachungen wurden durch SFB

"angepasst" wie etwa für ehemaligen Juden in Galizien, die seit 14. September 1939 in sowjetischen Machbereich gewesen und nach Stalins Report in Jalta sofort in sicheres Hinterland (also hinterm Ural)evakuiiert".

Der Prozess in München, der immer wieder unterbrochen wurde sollte schon vor eine Woche Beweisaufnahme beenden und GESTERN Urteil verkünden. Der Grund ist nicht angeblichen "Krankheitsausfälle" von Demjanjuk, sondern immer noch nicht feststellte Beweise: bisher weder Ort, noch Zeit noch Zahl der angeblichen Opfer festgestellt wurde.

Mit der Wachablösung in Leo Baeck Haus in Berlin - der neuer Präsident des ZRJ schon zwei Mal gesagt, dass er nicht, als seine Vorgängerin Charlotte Knobloch, in inneren Angelegenheiten der deutschen Justiz einmischen.

 

Für Geschichte dieses Prozeß bleibt als eine Beispiel eines des grobsten Vorstoßes gegen die Strafprozessordnung zugunsten politisch-ideologischen Auslegungen des Holocausts.

 

 

Kommentar hinzufügen