Kausalität von Hyperlinks und die Blogger - ein Beschluss des LG Karlsruhe löst Entrüstung aus

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 30.03.2009

Das LG Karlsruhe hatte über die Rechtmäßigkeit einer Durchsuchung bei einem Blogger zu entscheiden, den die Staatsanwaltschaft wegen der Verlinkung auf eine Seite, bei der wiederum kinderpornographische Inhalte verlinkt seien, des Besitzes von Kinderpornographie (zumindest in seinem cache) verdächtigte.
Das AG Pforzheim hatte die Durchsuchung angeordnet, das LG Karlsruhe bestätigte die Rechtmäßigkeit, allerdings ergänzt um die Erwägung, der Blogger könne auch wegen Teilnahme am Zugänglichmachen von Kinderpornographie tatverdächtig sein.
Um diese Verdächtigung plausibel zumachen, verwies das LG Karlsruhe zunächst darauf, dass auch ein indirekter Link „kausal" für ein Zugänglichmachen sei. Dass der Tatbeitrag zuerst kausal sein muss, ist, Strafrechtler wissen das, eine Banalität. Dass dies bei einer juristischen Prüfung an erster Stelle steht, ist selbstverständlich, heißt aber noch nicht viel (ebenso ist es kausal, wenn ich einem späteren Mörder ein Messer verkaufe, einer Beihilfe verdächtig bin ich deshalb noch nicht, anders aber, wenn es Hinweise darauf gibt, dass ich wusste, wofür das Messer verwendet werden sollte)  Es ist nun einmal eine banale Tatsache, dass der Link auch kausal für ein Zugänglichmachen ist - zumindest Förderungskausalität i.S.d. § 27 StGB, wenn er um zwei Ecken geht. Ebenso banal aber ist es, dass Kausalität allein noch keine Strafbarkeit begründet.
Die Blogger, die das Urteil heute zuerst zitierten, sind Juristen, siehe hier und hier. Sie kennen die Bedeutung der Kausalität aus der Vorlesung, dennoch hoben sie den Satz des LG Karlsruhe so hervor (und zitierten ihn als einzigen), dass der nicht juristisch gebildete Leser annehmen konnte, ja musste, das LG Karlsruhe hielte nun alle Blogger wegen eines (zufälligen) indirekten Links auf eine KiPo-Seite für strafbar. Mit diesem aus dem Zusammenhang gerissenen Zitat - einer (bewussten?) Unterstellung - haben diese Lawblogger heute einen kleinen Sturm ausgelöst. Bei heise etwa gab es hunderte empörte Antworten aufgrund der Unterstellung, das LG Karlsruhe erkläre damit das linkbasierte Bloggen oder gleich das gesamte Internet für strafbar etc. pp. Schließlich verknüpften Hyperlinks das gesamte Internet über ein paar Ecken miteinander.

Der Beschluss des LG Karlsruhe ist problematisch, aber nicht wegen der Kausalitätsäußerung, die ja durch die darauf folgenden Erwägungen zum konkreten Fall (insbesondere dazu, dass der Blogger sich den inhalt der Seiten möglicherweise zu-Eigen-gemacht habe) eingeschränkt wird, sondern aus zwei anderen Gründen:
In objektiver Hinsicht wird aus dem Beschluss nicht klar, ob es sich nicht doch tatsächlich um einen direkten  Link auf kinderpornographisches Material handelt. Unklar bleibt z. B., was das Gericht mit „Sprungmarke" bezeichnet und ob es überhaupt zutrifft, dass hier eine solche Sprungmarke gesetzt wurde. Möglicherweise haben die Richter nicht verstanden, was da genau verlinkt wurde. Jedenfalls klingt es so, als hielten sie es doch für eine direkte Verlinkung auf kinderpornographisches Material - fehlte hier Sachverstand oder Sachaufklärung?
Problematisch ist aber vor allem, wenn hierdurch Eindruck erzeugt wird, als solle schon die Diskussion über Sperrlisten (auch darüber, ob nicht viele der gesperrten Seiten frei von KiPo seien) unterdrückt werden. Wird hier evtl. von den Strafverfolgungsbehörden die Durchsuchungsdrohung missbraucht, um indirekt Zensur zu üben? Jedenfalls liest sich der anordnende Beschluss des AG Pforzheim so. Es ist gerade die Funktion der gerichtlichen Überprüfung durch das LG, hier genau(er) hinzuschauen. Aus dem Beschluss geht eine andere Tendenz hervor.

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23 Kommentare

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Ich stimme Ihnen vollumfänglich zu.

