Lesertipp: "Ernstgemeinte" (?) Verkehrsschilder

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 29.01.2009

Oft ist man über die Schilderanzahl an deutschen Straßen irritiert, manchmal auch über den Standort eines Schildes. Auf eine dritte Kategorie weist Blogleser Corax in einem Kommentar zu Meine Frage an S I E: Welche verkehrsrechtliche Themen sollten es denn noch sein? hin: Es gibt nämlich Schilder, deren Ernsthaftigkeit durchaus bezweifelt werden kann. Schauen Sie mal hier!

Ich darf Corax an dieser Stelle einmal zitieren:

"Mich regt so etwas wirklich auf, auch wenn dies manch einer als Lappalie abtut."

Meine Frage: Wie ist mit derartigen Schildern umzugehen, wenn es tatsächlich zu Verstößen gegen deren Anordnungsgehalt kommt?

 

Ganz wichtig - das darf nicht vergessen werden:

Nochmals danke an dieser Stelle, Corax!

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5 Kommentare

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So lange es im Standard-Katalog ein Schild gibt, das jedes Straßenverkehrsbehörde vorhält und massenhaft einsetzt, das aber keinerlei Regelungsgehalt hat, sind Einzelfälle wie das verlinkte doch irrelevant.

Ich meine "Radfahrer absteigen". Es wird in ausschließlich mit Gefahrenzeichen zusammen eingesetzt, diese dürfen aber keine Regelungen für den fließenden Verkehr vermitteln, auch nicht durch einen Text-Zusatz.

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Im Verkehrsausschuß Altona habe mich ich letztes Jahr mit aller Macht gegen diese Unsinnsschilder gestemmt - leider erfolglos.

Hintergrund ist, daß hier zwei wichtige Fernradwanderwege (europäische Nordseeroute, und Elberadweg) durch einen engen schmalen Gehweg gepresst werden (Schiebestrecke über 900 Meter). Kein Radfahrer hält sich an die Verbote.

Mit der Begründung, die Radfahrer seien rücksichtslos, haben die Anwohner im Jahr 2000 den Bau eines Bypasses über den Elbstrand verhindert. Klasse Begründung!

Daraufhin haben ihnen die Planer der Fernradwege diese auf ihren Gehweg gelegt (mit dem Hintergedanken, die Anwohner würden irgendwann mal zu Kreuze kriechen). Das Bezirksamt hat seitdem x Versuche unternommen, den Radverkehr in den Griff zu bekommen - ohne jeden Erfolg.

Mehr dazu unter:

http://www.nordsee-radweg-hamburg.frank-bokelmann.de/Altona.htm

Es gibt im weiteren Verlauf des Elberadweges noch andere unrühmliche Bilder aus Hamburg:

http://www.elberadweg-hamburg.frank-bokelmann.de/ERW_6_G.jpg

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Verwaltungsrechtlich kennt man folgende Kategorien bei Verkehrszeichen: 1. rechtmäßige Verwaltungsakte, 2. rechtswidrige Verwaltungsakte, 3. nichtige Verwaltungsakte und 4. Nicht-Akte.

Nicht-Akte sind vom Verkehrsteilnehmer nicht zu beachten, weil sie nicht von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde stammen oder von ihr nicht mehr gewollt sind. Da fehlt es an jedem Anordnungsgehalt. Bei diesen hier verlinkten Schildern lohnt das Nachfragen; solche Schilder werden anderenorts nämlich gern von Tiefbauämtern (statt von der Straßenverkehrsbehörde) aufgestellt. Dann gibt es natürlich auch keine OWi.
Nichtige Verwaltungsakte sind ebenfalls für den Verkehrsteilnehmer unbeachtlich. Auch hier gibt es keine OWi. Nichtig ist ein Verwaltungsakt nach Allgemeinem Verwaltungsrecht dann, wenn der Verwaltungsakt an einem schwerwiegenden Fehler leidet und das offenkundig ist. Da hier Verkehrszeichen verwandt wurden, die im amtlichen Verkehrszeichenkatalog nicht enthalten sind, sind diese Verkehrszeichen (mindestens) nichtig. Denn die §§ 39ff StVO und die VwV-StVO sehen nun einmal ganz konkrete Schilderformen vor. Schon eine weiße Trägertafel macht jedes Schild zu einem anderen (ggf: nicht vorgesehenen) Schild. Das VZ 239 wird mit Trägertafel z.B. zum VZ 242. Zusatzzeichen dürfen wiederum nur dem amtlichen Katalog entstammen, und da gibt es keins für "Vernünftige" und Andere. Die VwV-StVO zu den §§ 39 bis 43 sagen Detailliertes. Und die OWi-Rechtsprechung sagt immer wieder ganz klar: Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde, nicht zu Lasten des Verkehrsteilnehmers (etwa: OLG Hamm, VRS 107, 134). Diese Verkehrszeichen weichen so sehr vom amtlichen Muster ab, dass kein Verkehrsteilnehmer sie für amtliche halten muss. Schon relativ kleine Abweichungen führen nach ständiger Rechtsprechung zur Unwirksamkeit (etwa: OLG Stuttgart, NZV 2001, 274; OVG NRW, ZfS 2007, 56). Verstöße gegen den hier immerhin vorhandenen Anordnungsgehalt bleiben folgenlos.
Rechtswidrige Verwaltungsakte sind wirksam. Selbst wenn der Betroffene (schon) gegen das Verkehrszeichen klagt, muss er sich (noch) daran halten. Die Anfechtbarkeit ändert nichts an der etwaigen Bußgeldbewehrung (OLG Düsseldorf, NZV 1999, 217). In diesem Bereich kann es also OWi geben. Der OWi-Richter muss das Verfahren nicht einmal aussetzen, um das verwaltungsprozessuale Ergebnis abzuwarten (BayObLG, NJW 1968, 1848).
Und rechtmäßige Verwaltungsakte sind natürlich auch wirksam und gegebenenfalls bußgeldbewehrt.

