BVerfG: Bezeichnung als "Dummschwätzer" nicht zwingend eine Beleidigung

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 02.01.2009
Rechtsgebiete: StrafrechtMaterielles Strafrecht|3675 Aufrufe

Wenn ich es richtig sehe, haben aus dem Bereich des materiellen Strafrechts gerade die Verurteilungen wegen Beleidigung beim BVerfG häufig keinen Bestand, weil die Tatgerichte immer wieder die verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht ausreichend beachten. Worum ging es diesmal (BVerfG Beschluss vom 5.12.2008 - 1 BvR 1318/07)? Der Beschwerdeführer ist Stadtratsmitglied. Während einer Rede zur kommunalen Integrationspolitik erwähnte er, dass er selbst früher in einem bestimmten Stadtteil das Gymnasium besucht habe. Es kam zu einem Zwischenruf, der nach der bestrittenen Darstellung des Beschwerdeführers folgenden Inhalt hatte: "Der war auf einer Schule? - Das kann ich gar nicht glauben!". Der Beschwerdeführer bezeichnete hierauf den Zwischenrufer als "Dummschwätzer". Diese Reaktion brachte den Beschwerdeführer eine Verurteilung wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 60 € ein, die auch vor dem Revisionsgericht Bestand hatte. Das BVerfG hat die Verurteilung wegen Verletzung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit, Art. 5 GG, jedoch aufgehoben. Weder der Bedeutungsgehalt der Äußerung des Beschwerdeführers noch der Kontext tragen die Annahme einer der Abwägung entzogenen Schmähung des Zeugen. Anlass und Zusammenhang seien im Urteil nicht berücksichtigt worden, so dass das BVerfG nicht feststellen konnte, ob es sich bei dem vom Beschwerdeführer verwendeten Begriff um eine "Schmähkritik" handelte, bei der die Diffamierung des Zeugen im Vordergrund stand oder ob die Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens geprägt war. Nur dann, wenn eine solche Äußerung nicht mehr der Auseinandersetzung in der Sache dient, hat sie als Schmähung regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzustehen.

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