Keine Anrechnung auf die Verfahrensgebühr bei Vergütungsvereinbarung für die vorgerichtliche Tätigkeit

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 20.03.2009

Das OLG Frankfurt hatte im Beschluss vom 16.02.2009 - 18 W 355/08 - die Frage zu entscheiden, ob im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren die Verfahrensgebühr mit einem Satz von 1,3 festzusetzen ist oder lediglich mit dem Satz von 0,65, wenn für vorgerichtliche Tätigkeit eine Vergütungsvereinbarung abgeschlossen worden war, die die gesetzliche Gebührenregelung verdrängte. Mit der zutreffenden Begründung, dass eine gemäß Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG eintretende hälftige Verminderung der Verfahrensgebühr nur dann eintritt, wenn wegen des verfahrensgegenständlichen Streites eine Geschäftsgebühr nach den Nrn. 2300 - 2303 VV RVG entstanden ist, hat das OLG Frankfurt eine Anrechnung einer fiktiven hälftigen Geschäftsgebühr verneint und die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG in voller Höhe im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt. Habe eine Partei mit ihrem Bevollmächtigten für dessen vorgerichtliche Tätigkeit eine die gesetzliche Gebührenregelung verdrängende Vergütungsvereinbarung getroffen, sei keine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG entstanden, so dass im Rahmen der Kostenfestsetzung eine Geschäftsgebühr nicht gemäß Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG auf die angefallene Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG anzurechnen sei. Offen ließ das OLG Frankfurt, wie dieser Sachverhalt zu beurteilen wäre, wenn ein rechtsmissbräuchliches Handeln vorgelegen hätte, wenn also die Vergütungsvereinbarung gerade zu dem Zweck abgeschlossen worden wäre, eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr zu vermeiden.

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Kostenbewußtes Verhalten i.S.v. § 91 ZPO beschränkt sich nicht zwingend auf das gerichtliche Verfahren sondern beginnt nach meiner Auffassung bereits bei der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung.

Der BGH ist bereits mit der Frage befasst:

03.03.2009
VIII ZB 17/09 RVG VV Vorbemerkung 3 Abs 4; RVG VV Nr 2300; RVG VV Nr 3100 Zur Frage, ob die teilweise Anrechnung einer ggfs. fiktiven vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr auch dann zu erfolgen hat, wenn die anwaltliche vorgerichtliche Tätigkeit nicht nach Maßgabe der gesetzlichen Gebühren, sondern im Wege eines Pauschalhonorars (Hausanwälte) vergütet wurde.

U. a. das OLG Suttgart ist in seinem Beschluss vom 3.9.2008 in  8 W 348/08 gegenteiliger Auffassung und auch Herr Enders sieht die Frage der Bewertung einer Vergütungsvereinbarung in der JurBüro-Ausgabe vom Februar mittlerweile differenzierter.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in diesem Punkt weiterentwickelt. Entscheidend wird aus meiner Sicht sein, wie sich das Verständnis von § 91 ZPO weiterbildet. Herr Hansens beispielsweise will die Beurteilung der Notwendigkeit der Kosten der Rechtsverfolgung im Falle eines Anwaltswechsels grds. auf die Betrachtung des gerichtlichen Verfahrens beschränken. Schließt der Mandant mit dem Anwalt abweichend von der gesetzlichen Vergütung eine Vergütungsvereinbarung ab, so verhält er sich im Einzelfall nicht kosten-bewußt. Fraglich ist, ob man ihm dies vorhalten kann. Spätestens wenn er die vorgerichtlichen Kosten von dem Gegner einfordert, wird er sich auf die anwaltliche Regelgesamtvergütung für die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung beschränken lassen müssen.

Wird geltend gemacht, dass eine vorgerichtliche Vergütungsvereinbarung besteht, dann wird man sich wohl auch mit entsprechenden Nachweise und § 4 RVG befassen müssen.

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Der 8. Zivilsenat des OLG Stuttgart hat sich mit Beschluss vom 21.04.2009 in 8 WF 32/09 der Rechtsprechung des OLG Frankfurt angeschlossen.

Der Leitsatz des Beschlusses lautet:

Die Anrechnungsvorschrift gem. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV ist nicht anzuwenden, wenn zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber für eine vorgerichtliche Tätigkeit wegen desselben Gegenstands wie im nachfolgenden Rechtsstreit eine Gebührenvereinbarung getroffen wurde. (Aufgabe von OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. September 2008, Az. 8 W 348/08; Anschluss an OLG Frankfurt AnwBl 2009, 310)

Aus den Gründen:

Die Anrechnungsbestimmung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV/RVG erfasst nach ihrem Wortlaut nur den Anfall einer Geschäftsgebühr gemäß der gesetzlichen Regelung in Nr. 2300 VV/RVG und ist damit auf eine vorgerichtliche Tätigkeit mit Vereinbarung eines Pauschalhonorars nicht anwendbar, nachdem diese Möglichkeit in § 4 RVG von Anfang an vorgesehen war (OLG Frankfurt AnwBl. 09, 310; Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 17. Aufl., RN 33 zu § 4 RVG: jedenfalls für den Fall, dass die vereinbarte Vergütung niedriger ist als die gesetzliche; Rick in Schneider/Wolf, RVG, 4. Aufl., RN 12 zu § 4 RVG).

 

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Das beim BGH anhängig gewesene Verfahren VIII ZB 17/09 wurde mit Beschluss vom 18.08.2009 entschieden.

Liegt für die vorgerichtliche Vertretung eine wirksame Vergütungsvereinbarung vor und wurde diese nicht allein zu dem Zweck vereinbart, eine Anrechnung nach Vorbemerkung 3 abs. 4 VV RVG rechtsmissbräuchlich zu umgehen, ist die entstandene Verfahrensgebühr ungekürzt festzusetzen.

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