Untersuchung im Intimbereich bei Untersuchungsgefangenen nur bei konkreten Verdachtsmomenten verfassungsgemäß

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 13.03.2009

Der Fall: Ein Steuerberater kommt wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und der Untreue zum Nachteil des berufsständischen Versorgungswerks für Rechtsanwälte in Untersuchungshaft. Bei der Aufnahme in die Untersuchungshaft muss er sich durch Justizvollzugsbeamte im Intimbereich untersuchen lassen (Anusinspektion). Widerspruch und Antrag auf gerichtliche Entscheidung bleiben erfolglos: Die allgemeine Anordnung, neu aufzunehmende Untersuchungsgefangene entsprechend zu untersuchen, sei zur Wahrung der Ordnung der Vollzugsanstalt, § 119 Abs 3 StPO, erforderlich, um zu verhindern, das Betäubungsmittel, Geld oder andere verbotene Gegenstände am oder im Körper versteckt eingeschmuggelt werden.

Das BVerfG stellt im Beschluss vom 4.2.2009 - 2 BvR 455/08 - eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts, Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG, fest.

Die Begründung: Zwar bilde das Einbringen von Drogen und anderen verbotenen Gegenständen in Justizvollzugsanstalten eine schwer wiegende Gefahr für die Ordnung der jeweiligen Anstalt. Auch lassen sich Eingriffe, die den Intimbereich und das Schamgefühl des Inhaftierten berühren, in Haftvollzug nicht prinzipiell vermeiden. Jedoch hat der Gefangene insoweit Anspruch auf besondere Rücksichtnahme. Für Eingriffe während der Untersuchungshaft, die auf der Grundlage bloßen Verdachts verhängt wird, gilt dies in besonderem Maße. Das Oberlandesgericht hätte die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Umstände des konkreten Falles würdigen müssen und die fragliche Maßnahme nicht bei Antritt der Untersuchungshaft generell und unabhängig von den Umständen des Einzelfalles für zulässig halten dürfen. 

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