Bundessozialgericht: Erledigungsgebühr bereits bei Vorlage selbst beschaffter Urkunden

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 17.12.2008

Zu den Vergütungstatbeständen, die aus anwaltlicher Sicht am schwersten zu verdienen sind, gehört die Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 bzw. 1005 VV RVG. Dies liegt insbesondere an der umfangreichen, teilweise auch widersprüchlichen Kasuistik in der Rechtsprechung, die diesen Vergütungstatbestand -gelinde gesagt- sehr zurückhaltend anwendet Das BSG hat im Urteil vom 02.10.2008 - B 9-9a SB 5/07R - jedoch zumindest in sozialrechtlichen Angelegenheiten für Klarheit gesorgt und ein griffiges Kriterium benannt, an dem die Entstehung der Erledigungsgebühr festgemacht werden kann. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Ausgangsverfahren war beim Kläger zunächst ein Grad der Behinderung von 40 festgestellt worden. Hiergegen ließ dieser durch seine Bevollmächtigten Widerspruch einlegen, mit dem er die Feststellung eines GdB von 60 begehrte. Die Bevollmächtigten legten ärztliche Unterlagen bei, außerdem veranlassten sie den Kläger, von den behandelnden Ärzten neue Befundberichte einzuholen, die sie ebenfalls vorlegten. Der ärztliche Dienst der Beklagten wertete diese aus und vertrat die Auffassung, dass im beigebrachten Befundbericht ein neues Behinderungsleiden bezeichnet sei, das eine Anhebung des GdB auf 60 rechtfertige. Die Beklagte half daraufhin dem Widerspruch ab und erklärte sich bereit, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen im Vorverfahren zu erstatten, wobei die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig gehalten wurde. In der weiteren Folge erstattete die Beklagte jedoch lediglich die geltend gemachte Geschäftsgebühr, lehnte jedoch die Erstattung einer Erledigungsgebühr ab. Klage und Berufung hiergegen hatten zunächst keinen Erfolg, die Revision vor dem BSG jedoch war begründet. Der BSG hat bei seiner Entscheidung zunächst darauf hingewiesen, dass nach Inkrafttreten des RVG nicht mehr die Auffassung vertreten werden kann, dass eine gebührenrechtlich erhebliche Mitwirkungshandlung eines Bevollmächtigten nur dann vorliegt, wenn sich die Rechtssache durch beiderseitiges Nachgeben erledigt hat. Vielmehr hat das BSG zu Recht sich auf den Standpunkt gestellt, die von der Rechtsprechung geforderte, über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts ist schon in der Vorlage der selbst beschafften Urkunden des Klägers erfüllt worden. Zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehöre es im sozialrechtlichen Verfahren, präsente Beweismittel (unaufgefordert) vorzulegen, zu den Mitwirkungsobliegenheiten im sozialrechtlichen Verfahren gehöre es jedoch nicht, selbst Beweismittel zu schaffen oder erstellen zu lassen. Tue dies der Bevollmächtigte dennoch, stehe ihm eine Erledigungsgebühr zu, wenn diese Mitwirkungshandlung zum Erfolg führe, also ursächlich dafür sei, dass die Behörde dem Begehren des Widerspruchsführers teilweise abhilft. Die Entscheidung des BSG ist überzeugend begründet und trägt auch dem tatsächlich angefallenen anwaltlichen Aufwand hinreichend Rechnung. Meiner Auffassung nach ist diese Rechtsprechung auch auf andere Verfahrensordnungen mit Amtermittlungsgrundsatz, beispielsweise das verwaltungsrechtliche Vorverfahren, zu übertragen.

 

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