Der Schilderwald wird gelichtet...ist das alles?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 09.03.2009Offenbar ist es auch in der Politik angekommen, dass in Deutschland ein paar Schilder zu viel aufgestellt sein könnten. Der Bundesrat hat sich nun des Problems in einer ganz eigenen Art und durchaus kreativ angenommen: Es sollen nicht  nicht weniger Verbote werden, sondern einfach nur "anders gestaltete Verbote". Was soll man nun davon halten? Aus der entsprechenden Beck-Aktuell-Meldung:
"...Anstelle von Verbotsschildern sollen versuchsweise gelbe Fahrbahn- und Bordsteinmarkierungen anzeigen, wo das Halten oder Parken für Fahrzeuge verboten ist. Ob solche Markierungen praxistauglich sind, soll nach einem Bundesratsbeschluss ein fünfjähriger Modellversuch in Hamburg zeigen. Nun muss die Bundesregierung über den Verordnungsentwurf (BR-Drs.: 113/09) entscheiden...."

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Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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12 Kommentare

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Ich halte davon sehr viel. In Amerika wird das auch so praktiziert und ich finde es nicht schlecht. Dort fallen einem die Vorsichtschilder auch wieder viel mehr auf, weil sie nicht zwischen so vielen anderen Schildern stehen und dann ist man an der Stelle tatsächlich aufmerksamer (ich jedenfalls).

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Man darf aber nicht zuviel erwarten: Zwar werden die Parkverbotsschilder dann entfernt, aber in den meisten Kerngebieten existieren viele zusätzliche Bestimmungen, etwa zur Parkraumbewirtschaftung oder zeitlicher Art und natürlich auch, wie das Parken konkret zu geschehen hat (2 Räder auf der Straße, 4 Räder auf dem Bürgersteig, usw.). Das kann nicht alles durch große Linien auf der Straße geregelt werden. Außerdem muss man noch daran denken, dass die Straße evtl. besser gereinigt werden muss bei Laub, Dreck oder Schnee, damit die Linien besser zu sehen sind.

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Stimmt, ich hab in damals in der Wüste gelebt, da gab es diese Probleme mit dem Laub nicht. Aber für einiges sollte man sich doch vielleicht auch auf den gesunden Menschenverstand der Autofahrer verlassen. Das funktioniert ja auch bei diesen Modellversuchen mit den schilderlosen Städten.

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Daß ausgerechnet Hamburg mit diesem Vorschlag kommt, ist absolut abenteuerlich.

Hier hat man vor rund vier Jahren in Ottensen Linien und Piktogramme verwendet, um auf unbeachtete Schilder, die eigentlich Ladezonen freihalten sollten, hinzuweisen. Der Effekt war kaum meßbar. Inzwischen sind diese Linien ohnehin nahezu abgängig, weil sie beim Einparken oft überfahren werden und auf den Granit-Kantsteinen halt auch kaum halten. Diese Erfahrung müßte Hamburg zeigen, daß die Linien praktisch nichts bringen werden. Ohnehin halten sich Hamburg Autofahrer an Luthers Rede vor dem Wormer Reichstag, wenn sie das Auto los werden wollen: "Hier steh ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir! Amen!". Hatte heute mal wieder das Vergnügen, 50 Meter auf der Fahrbahn zu gehen, weil Lkw auf dem einzigen Bürgersteig bis zum Gartenzaun parkten.

Ferner bin ich mal gespannt, wie man die hier so beliebten Zeichen 315 ersetzt, die es den Autofahrern erlauben, ihre Gefährte auf z.T. benutzungsplichtigen Radwegen abzustellen.

Aber immerhin könnte der ADAC dann die beliebten Teleobjektiv-Bilder, auf denen es so aussieht, als seien 100 Schilder auf 100 Meter Strecke gestellt worden, in Hamburg nicht mehr überall machen. Sogar meine Lieblingsstrecke, wo vor und hinter jeder Einmündung bis zu 6 Zeichen einschließlich der Zusatzzeichen hängen, würde man vermutlich sanieren können.

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Herr Krumm, Herr Zosel,

er war aber da, trotzdem Danke für die Bemühung. :)
So etwas kann ja vorkommen.

