Bundesrat fordert nachprüfbares Geständnis als Voraussetzung für Urteilsabsprache

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 21.03.2009

Auch bei Urteilsabsprachen muss Voraussetzung sein, dass der Angeklagte „ein der Nachprüfung zugängliches und nach Überzeugung des Gerichts der Wahrheit entsprechendes Geständnis" ablegt. Dafür plädiert der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung  zur Verständigung im Strafverfahren (BT-Drs 16/12310).

Reines Formalgeständnis soll nicht reichen

Die Länderkammer ist der Meinung, die Ermittlung des wahren Sachverhalts sei auch im Falle einer Urteilsabsprache das wesentliche Ziel des Strafverfahrens. Das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung dürfe durch Urteilsabsprachen nicht aufgegeben werden. Auch das abgesprochene Urteil müsse gerecht sein und daher einen wahren Sachverhalt zur Grundlage haben. Voraussetzung einer Verfahrensabsprache sei ein Geständnis, das derartig konkret sei, dass eine Überprüfung möglich sei und eine Übereinstimmung mit der Aktenlage sichergestellt werden könne. Ein reines Formalgeständnis reiche nicht aus und es dürften keine Zweifel an seiner Richtigkeit bestehen.

Bundesregierung: „Qualität"  eines Geständnisses nicht maßgeblich

Dem stimmt die  Bundesregierung nicht zu. Zwar sei ein Gericht verpflichtet, den Sachverhalt aufzuklären. Auf die erforderliche «Qualität» eines Geständnisses könne dabei aber verzichtet werden. Kriterien wie die Umfassendheit oder Nachprüfbarkeit eines Geständnisses seien zu unbestimmt und könnten Besonderheiten des Einzelfalls nicht ausreichend beachten. Auch dem Opferschutz müsse Rechnung getragen werden. Fälle, in denen die umfängliche Nachprüfbarkeit eines Geständnisses nur durch die Aussage des Opfers in der Hauptverhandlung möglich sei, würden dem Bestreben zuwiderlaufen, dem Opfer eine erneute Vernehmung vor Gericht und damit eine Wiederholung seiner Traumatisierung zu ersparen.

Öffentliche Anhörung geplant

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist wortgleich mit einer von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD vorgelegten Initiative (BT-Drs.: 16/11736). Diese wurde bereits im Plenum beraten und an den Rechtsausschuss zur federführenden Beratung überwiesen. Der Ausschuss hat für 25.03.2009 zu diesem Thema eine öffentliche Anhörung geplant.

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2 Kommentare

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Es gibt darüber keinerlei genaue Zahlen, aber es ist unbestritten, dass eine erhebliche Anzahl von Geständnissen falsch ist. Wer davor die Augen verschließt und zukünftig ein Formalgeständnis ausreichen lassen will, geht bewusst das Risiko von Fehlurteilen ein; unser bisheriger Strafprozess wird dann einem Konsensualverfahren angeglichen. Zumindest das Bemühen um eine wahrheitsgemäße Urteilsbasis ist bisher Legitimation der Strafe, ein Geständnis unter dem Druck des Verfahrens, Krankheitseinfluss, Irrtum oder aus Taktik abgegeben kann dies nicht ersetzen.

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Fischer,

völlig zutreffend schildern Sie die Sichtweise in der Alltagspraxis. Ob mit gesetzlicher Regegelung oder nicht, den Deal wird es weiterhin geben. Was aber deshalb gleichwohl noch gefördert werden kann, ist die Sicht darauf, was alles bei einem solchen Procedere aufgegeben wird: Reduzierung der Suche nach der Wahrheit, Reduzierung des Prinzips der Öffentlichkeit und eine Reduzierung des Prinzips der Schuldstrafe. Was bleibt von unseren strafprozessualen Grundprinzipien dann noch übrig? Wollen wir Strafjuristen das wirklich? Verständigung im Strafverfahren ja, aber mit Problembewusstsein bezogen auf den konkreten Fall, das wäre mein Vorschlag. Die Alternative liegt nicht allein zwischen der einstündigen oder viele Monate dauernden Hauptverhandlung, soll heißen, trotz Geständnis muss mit Blick auf die Amtsaufklärungspflicht ggf. einiges in der Hauptverhandlung erörtert werden.

Beste Grüsse

Bernd von Heintschel-Heinegg

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