Dieser Beschluss ist problematisch, weil aus ihm die tragenden Gründe für die Durchsuchung nicht hervorgehen. Man kann schon den Eindruck gewinnen, dass dem Richter das notwendige tatsächliche Hintergrundwissen fehlt.

Für ebenso problematisch halte ich die mE bewusste Irreführung der (Internet)Öffentlichkeit durch die von Ihnen verlinkten Blogger. Den Beschluss auf die Ausführungen zur Kausalität zu reduzieren, ist in Anbetracht der sofort darauffolgenden Bemühungen des Gerichts um eine Einschränkung der Zurechnung schlicht unseriös.

Aber solche verkürzenden und irreführenden Beiträge sorgen natürlich für Empörung der Netzgemeinde, erhöhten Traffic und ein Zitat bei Heise.de...

 

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Problematisch ist einerseits die völlig unzureichende Beurteilung der Sachlage. Insbesondere unterstellt das Gericht, dass es sich bereits bei dem verlinkten Beitrag um den den strafbaren Inhalt handelt - ohne ein Wort zu der Begründung zu verlieren. Auch die zumindest fahrlässig falsche Behauptung über die "direkte Verlinkung" auf den "strafbaren" Inhalt ist mehr als Nonsense. Der Betreiber hat eben nicht den bewußt kürzesten Weg zu den strafbaren Inhalten gewählt, sondern einen bedeutend längeren (Linkkette).

Untauglich ist auch die Argumentation hinsichtlich des RAM und Cache-Speichers (die Verwechslung kann ja vorkommen). Denn wenn die reine Speicherung im RAM vermutet wird, dann ist die Durchsuchung aufgrund der längeren Zeit seit der Erstellung des Links (und dem behaupteten Besuch der strafrechtlich relevanten Seiten) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der RAM seitdem mehrfach gelöscht worden. Soweit damit lediglich die Minimalstrafbarkeit erklärt werden soll, fehlen hierzu erläuternde Worte.

Die undifferenzierte Benutzung des Vorwurfs des Verbreitens und des Zugänglichmachens runden das Bild dann endgültig ab. Verbreiten ist Weitergeben der Daten und (zumindest teilweise) erfolgsbezogen. Hingegen ist das Zugänglichmachen ein Tätigkeitsdelikt, dass keinen spezifischen Erfolg i.e.S. benötigt.

Rechtspolitisch ist das Urteil wohl zu kritisieren, weil daran eine Unkenntnis der Webstrukturen zu erkennen ist, die bei einem Strafrichter nicht vorhanden sein darf.

Juristisch ist es meines Erachtens nach viel zu undifferenziert. Eine tatsächliche Einschränkung der csqn kann ich ehrlich gesagt auch nicht erkennen, wenngleich sie ausdrücklich als erforderlich bezeichnet wird.

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Sher geehrter Herr Prof. Müller,

nachdem Sie mich in Ihrem Text deutlich kritisieren, gestatte ich mir dazu noch einige Anmerkungen. Der Sachverhalt ist in meinem Blogeintrag korrekt zusammengefasst. Er ergibt sich insbesondere, wenn man den Beschluss des Amtsgerichts ergänzend liest, sehr deutlich aus beiden Entscheidungen.

Der Beschuldigte hatte auf einen Blogbeitrag bei "Schútzalter" verlinkt. Dieser Blogbeitrag setzt sich kritisch mit der Sperrlistenthematik auseinander und legt dar, dass sich auf der dänischen Sperrliste nur in geringem Ausmaß kinderpornografische Webseiten befinden. Der inkriminierte Blogeintrag ist übrigens noch online, Sie können ihn mit wenig Mühe dort finden und sich selbst ein Bild davon machen, wie die Weiterverweisung aussah. Im Fließtext dieses Blogbeitrags wird dann auf Wikileaks.org verlinkt und den dortigen Eintrag, der eine URL-Auflistung der dänischen Sperrliste enthält. Und diese Kette bgeründet die Strafbarkeit.

Die besagte Passage aus der Entscheidung habe ich deshalb ausgewählt, weil sie für die Entscheidung tragend ist und den konkreten Sachverhalt subsumiert. Der Tatvorwurf besteht nämlich genau darin, dass der Beschuldigte über eine Kette mehrerer Links (mittelbar) auf kinderpornografische Inhalte verlinkt hat. Aus dem Zusammenhang ist da gar nichts gerissen worden.