Ich schrieb, dass ich das mit den Markierungen nicht schlecht finde, klappt ja woanders auch. Ich könnte mich auch noch mit roten Markierungen anfreunden um Beispielsweise Bereiche für die Drehleiter freizuhalten, wobei rot zwingend ein Abschleppen zur Folge haben sollte.
In etwa so ähnlich wie eines meiner Liebligsschilder welches glaub ich der New Yorker Bürgermeister Koch eingeführt hat.
DON'T EVEN THINK OF PARKING HERE

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Auf die Frage, was man davon halten soll, kann man wohl nur differenziert antworten.

Im Ausland funktionieren solche Linien sehr gut. Es ist kein Grund ersichtlich, warum das hier nicht auch funktionieren soll (nach einer gewissen Eingewöhnungsphase). Laub und Schnee und sonstige Wahrnehmungshindernisse sind typisch deutsche Bedenken. Und "hässlich" sind auch die millionen Blechschilder. Solche Markierungen müssen auch nicht nach kurzer Zeit wegen Überfahrens "abgängig" sein: Sie werden nicht überfahren, weil sie auf dem Bordstein angebracht das Halten/Parken am Fahrbahnrand verbieten; Gehwegparken ist da nicht vorgesehen. Allerdings gilt: Wenn keine Politessen losgeschickt werden, ist eine solche Markierung genauso nutzlos, wie ein Schilderwald. Ohne Entdeckungsrisiko und bei geringer Sanktionshöhe ist jede Regel für die Katz.

Die Linien können auch nur wenige Schildersorten ersetzen. Einfache und doppelte Haltelinie am Bordstein kann Park- und Halteverbot ersetzen, aber nicht die hundert anderen Verbote, die wir täglich sehen. Jeder Blogleser mag aber mal mit offenen Augen durch seine Stadt gehen und zählen/abschätzen, wieviel Prozent der aufgehängten Schilder ein Park- oder Halteverbot sind. In vielen Städten machen diese Verbote einen sehr hohen Anteil am gesamten Schilderwald aus. Genau dieses Problemfeld anzugehen, ist also ziemlich effektiv.
Ergänzen könnte man allerdings, dass die heutigen Park- und Halteverbote oft schon völlig unnötig sind, weil sich aus § 12 StVO schon unmittelbar das Gewollte ergibt. Genau genommen sind alle diese Schilder also sogar wegen § 45 IX StVO rechtswidrig. Wenn man die Schilder also heute schon ersatzlos wegnehmen könnte/müsste, stellt sich die Frage, wieso man sie durch Linien auf dem Bordstein ersetzen sollte?

Dann bleibt da die Frage nach den Zusatzzeichen. In einer deutschen Stadt wird ja nicht etwa das Halten oder Parken einem Verbot unterworfen, sondern das Halten Mo-Fr 8:00-10:00 und 15:00-17:30 außer feiertags und das Parken an der gleichen Stelle Sa+So von 9:00-13:00 und beides (wegen der Müllabfuhr) auch noch additiv Di von 7:30-8:45. Dergleichen lässt sich natürlich mit einer Linie nicht kommunizieren. Man wird also entweder auf die Ausnahmen verzichten müssen (was bei den sämtlich fußkranken Nachbarn, die allesamt erwarten, dass ihnen ihre Stadt kostenlose Stellfläche in unmittelbarer Nähe der Wohnung / Arbeitsstelle zur Verfügung stellt, nicht durchsetzbar sein wird), oder aber dann doch weiterhin Schilder aufstellen müssen. Ich fürchte, die Linien scheitern in Deutschland vor allem an diesem deutschen Wunsch nach höchst präziser "Einzelfallgerechtigkeit". Wenn man die Sache etwas gelassener betrachtete, könnten die Linien auf dem Bordstein den größten Teil unseres Schilderwaldes ersetzen. Dann ist aber eben das Halten bzw. Parken am Fahrbahnrand 7 Tage die Woche 24 Stunden verboten und das Gehwegparken nicht erlaubt.

Dann könnte man auch noch manche Vorfahrtregelung durch Linien ersetzen. Die im Ausland bekannten "Haifischzähne" funktionieren sehr gut.

Mir fallen noch mehr Regelungen ein, die statt durch Blechschild durch bloße Bodenmarkierung angezeigt werden könnte. Man könnte also mit Markierungen noch wesentlich mehr Schilder ersetzen, als dieser Versuch zeigen wird.

