Kölner Stadtarchiv - Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung und Baugefährdung

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 09.03.2009

Nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs weckt ein Gutachten Zweifel, ob beim Bau der Nord-Süd-Stadtbahn sorgfältig genug gearbeitet wurde ( SPIEGEL vom 9.3.2009 Nr. 11  S. 35).

Zu welchem Ergebnis die staatsanwaltlichen Ermittlungen führen, weiß ich nicht. Aber mit dem SPIEGEL lag heute auch die aktuelle Ausgabe der NStZ im Briefkasten, in der das Urteil des BGH vom 13.11.2008 - 4 StR 252/08 - abgedruckt ist (NStZ 2009, 146), das die Verkehrssicherungspflichten bei arbeitsteiliger Erledigung der Bauleistungen durch verschiedene Gewerke darlegt, wenn es zu einem Gebäudeeinsturz mit tödlichen Folgen kommt:

  • Wer Gefahrenquellen schafft oder unterhält, hat die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um andere vor Schäden zu schützen.
  • Bei Bauvorhaben ist neben dem Hauptunternehmer auch der Subunternehmer für die in seinem Bereich liegenden Gefahrenquellen verantwortlich.
  • Die Verkehrssicherungspflichtigen sind gehalten, sich gegenseitig abzustimmen und zu unterrichten; der für die Gefahrenquelle Verantwortliche muss sich im Rahmen des Zumutbaren informieren, ob der Sicherungspflichtige seinen Aufgaben nachgekommen ist.
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9 Kommentare

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Bei Bauvorhaben ist neben dem Hauptunternehmer auch der Subunternehmer für die in seinem Bereich liegenden Gefahrenquellen verantwortlich.

Ist das so zu verstehen, dass man sich immer an einen von Beiden halten kann, oder können sich beide gegenseitig die Schuld zuweisen, so dass die Prozesse wieder zig Jahre benötigen um den „Richtigen“ zu finden?

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Die Frage der Abgrenzung zwischen Haupt- und Subunternehmer stellt sich doch im Kölner Fall erst, wenn wirklich feststeht, dass hier eine Fahrlässigkeit vorliegt. Dazu müsste ja auch gegen die Regeln der Bautechnik verstoßen worden sein.

Was aber hier geschehen ist, ist leider völlig unklar. Die Ursachenforschung wird wohl noch länger dauern und selbst wenn wirklich der U-Bahn-Bau Ursache war, heißt das noch lange nicht, dass hier eine Pflichtwidrigkeit vorliegt. Denn gerade das unterirdische Bauen ist unberechenbar. Es gab ja auch Untersuchungen im Vorfeld und wenn die keine Hohlräume oder andere Auffälligkeit aufgedeckt haben, wie soll irgendjemand das verhindern hätte können.

Am Montag lief zum Thema Bausicherheit im Deutschland und auch mit Bezugnahme auf den Kölner Fall auch eine Kontrovers-Sendung im Deutschlandfunk ( http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2009/03/09/dlf_20090309_1010_f... ), wo dies dann noch mal mit dem prägenden Spruch "vor der Hacke ist es nunmal schwarz" beschrieben wurde.

Übrigens hier das zitierte Urteil im Volltext: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Ger...

Die Pressemitteilung: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Ger...

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@ corax und jolle

Die eingangs zitierte Entscheidung des 4. Strafsenats betrifft allein die strafrechtliche Haftung wegen fahrlässiger Tötung - für die rechtlichen Fragen im vorliegenden Zusammenhang dient die Entscheidung gleichsam wie eine Blaupause. Zunächst einmal gilt es Ursachenforschung zu betreiben, worauf Herr Pflichtfeld zutreffend hingewiesen hat.

Die zivilrechtlichen Fragen bei solchen Baumaßnahmen sind regelmäßig schwieriger. Natürlich stehen auch Amtshaftungsansprüche im Raum.