Die Passage im Beschluss mit der Sprungmarke (was ist das?) deutet allein auf mangelndes technischen Verständnis der Karlsruher Richter hin. Mit Sprungmarke meinen die nichts anderes als einen Link.

Ich habe mir übrigens kurzzeitig die Frage gestellt, ob ich den Beitrag im Blog Schutzalter auch verlinken soll, um zu sehen, ob man dann auch gegen mich ermittelt und mir hier die Bude (vielleicht die Kanzlei) auf den Kopf stellt.

MfG

Thomas Stadler

 

 

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Sehr geehrter Herr Stadler,

danke für ihren ausführlichen Kommentar. Es wird Sie nicht verwundern, dass Sie mich in dem Punkt, in dem wir uneins sind, weiterhin nicht überzeugen - ich halte die ersten posts auf internet-law und datenschutzbeauftragter-online und insbesondere das Hervorheben des Kausalitäts-Zitats nicht für einen korrekte Wiedergabe des Geschehenen. Das gilt ausdrücklich nicht für Ihre späteren (zeitlich nach meinem hiesigen Eintrag liegenden) Ausführungen in den Kommentaren zu Ihrem post.
Die Gesetzeslage ist bei § 184 b StGB, wie Sie wissen, außerordentlich streng. Ebenso strenge Folgen ergeben sich  aus § 27 StGB (denken Sie an die psychische Beihilfe, bei der die Rechtsprechung nicht einmal Kausalität für die Tatbegehung verlangt). Unterstellt jemand wolle einem KiPo-Verbreiter tatsächlich Aufmerksamkeit verschaffen und ihm beim Zugänglichmachen von KiPo helfen, könnte der Tatbestand einer Beihilfe durch eine Kettenverlinkung erfüllt sein. Die Darlegung der Kausalität ist m. E. nicht die Sensation dieses Beschlusses.

Ich teile Ihre Kritik an der Sachverhaltsaufklärung des LG, bin aber nicht sicher, warum man dann ohne Aktenkenntnis dem Sachverhalt des AG Richtigkeit unterstellen kann. Ob die Verlinkung heute noch dieselbe ist wie vor der Durchsuchung, wie Sie sagen, konnte und kann ich ebenfalls nicht beurteilen, es erschien/erscheint mir jedenfalls wahrscheinlich, dass der Blogger seinen Link, der ihm eine Durchsuchung eingebracht hat, mittlerweile verändert hat.

Bei der Kritik an der Durchsuchungsanordnung selbst (und den Folgen einer Angstmache per Durchsuchungsanordnung) bin ich ganz einverstanden mit Ihnen. Man muss allerdings auch klar sagen, dass es sich nicht um ein "Urteil" handelt, das unmittelbar alle Blogger jetzt sofort betrifft, auch nicht um eine Entscheidung über die Strafbarkeit des Betroffenen, sondern um eine Entscheidung im Einzelfall zum Bestehen eines Tatverdachts. (Hart ist es dennoch, klar.)

Besten Gruß
Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Herr Prof.Dr. Müller und alle anderen Teilnehmer dieser speziell-juristischen Diskussion.

Der Link bzw. das News worin sich der Link auf das Weblog Schutzalter befindet wurde nach dem Beschluss des LG Karlsruhe-Pforzheim geändert in:

 

 

Weblog Schutzalter: Dänische Zensurliste 06.01.2009

Ursula von der Leyen(CDU) und Ihr Vorhaben für Internetfilter gegen "Kinderporno-Seiten"

Wie wir wissen, werden Maßnahmen gegen Kinderpornografie gerne damit beworben, dass die Kinder in den dargestellten Szenen immer jünger und die Handlungen immer gewalttätiger werden würden. Manchmal ist gar die Rede davon, dass die BKA-Beamten psychologische Hilfe benötigen würden, um die "schrecklichen Bilder" wieder vergessen zu können. Sie kennen den Sermon vermutlich....Lesen Sie weiter mit einem Klick:

httx://schutzalter * ZENSUR durch Pforzheimer Amts- und Landgericht

 

Das obige News war also der Auslöser für die aus unserer Sicht eindeutig rechtswidrige Hausdurchsuchung. Es kann und darf doch nicht sein, dass ein solches News zu einer solchen Justizwillkür führen darf und dann auch noch von der Beschwerdeinstanz des Landgerichts mit einer erweiterten Begründung bestätigt wird.

