"Heilbronner Phantom" nur ein Hirngespinst?

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 25.03.2009

Vom "Heilbronner Phantom" war im Blog schon die Rede. An mindestens 40 verschiedenen Tatorten in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland und in Österreich wurden in den vergangenen Jahren die DNA-Spuren von ein und derselben weiblichen Person gefunden. Vermutet wurde eine Serientäterin, die auch an dem Polizistenmord in Heilbronn beteiligt gewesen sein soll. Wie die Internetausgabe des "Stern" berichtet, könnte alles ganz anders sein: Höchstwahrscheinlich waren die schwarze Stäbchen, die die Fahnder zur Sicherung der DNA-Spuren verwendeten, schon vorher mit DNA-Material kontaminiert. Möglicherweise stammt die DNA von einer unachtsame Mitarbeiterin eines Herstellers der Stäbchen. Das baden-württembergische Landeskriminalamt geht diesem Verdacht nun nach. - Das wäre eine sehr erstaunliche Wendung, die aber zeigt, was alles möglich ist!

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7 Kommentare

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Wenn das so ist - wofür inzwischen wohl mehr spricht als für die Existenz der sagenumwobenen Täterin - dann ist das eine ungeheure Verschwendung von Zeit und Steuergeldern.

Und warum? Wegen der unkritischen Vergötzung des DNA-Beweises, der leider offenbar bei vielen Polizeidienststellen als absolut fehlerfrei galt. Ob man daraus lernen wird?

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Der DNA-Beweis ist keineswegs so sicher, wie er meist dargestellt wird. So wird behauptet, eine  Übereinstimmung der DNA-Sequenzen belege mit Sicherheiten von eins zu mehreren Milliarden Fällen die Identität der Spurenleger. Aber die Sicherheit der Identitätsfeststellung kann nicht höher sein als die Zuverlässigkeit der untersuchenden Labors, keine Fehler zu machen (insbes. inkl. der Unwahrscheinlichkeit einer Verunreinigung durch Fremdspuren). Diese Fehlerunwahrscheinlichkeit erreicht (Irren ist eben menschlich) nie den Wert von eins zu einer oder gar mehrerer Milliarden.
Hinzu kommt, dass auch die Ausgangsannahme der Unwahrscheinlichkeit übereinstimmender DNA-Kriterien sich nicht unbedingt bestätigt. Tatsächlich sind etwa in der FBI-Datenbank durchaus Fälle von Übereinstimmungen  von mehreren Personen bekannt geworden, die vor Gericht als identisch gewertet worden wären, darunter ein Fall, indem die Personen unterschiedliche Hautfarbe hatten, Hinweis hier. Wie es in dem verlinkten Bericht der LA Times aus dem vergangenen Jahr heißt, wurden mehrere Dutzend solcher Fälle in dieser Datenbank gefunden. Das FBI versuchte anfangs sogar, die Forschungsergebnisse zu unterdrücken, weil es um den Ruf der Zuverlässigkeit einer bislang fast unangefochtenen  Beweismöglichkeit fürchtete.

Auch Polizeisachverständige in Deutschland, die bisher meist unangefochten die Sicherheit der DNA-Beweise vor Gericht vertreten konnten, werden künftig unangenehme Fragen der Strafverteidiger zu hören bekommen. Und die Gerichte mit Beweisanträgen konfrontiert werden.

Dennoch sind die Beweismöglichkeiten mittels DNA natürlich vergleichsweise sehr gut, aber eben nicht vollkommen.

Die Berliner Zeitung berichtete im Jahr 2006 ebenfalls über eine Panne im Zusammenhang mit der Sicherung von DNA Spuren. Dabei sei, wahrscheinlich durch statische Aufladung, eine Haut-Schuppe von einem Tatort zu einem anderen gelangt.

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2006/0...

Ein Verdächtiger zu viel
Schwere Panne bei DNA-Spurensicherung der Polizei erschwert Mordprozess

 

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Wie überall zu lesen: Das Phantom ist (mit ziemlicher Sicherheit) ein Phantom - es gibt es nicht. Die DNA der mysteriösen Täterin soll von verunreinigten Wattestäbchen stammen.

Von einer Ermittlungspanne zu sprechen, scheint mir heute noch zu voreilig. Wichtig ist jetzt, nicht nur mit der Suche nach der Täterin des Polizistenmords neu anzufangen, sondern auch aufzuklären, wann die Ermittlungsbehörden aufgrund der Vielzahl der DNA-Spuren, die ja gleichsam auf ein Genie hindeuteten, in Erwägung hätten ziehen müssen, dass sie einem Phantom (= verunreinigte Wattestäbchen) aufgesessen sind. Aber immerhin hat man es jetzt realisiert - und wird viel lernen!

Vor allem werden diejenigen Abteilungen  der Behörden lernen, die beim Einkauf stets das billigste Angebot bevorzugen. Wie nun berichtet wird, war offenbar die schwäbische und österreichische Sparsamkeit dafür verantwortlich, dass man für die Spurensicherung Wattestäbchen einkaufte, die für DNA-Aufnahme gar nicht geeignet waren.

Wer ist politisch für die Fahndungspanne verantwortlich?

Über die Frage, wer die politische Verantwortung für die Ermittlungspanne bei der Aufklärung des Heilbronner Polizistenmords trägt, sind sich der baden-württembergische Innenminister Rech (CDU) und Justizminister Goll (FDP) uneins. Unstreitig ist zwischenzeitlich, dass es seit April 2008 Zweifel an der These gibt, eine Serientäterin könnte den Polizistenmord begangen haben. Im April 2008, so Rech, habe man begonnen, 300 Wattestäbchen auf Kontamination zu untersuchen, Ergebnis negativ. Erst am 18.3.2009 sei vom Landeskriminalamt Oberösterreich mitgeteilt worden, dass die Wattestäbchen kontaminiert seien. Nach Darstellung des Justizministeriums hatte die Staatsanwaltschaft Heilbronn im April 2008 Zweifel an der Plausibilität der Spur geäußert, Kriminaltechniker hätten jedoch eine Kontamination ausgeschlossen. Deshalb habe die Staatsanwaltschaft nicht an den Justizminister berichtet.

Ich muss zugeben, dass ich über die bisherige Berichterstattung über dieses Thema überrascht bin. Meines Erachtens haben wir es in diesem Fall mit einer Panne zu tun, deren Folgen noch gar nicht abschätzbar sind. Und die Medien halten sich erstaunlicherweise sehr zurück, haben sie doch in zahlreichen Beiträgen über die Suche nach dem besagten "Phantom" berichtet.

Wie kann es sein, dass die Kriminalämter konatminierte Wattestäbchen benutzen und auch die durchgeführten Blindproben dies nicht aufdeckten?

Und noch gar nicht abzuschätzen ist, in wievielen ungeklärten Fällen ebenfalls mit kontaminiertem Material gearbeitet wurde. Bedeutet das, dass nochmals alle ungeklärten Fälle seit Einführung des DNA-Tests aufgerollt werden müssen? Denn das wäre die logische Konsequenz, da nicht auszuschließen ist, dass in diesen Fällen ebenfalls vorhandene DNA-Spuren von den Verpackern dieses Materials stammt.

Ebenfalls stellt sich mir die Frage, wie schon Prof. Dr. Müller erwähnte, dass dies eine Konsequenz der rigiden Sparpolitik ist, die darin besteht, nicht auf die Qualität sondern auf den Preis zu achten?

Ich hoffe, dass dieser Zustand demnächst umfassend aufgeklärt wird und vielmehr die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden.

 

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