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Herr corax,
dass sowohl Haupt- als auch Subunternehmer verantwortlich sein können, ist eine Konsequenz daraus, dass bei Fahrlässigkeitsdelikten jeder für seine eigene Fahrlässigkeit haftet und sich eben nicht darauf berufen kann, der andere sei ebenfalls verantwortlich. Es können also beide wegen Fahrlässigkeit bestraft werden. Wenn allerdings wie in dem zitierten Urteil, die eine Seite eindeutig die Hauptverantwortung trägt, kann es auch zu einem Freispruch der nachrangig Verantwortlichen kommen. Strafrechtlich kann man sich natürlich immer nur an denjenigen (ggf. eben beide oder keinen) halten, der/die fahrlässig gehandelt hat/haben. Die Beweisprobleme bleiben erstmal bestehen.

Herr/Frau jolle,
Amtshaftung ist kein strafrechtlicher Begriff. Er bezeichnet die zivilrechtliche Haftung (also Schadenersatz an die Betroffenen) bei hoheitlicher Tätigkeit. Auch hierfür ist Fahrlässigkeit Voraussetzung. Darüberhinaus könnte aber der Bauträger zivilrechtlich auch aus Betriebsgefahr haften (also auch ohne Fahrlässigkeit).

Herr/Frau Pflichtfeld,
wenn das unterirdische Bauen völlig unberechenbar ist, wie Sie sagen, stellt sich natürlich erst Recht die Frage, ob es verantwortet werden konnte, in diesem historischen Grund und unter einer so engen Straße eine U-Bahn zu bauen. Mit der "Unberechenbarkeit" wird man sich jedenfalls nicht komplett herausreden können. Ggf. kann dann die Fahrlässigkeit weiter oben angesiedelt werden, nämlich bei denen, die den Bau trotz Unberechenberkeit angeordnet haben. Haben allerdings Bauplaner und Statiker behauptet, dies sei "kein Problem", dann sind diese möglicherweise verantwortlich dafür, dass es dann doch ein Problem gewesen ist. Ist es nur bei Beachtung bestimmter Sicherungen verantwortbar und wurden diese nicht eingehalten, dann kann auch dort eine Verantwortlichkeit ausgemacht werden.
Natürlich soll niemand verurteilt werden, wenn dieses Unglück völlig unvorhersehbar war. Aber es ist überhaupt (noch) kein Grund gegeben, für die Ermittlungen schwarz zu sehen.

Was mich erschreckt hat, ist, dass die Stadt Köln und die KVB, noch bevor die Toten geborgen sind oder die Ursache ermittelt wurde, sich darauf festlegen, die U-Bahn weiterzubauen. Dazu gehört schon eine ziemliche Portion Frechheit und Pietätslosigkeit.

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Das unten verlinkte Video des Kölner Stadt Anzeigers zeigt eindrucksvoll und plausibel, wie es gewesen sein könnte: Ein Grundwasserbruch unter der seitlichen Baugrubenwand. Dem enstprechen auch dei aussagen der Bauarbeiter, die im Übrigen unter eigener Lebensgefahr viele Menschen gerettet haben (u.a. einen sich nähernden Schulbus). Wie der Wissenschaftler im Video erläutert, werden solche Gefahren durchaus bei der Planung einberechnet und sind grundsätzlich vorhersehbar. Ob konkret Fehler gemacht wurden (und wenn ja von wem), kann er natürlich nicht sagen.
http://ocs.zgk.de/mdsocs/mod_movies_archiv/movie/grundeinbruch/ocs_ausga...

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Ganz unberechenbar war jedenfalls der vermutete Grundeinbruch (siehe das in #7 verlinkte Video ) nicht, denn laut dem unten verlinkten Bericht der Süddeutschen von heute hatten Aachener Wissenschaftler genau vor dieser Gefahr gewarnt und dringend (unter Hinweis auf die Lebensgefahr)  eine vier Meter tiefere seitliche Baugrubenwand empfohlen. Nun wird man wohl herausfinden müssen, wer diese Warnung ignoriert hat:

http://www.sueddeutsche.de/256387/318/2804573/Der-Einsturz-aller-Gewissh...

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