Zu Nicht-Akten und nichtigen Verwaltungsakten und rechtswidrigen Verkehrszeichen und ihren jeweiligen Folgen im Verwaltungsrecht und im OWi-Recht (nicht nur für Radfahrer) finden Sie mehr in meiner zweiten Auflage "Recht für Radfahrer" (Rhombos, Berlin 2008).

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Danke für die Kommentare. Vor allem der echte Hintergrund der Schilder von DrFB ist naürlich erhellend.
Herrn Dr. Kettler danke ich natürlich nicht weniger für die rechtlichen Darstellungen, denen ich nun wirklich nichts mehr hinzufügen könnte :-))) - wenn Sie wollen, stelle ich gerne auch mal im Blog Ihr Buch vor.

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Dazu noch ein paar Bemerkungen:

1. Der Antragsteller hat die Idee (und Fotos) von Westerland/Sylt mitgebracht, wo solche Schilder seit Jahren stehen. Ich habe sie dort auch vor Jahren schon gesehen und so bei mir gedacht, was diese Gemeinde wohl Geld schwimmt (solche Unikate gibt es nicht den Normalpreis).

2. Die auf einem Foto im Link noch erkennbare Rückseite des Schilds ist durch geschicktes Drehen des Schildes inzwischen unsichtbar. Offenbar hat es innerhalb weniger Tage massive Beschwerden gegeben. Für die eine Richtung wird die Durchfahrt durch das große Schild auf der einen Seite des Weges und ein Zeichen 239 auf der anderen Seite verboten. Das Zeichen 239 dürfte wohl gelten. Für Radfahrer in Gegenrichtung steht nun überhaupt kein Schild mehr, sondern ein durchgestrichenes Fahrrad soll das Verbot ausdrücken (vorletzter Versuch). Dazu kommt noch Blechschild mit einem Hinweis auf die Schiebestrecke (vorvorletzter Versuch).

3. Kein einziger Radfahrer beachtet die Schilder. Es ist ja auch nicht nachvollziehbar, den Radverkehr durch Beschilderung in den Engpaß einzuleiten und dort das Radfahren zu verbieten. Das kann einfach nicht funktionieren(vgl. Dietmar Kettler: "Sind Radfahrer bessere Menschen?", NZV, Heft 1/2009, Seite 16). Ganz nebenbei bemerkt blockieren gerade schiebende Radfahrer abschnittsweise den gesamten Weg.

4. Das Bezirksamt hat in Hamburg nicht die geringste Anordnungsbefugnis für Verkehrszeichen. Betrachtet man Ergebnisse bisheriger Aktionen, ist das auch besser so. Sollte sich daran etwas ändern (und das ist so gewollt), sollen u.a. in Tempo 30-Zonen die Z 274.1 regelmäßig wiederholt werden. So ist das, wenn man Hobby-Politiker Inspektorenarbeiten machen läßt.

5. Wegerechtlich ist der Abschnitt im Rahmen des Gemeingebrauchs nur dem Fußgängerverkehr geöffnet. Eine sinnvolle Beschilderung mit Z 239 ist daher erforderlich.

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