Wer Völkerstraftaten ungesühnt lässt, erleichtert neue - Morgen beginnt vor dem Khmer-Rouge-Tribunal in Kambodscha die Hauptverhandlung gegen den ersten Angeklagten

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 16.02.2009

Das Khmer-Rouge-Tribunal in Phom Penh befasst sich nur mit Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen während der Herrschaft der Roten Khmer in Kambodscha in der Zeit von 1975 bis 1979, nicht mit solchen im darauf folgenden Bürgerkrieg von 1975 bis 1998. Das Tribunal geht auf ein Ersuchen der kambodschanischen Regierung an die UN von 1997 zurück. Nach jahrelangem Hickhack um die Besetzung sind nun alle Gremien paritätisch mit kambodschanischen und ausländischen Staatsanwälten, Ermittlungsrichter, Richtern und Verteidigern besetzt. Wesentliche Entscheidungen müssen grundsätzlich einvernehmlich erfolgen, bei richterlichen Entscheidungen ist eine qualifizierte Mehrheit erforderlich.

Ein Novum ist die Beteiligung von Opfern an dem Verfahren in der "Victims Unit", die auch von der Bundesrepublik mit Informationskampagnen, juristischer Beratung und Vertretung von Opfern  unterstützt wird.

Verhandelt wird zunächst gegen den 66 Jahre alten "Duch" (gesprochen "Doik"), dem berüchtigen Chef-Folterer. Er leitete das Vernichtungslager S-21. von den 14.000 Gefangene überlebten nur sieben.

Vier weitere führende Vertreter des Regimes sind bereits angeklagt.

In den vier Jahren, deren Unrecht das Tribunal in einem kleinen Teil abarbeiten soll, kam es zu unsäglichen Grausamkeiten, dem 1,7 Millionen Kambodschanern zum Opfer fielen, mehr als 1/5 der Bevölkerung. Bei dem Versuch, den kommunistischen neuen Menschen zu schaffen, wurde die städtische Elite ausgerottet. Von den Juristen waren nicht einmal zehn übrig.

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2 Kommentare

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Über die Bedeutung des Prozessbeginns zumal für die Opfer, aber auch für die weitere Entwicklung des Völkerstrafrechts, haben die Medien erfreulich breit errichtet. Nach dem blutigsten Jahrhundert der Menschheitsgeschichte gilt es, die Kultur der Straflosigkeit zu durchbrechen!

So weit, so gut. Jedoch sollte nicht aus dem Blick geraten, dass seit längerem Vorwürfe kursieren, dass die - dank der UN - gut bezahlten Posten im Tribunal an Kambodschaner "verkauft" würden und zugleich die Regierung im Verdacht steht, die "Außerordentlichen Kammern in den Gerichtsstrukturen Kambodschas" (so der gefundene offizielle Namenskompromiss für dieses Tribunal) politisch zu unterminieren (Quelle: Jochen Buchsteiner FAZ vom 18.2.2009 Nr. 41 S. 2).

Rechtlich ist in diesem Zusammenhang auch noch bemerkenswert, dass die Versuche der Staatsanwaltschaft, eine mittäterschaftliche Haftung einzuführen, um den Kreis der Angeklagten zu erweitern, bei den kambodschanischen Richtern, die gegenüber den UN-Kollegen in Mehrheit bilden, auf Ablehnung stößt. Dahinter wird wiederum der Einfluss der Regierung vermutet, die allerdings empört dementiert (Quelle: wie oben).

Wer die Arbeit der Tribunale verfolgt, sollte bei der Beurteilung nicht übersehen, dass diese entlang der Scheidelinie zwischen nationaler Souveränität und internationaler Verantwortung in einer Grauzone zwischen Recht und Politik erfolgt (so die treffende Formulierung von Carla Del Ponte [mit Chuck Sudetic] in ihrem vor wenigen Tagen erschienenen Buch "Im Namen der Anklage. Meine Jagd auf Kriegsverbrecher und die Suche nach Gerechtigkeit" S. 19; über dieses Buch berichte ich, sobald ich es zu Ende gelesen habe).

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