BGH bestätigt Freisprüche im "Mordfall Pascal"

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 13.01.2009

Darauf war ich nach der erschütternden Lektüre des Buchs der renommierten SPIEGEL-Gerichtsreporterin  Gisela Friedrichsen gespannt: Mehr als acht Jahre nach dem mysteriösen Verschwinden des kleinen Pascal (Fotostrecke) hat heute der BGH über die Revision der Staatsanwaltschaft gegen die umstrittenen Freisprüche verhandelt. Das Rechtsmittel, mit dem die Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge die Beweiswürdigung des Landgerichts beanstandet hatte, blieb erfolglos (Urteil vom 13. Januar 2009 - 4 StR 301/08; die schriftlichen Urteilsgründe sind auf der Homepage des BGH noch nicht eingestellt, bislang liegt nur die Pressemitteilung vor).

Der Senat verweist wieder einmal darauf, dass die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters ist. Das Revisionsgericht habe es in der Regel hinzunehmen, wenn eine Verurteilung deshalb nicht erfolgt, weil das Tatgericht Zweifel an der Täterschaft des/der Angeklagten nicht zu überwinden vermag. Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliege nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Solche seien in den sorgfältig und eingehend begründeten Ausführungen des LG Saarbrücken nicht festzustellen. Insbesondere habe das LG keine überspannten Anforderungen an die einer Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt. Vielmehr habe es stets im Blick gehabt, dass fünf der in ihrer Persönlichkeitsstruktur auffälligen Angeklagten zeitweise bei Vernehmungen im Ermittlungsverfahren, Explorationen durch Sachverständige und teilweise auch noch in der Hauptverhandlung - jedenfalls zum Teil - geständige, später aber widerrufene Angaben gemacht haben.

Bis heute fehlt von Pascal jede Spur. Seine Eltern starben während des Prozesses.

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3 Kommentare

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Das Revisionsurteil mag man bedauern oder auch nicht. Zu hoffen ist nur, dass die Ermittlungsbehörden den Fall Pascal nach der Entscheidung des BGH nicht ad acta legen. Der Fall ist nicht geklärt! Was ist mit Pascal geschehen?

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Zu befürchten ist allerdings, dass nicht mehr in andere Richtungen ermittelt wird. Denn wenn die Polizei wie die Staatsanwaltschaft glaubt, sie hätten den Fall zutreffend ermittelt und damit die Täter gefunden, besteht ja aus ihrer Sicht kein Anlass zu weiteren Ermittlungen. Aus Sicht der Polizei liegt es in der Verantwortung der Justiz, dass der Fall nicht abgeschlossen werden kann, das sie ja die Indizien und Geständnisse nicht für ausreichend hielt.

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Im aktuellen SPIEGEL Nr. 4 vom 19.1.2009 S. 50 kommentiert Gisela Friedrichsen unter der Überschrift "Wie viel Zweifel ist erlaubt?" die Revisionsentscheidung:

"Sachbeweise gab es nicht, dafür aber Anlass zu Zweifeln im Überfluss. Ausgerechnet dies kritisierte die Karlsruher Bundesanwaltschaft: Die Saarbrücker Richter hätten ´an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen` gestellt. Über solche Ausführungen ließe sich schweigen, wenn sie nicht auf einen Appell hinausgelaufen wären, Richter sollten sich nicht mit kleinlichen Zweifeln den Weg zu einem Schuldspruch verwehren.

Sind Zweifel nur so lange erlaubt, wie sie eine Verurteilung nicht gefährden? Wenn ein Richter von der Schuld eines Angeklagten nicht überzeugt ist, muss er das mit sich selbst ausmachen. Berechtigte Zweifel als rechtsfehlerhaft zu disqualifizieren - einen solchen Angriff auf die richterliche Unabhängigkeit kann die Staatsanwaltschaft am höchsten deutschen Gericht nicht ernsthaft vertreten."

Dem ist nichts hinzufügen.

PS zu Herrn Prof. Dr. H. E. Müller: Der SPIEGEL-Kommentar enthält auch einen Ansatz für weitere Ermittlungen: "Es gab in Burbach zum Beispiel einen als pädophil bekannten Taxifahrer. War das Kind vieleicht bei ihm eingestiegen? Als die Polizei nach dem Mann suchte, war er im Ausland untergetaucht, wo er angeblich seinen Pass verloren hatte. Weitere Ermittlungen entfielen mangels Interesse."

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