Der 1. Senat des Kammergerichts bleibt standhaft

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 07.12.2008

Der 1. Senat des Kammergerichts, der bekanntlich der Rechtsprechung des BGH in der Frage der Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nicht folgt, hat im Beschluss vom 04.11.2008 - 1 W 395/08 - seine Auffassung nochmals bekräftigt und in einer lesenswerten, die Argumente gegen die BGH-Rechtsprechung zusammenfassenden Begründung nochmals ausdrücklich betont, dass er der Auffassung des BGH nicht folgen kann, dass die Anrechnungsvorschrift Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG bewirkt, dass die Verfahrensgebühr von vornherein nur in um den Anrechnungsbetrag geminderter Höhe entsteht - eine richtige Entscheidung, insbesondere für jeden lesenswert, der in der Frage der Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr noch nach Argumenten sucht.

 

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6 Kommentare

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Stefan Schmeding (Rechtspfleger) Kommentar 3. Dezember 2008 - 11:09
Die ausgefeilte Begründung des 1. Zivilsenats des KG in seinem Beschluss vom 04.11.2008 in 1 W 395/08 - quasi als Gegenentwurf zu der gefestigten Auffassung des BGH in der Anrechnungsfrage - beruht m.E. auf einem gravierenden Mangel, der Nichtbeachtung eines der zentralen Grundsätze der Kostenfestsetzung:

„Es gehört zum gesicherten Standard der Kostenfestsetzung (vgl. RGZ 35, S. 427 (428); Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., Anm. A II b zu § 104) und versteht sich von selbst, daß keinesfalls höhere Kosten als erstattungsfähig festgesetzt werden dürfen, als dem Berechtigten entstanden sind.“ aus BVerfG, B. v. 03.11.1982 in 1 BvR 710/82, juris.

Dem Erstattungsberechtigten sind in dem von dem KG entschiedenen Fall für die gerichtliche Rechtsverfolgung Anwaltskosten entstanden, die sich nach dem RVG berechnen. Festsetzbar ist nach dem vorstehenden Grundsatz daher allenfalls die Vergütung, die der Anwalt seinem Mandanten für die gerichtliche Rechtsverfolgung nach dem RVG berechtigterweise in Rechnung stellen darf. Dieses ist in dem von dem KG beurteilten Fall jedoch nicht die entstandene sondern lediglich die anrechnungsgeminderte Verfahrensgebühr.

„Ob bereits die Verkennung solcher selbstverständlicher Grundsätze ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gebieten würde, kann angesichts der strengen Voraussetzungen für ein solches Eingreifen zweifelhaft sein. Jedenfalls ist es nicht mehr verständlich, daß eine Korrektur der fehlerhaften Kostenfestsetzung unterblieb, obwohl die erstattungsberechtigte Privatklägerin auch ihrerseits die Berechnung beanstandet hatte.“ ebenfalls aus BVerfG, B. v. 03.11.1982 in 1 BvR 710/82, juris.

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Der 1. Senat des Kammergerichts soll standhaft bleiben, in der Regierung muss man fest sein - Kompromisse sind manchmal möglich, aber nicht immer und nicht um jeden Preis!

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Der heute veröffentliche Beschluss des VIII. Zivilsenats des BGH vom 11.11.2008 in VIII ZB 26/08 stellt zwar keine direkte Anwort auf die Rechtsprechung des 1. Senats des KG zur Anrechnung dar, sie erteilt dieser jedoch unmissverständlich und eindeutig eine klare Absage.

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Der Beschluss des BGH vom 11.11.2008 setzt sich mit den vom 1. Senat des KG zusammengeführten Argumenten nicht auseinander und beschränkt sich auf einen Verweis auf bisherige Entscheidungen. Anlass zum Umdenken dürfte die neue Entscheidung des BGH daher nicht sein.

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Die Entscheidungen des KG vom 31.03.2008 und vom 24.06.2008 in 1 W 111/08 wird man als dem BGH bei seiner Entscheidung vom 11.11.2008 bekannt voraussetzen dürfen; u.U. sogar den Beschluss des KG vom 23.10.2008 in 1 W 375/07. Einer Auseinandersetzung mit den danach wohlbekannten Argumenten des KG bedurfte es bereits deshalb nicht, weil diese in einer Auslegung des Gesetzes gründen, der aus Sicht des BGH der klare Wortlaut der Anrechnungsbestimmung entgegen steht.
(Nicht nur)der 2. Zivilsenat und der 27. Zivilsenat des KG haben sich inzwischen der Rechtsprechung des BGH angeschlossen.
Mit Blick auf die insoweit gefestigte Rechtsprechung des BGH bleibt abzuwarten, wie lange der 1. Zivilsenat des KG an seiner (bezogen auf die aktuelle Rechtsprechung) "Einzel"meinung in dieser Frage festhält.

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Man kann der Meinung des Kammergerichts oder der des BGH folgen, beide sind vertretbar. Was mich an der Sache stört ist folgendes: Früher hat der BGH, wenn ein Gesetz unglücklich formuliert war, versucht herauszubekommen, was der Gesetzgeber wollte. In diesem Fall stellt er sich - absichtlich - stur, bis der Gesetzgeber nunmehr endlich reagiert und den § 15a RVG schafft. Damit hat der BGH sich und der übrigen Justiz eine Menge unnötige Arbeit gemacht, die den Steuerzahler Geld und den Recht suchenden Zeit gekostet hat. 

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