Sittenwidrige Praktikantenvergütung

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 14.01.2009

Die Instanzgerichte werden immer öfter mit Klagen von Praktikanten befassen, die sich als billige Arbeitskräfte ausgenutzt fühlen. Die Sachverhalte der Entscheidungen werfen dabei ein Schlaglicht auf die Verhältnisse in manchen Betrieben. Jüngst hatte das ArbG Kiel (19.11.2008 - 4 Ca 1187d/08) über die Vergütungsklage eines "Praktikanten" zu entscheiden, der auf der Grundlage eines "Praktikantenvertrages" für ein knappes Jahr bei einem Altenheimbetreiber als Wohnbereichshelfer eingesetzt war. Der beklagte Altenheimbetreiber stellte dem Kläger für den Fall, dass das Praktikum erfolgreich absolviert werde, einen Ausbildungsplatz zum Altenpflegehelfer in Aussicht. Die Vergütung betrug 200 Euro monatlich bei einer wöchentlichen Anwesenheitspflicht von 38,5 Stunden. Nach dem Auslaufen der Vereinbarung hat der Beklagte dem Kläger nicht den in Aussicht gestellten Ausbildungsplatz angeboten. Der Klage auf Nachzahlung der Vergütung in Höhe von 10.000,- Euro hat das Arbeitsgericht Kiel in vollem Umfang stattgegeben. Das Gericht geht vom Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses aus. Überwiege - entgegen der nicht maßgeblichen Bezeichnung des Vertrages - nicht der Ausbildungszweck, sondern die für den Betrieb erbrachte Arbeitsleistung, sei der Beschäftigte Arbeitnehmer und als solcher zu bezahlen. Da zwischen den Parteien also ein Arbeitsverhältnis bestand, stellte die Vergütungsvereinbarung einen unzulässigen Lohnwucher dar. An die Stelle der sittenwidrigen Vergütungsabrede trete gem. § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung.

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3 Kommentare

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An der Sprache sollt Ihr sie erkennen!

So spricht der Professor bei Streitigkeiten hinsichtlich der Praktikantenvergütung, dass sich die klagenden Praktikanten lediglich "ausgenutzt fühlen".

Echte Ausbeutung? Für einen hohen Herren wie Prof. Dr. Markus Stoffels ist das offenkundig nur eine Problem des Fühlens.

Oder habe ich Herrn Stoffels hier falsch veratanden? Überhaupt: Wo ist die persönliche Meinung (also auch das Blog-typische) in seinem Beitrag? Die Zeitungsmeldung ist allgemein bekannt - wo ist der Mehrwert in diesem Beitrag, und sei es eine subjetive Note?

Das Abtippen von Zeitungsmeldungen jedenfalls wirkt - grundsätzlich gesprochen - auf mich deutlich redundanter als - zum Vergleich - ein Text, wo Herr Stoffels seine eigenen Wertungen und Gedanken zum Thema deutlich macht.

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Sehr geehrter Herr Dean,

Zu ihrer Kritik: Die Beiträge, die hier von den Experten erscheinen sind grundsätzlich neutral geschrieben und sollen nur den Sachverhalt wertungsfrei darstellen. Ich denke, dass die Experten sich zu den Themen nicht persönlich äußern, um die Leserinnen und Leser die Möglichkeit zu eröffnen, sich unbeeinflusst zu den einzelnen Themen Gedanken machen zu können. Würde beispielsweise ein Herr Professor Dr. Stoffels die einzelnen Sachverhalte schon im Vorfeld kommentieren, würden sich möglicherweise viele nicht so juristisch gebildete Kritiker, nicht mehr trauen dem ganzen Ihre eigenen Meinung entgegenzusetzen.

Auf der anderen Seite kann ich Ihre Kritik auch ein wenig verstehen, auch mich würde mal interessieren wie die Experten hier über ihren eigenen veröffentlichten Berichten denken. Sie schreiben, dass für "einen hohen Herren wie Herrn Prof. Dr. Markus Stoffels das offenkundig nur ein Problem des Fühlens ist". Ich kenne Herrn Professor Dr. Stoffels aus Vorlesungen und habe ehrlich gesagt nicht das Gefühl, dass er arrogant ist oder völlig abgehoben von den übrigen Bürgern lebt, so wie dies in Ihrer Äußerung anklingt. Eigentlich ist er eine sehr humorvolle und nette Persönlichkeit.

Zum Urteil:
Das Urteil des Arbeitsgerichts in Kiel hat mich auch sehr gefreut. Endlich wurde der Ausbeutung von Praktikanten Unrecht gesprochen. Sicherlich wird die Rechtsprechung dieses Urteil zur Bewertung ähnlicher Fälle in Zukunft heranziehen. Es ist einfach sittenwidrig einen Menschen nur weil er als Praktikant tätig ist, so viel geringfügiger bei gleicher Arbeitsbelastung zu vergüten wie einen Auszubildenden. Ich persönlich kenne auch einige Arbeitsherrn die junge Leute unentgeltlich über Monate ein Praktikum in ihrem Betrieb absolvieren lassen, um sie für eine angebliche Ausbildungsstelle kennenzulernen. Oft sieht es dann aber leider so aus, dass der Praktikant nach Beendigung seiner unentgeltlichen Arbeitszeit gar nicht die Ausbildungsstelle bekommt. Das Fazit lautet somit, dass der Praktikant neben vergeblichen Bemühungen und verschenkter Arbeitsleistung, auch noch einen immensen Kostenaufwand hatte, wie z. B. Fahrtkosten zur Praktikumsstelle usw. Derartige Fälle halte ich für grundsätzlich sittenwidrig. Es kann einfach nicht sein, dass in unserem Jahrhundert Arbeitgeber sich billige oder unentgeltliche Arbeitskräfte halten. Von daher erachte ich das oben genannte Urteil als einen großen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit.

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Derartiges gibt es leider nicht nur bei Praktikatenten, sondern auch bei Anwälten. Dies dürfen zwar gemäß § 26 Abs. 1 BORA nur zu angemessenen Bedingungen beschäftigt werden. Was genau dies ist, ist streitig. Bekannt ist ein Urteil des LAG Hessen (5 Sa169/99 = NJW 2000 S. 3372 ).Dem Urteil lag der Sachverhalt zugrunde, dass ein junger Rechtsanwalt nach Ablegung des Examens zunächst für DM 610,--, später für DM 1300,-- vier Jahre lang beschäftigt wurde. Zu Grunde gelegt wurde dem Beschäftigungsverhältnis eine 35-Stunden-Woche. Das hessische LAG sprach dem Kläger eine als üblich geschuldete Vergütung in Höhe von DM 87.000 brutto für den Zeitraum vom 01.01.1996 bis zum 30.06.1998 zu. Als Berechnungsgrundlage hatte das Arbeitsgericht die Mitteilung Nr. 5/96 der Bundesrechtsanwaltskammer zu Grunde gelegt. Danach verdient ein angestellter Anwalt in einer Einzelkanzlei in den alten Bundesländern durchschnittlich jährlich DM 78.000 brutto.

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