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Herr Dr. Kettler trifft den Kern des Problems. Das Problem ist nicht ein Übermaß an Verboten sondern ein Übermaß an Ausnahmen. Jede noch so kleine Möglichkeit doch noch irgendwann irgendwo das Parken zu erlauben wird genutzt. Statt generell Tempo 30 wird vor jeder Schule ein entsprechendes Schild aufgestellt - zeitlich dann wieder auf die Schulzeiten begrenzt.
Daneben werden viele implizite Parkverbote z.B. auf Bürgersteigen, vor Kreuzungen etc. nicht durchgesetzt. Statt diese konsequent zu ahnden werden zusätzliche Schilder aufgestellt. Auch an anderen Stellen werden nicht beachtete Schilder durch größere Exemplare sowie häufigere Wiederholungen ersetzt. Ich denke dieser Trend führt nicht zum gewünschten Ziel sondern einer weiteren Abstumpfung der Autofahrer gegenüber dem Schilderwald.
Markierungen statt Schilder gibt es auch in anderen Bereichen der StVO. Bei schneebedecktem Bürgersteig wird sich allerdings kein Autofahrer verpflichten lassen, erst einmal den Schnee zu entfernen um zusehen ob er parken darf. Daneben gibt es ein Problem bei den schmalen Hamburger Radwegen - wenn der Doppelstreifen des Parkverbotes sich mit dem Radweg überschneidet, entsteht ein Markierungschaos, bei dem nicht mehr klar ist, welche Linie Radwegbegrenzung ist und welche das Parkverbot kennzeichnet. Dies kann allerdings auch eine Chance sein, die Hamburger Radwege sicherer zu gestalten, in dem die Mindestmaße eingehalten werden.

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Dr. Kettler beschreibt Möglichkeiten und Begrenzungen der amtlichen Plastermalerei recht gut. Insbesondere sind die in Hamburg üblichen zeitlichen Begrenzungen von Halte- und Parkverboten bzw. die Verweisungen auf den Bügersteig durch Zeichen 315 mit Linien überhaupt nicht zu machen. Das werden die Hamburger Beamten dann noch lernen, wenn ihnen die ersten Linien um die Ohren gehauen werden bzw. wenn sie schon überhaupt keinen geeigneten Ort für den beabsichtigten Versuch finden.

Ganz besonders lustig ist es natürlich, daß die hiesigen Straßenverkehrsbehörden auch mal zeitlich ein begrenztes Park- oder Halteverbot für einen Straßenabschnitt beschildern, in dem das Halten gem. § 12 Abs. 1 Nr. 6 Buchstabe d) StVO durch Richtungspfeile auf der Fahrbahn (Zeichen 297) ohnehin und zeitlich unbegrenzt verboten ist.

Vermutlich werden wir also Schilder und Linien zusammen erleben - nur halt keine Ordnungshüter, die das auch knallhart durchziehen. Und das hat in Hamburg seit jeher System. Anstatt den Ordnungswidrigkeiten Einhalt zu gebieten, wird über Personalmangel und die schlechte Moral der Bevölkerung geweint, bis es auch der letzte Falschparker als Aufforderung zu Weitermachen versteht. So ist unter anderem schon die Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 09.09.1980 - Hamburgische Bürgerschaft Drucksache 09/2549, Punkt 6

http://www.frank-bokelmann.de/Hamburg_Drucksache_09-2549.pdf

zu verstehen, in der die ausbleibende Langzeitwirksamkeit von "Schwerpunkteinsätzen" gegen Radwegparker beklagt wird, ohne verschärtes Vorgehen anzukündigen. Zu der Zahnlosigkeit der hiesigen Polizei trägt natürlich auch bei, wenn im Lokal-TV ein Falschparker und ein "Angestellter im Außendienst" gezeigt werden, die sich längst persönlich kennen, weil sie einander im Schnitt dreimal die Woche in einem Straßenabschnitt begegnen, in dem das Falschparken auf der schlamen Fahrbahn eine besonders dreiste Rücksichtslosigkeit darstellt und zu Megastaus auch im HVV-Linienverkehr führt. In jeder anderen deutschen Stadt wäre der Halter des Fahrzeugs bei dieser Häufung von Ordnungswidrigkeiten wegen fehlender charakterlicher Eignung den Lappen längst los. Nicht so in Hamburg. Da gibt es dann - ein weiteres Mal - das Ticket mit Handschlag und warmen Worten vor der laufenden Kamera!

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