Ein solches News mit direktem Link auf das legale Schutzalter Blog erfüllt nicht die notwendigen Voraussetzungen eines Tatverdachtes gem. 184 StGB die da lauten: Konkrete tatsächliche Anhaltungspunkte für eine Straftat müssen vorliegen. Das Amtsgericht schreibt bei den vermuteten Cacheinhalten selbst, dass lediglich nur die Wahrscheinlichkeit besteht. Im Prinzip hat die StA überhaupt nichts in der Hand, sondern alles ist reine Spekulation.

Es bleibt also jetzt nur noch die Beschwerde vor dem BVerfG. Bekanntlich kann das Monate oder sogar Jahre dauern. Und es entstehen logischerweise viel Kosten an Anwaltshonoraren. Wie kann der Betroffene diese Kosten eines Tages zurückfordern ? Das wird kaum oder gar nicht möglich sein.

Dieser Beschluss des LG steht auch für andere vergleichbare Beschuldigungen und möglichliche Verfahren rechtsverbindlich im Raum und darauf kann die gesamte Justiz immer Bezug nehmen. Oder ???

Neben der Frage zur Meinungs- Informations - und Pressefreit sowie das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung etc... sind bei der BVerfG-Beschwerde auch die fehlerhaften Wiedergaben der reinen Sachverhalte im Beschluss wichtig. Nach unserer Ansicht kommen diese hier bei der Diskussion etwas zu kurz. Bitte deshalb um eine Auskunft zu diesen Fragen. Danke !

Atlas Büroteam

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

mir liegen zu dem Vorgang zugegebenermaßen noch weitere Unterlagen vor, die nicht veröffentlicht sind. Ich weiß daher, dass die Sachverhaltsschilderung in meinem Ausgangsbeitrag zutrifft und sogar deutlich präziser ist, als das was in den Beschlüssen steht.

Eine Hervorhebung ist noch keine Verfälschung. Ich habe eine Passage aus dem Beschluss zitiert, die ich für zentral und auch bezeichnend halte. Die Kausalität ist m.E. eine von mehreren Problemen des Beschlusses, denn letztlich lässt das Gericht die sine-qua-non Formel für die Bejahung der Kausalität ausreichen. Eine nachvollziehbare objektive Zurechnung kann ich dem Beschluss nicht entnehmen.

Wenn man den Beschluss genau liest, wirft man dem Beschuldigten auch gar keine Verbreitung oder Zugänglichmachung vor, sondern den Besitz kinderpornografischen Materials, der sich daraus ergeben soll, dass der Beschuldigte die Webseiten, die auf der dänischen Sperrliste stehen, aufgerufen haben soll und damit in seinen Cache geladen hatte. Hieraus resultiert freilich ein gewisser Widerspruch zu der "Sprungmarken"-und Kausalitätsargumentation. Für mich wird unter dem Strich sehr deutlich, dass die Richter nicht wissen, wovon sie reden, weil sie den Sachverhalt schlicht nicht begriffen haben.

Der Blogbeitrag bei Schutzalter "Dänische Zensurliste" ist in unveränderter Form online, ob Sie das glauben oder nicht. Allein der Umstand, dass ich diesen Beitrag hier nicht verlinke, zeigt, dass der Einschüchterungseffekt, den Art. 5 GG gerade verhindern möchte, bereits eingetreten ist. Diese Form der Strafverfolgung blockiert die kritische Diskussion über Access-Sperren und ausländische Sperrlisten.Das ist der Grund dafür, dass ich dieses Thema überhaupt aufgreife und in meinem Blog thematisiere.

Wie Sie wissen, ist das auch nicht der einzige aktuelle Fall. Gegen den Betreiber des Blogs Schutzalter wird, wie gesagt, ebenfalls ermittelt und beim Inhaber von wikileaks.de wurde durchsucht, dort sogar ohne richterlichen Beschluss.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Stadler

 

 

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Sehr geehrter Herr Stadler,

wenn Sie den Link bei "Schutzalter" meinen, der besteht in der Tat noch, ich habe mich freilich auf den Link des betr. Bloggers bezogen, um den es hier ja nur gehen kann.

Ich möchte noch Folgendes anmerken: Der Vorwurf der Beihilfe zum Zugänglichmachen durch den Link kann gar nicht durch Beweismittel, die beim Beschuldigten aufgefunden werden, belegt werden. Die Ausführungen des LG Karlsruhe zur Kausalität der Kettenverlinkung haben deshalb gar keine rechtliche Bedeutung für die (Un-)Rechtmäßigkeit der Durchsuchung. Denn eine evtl Beihilfe zum Zugänglichmachen durch den Link wäre ja schon vollständig "bewiesen", einer Durchsuchung bedürfte es dazu nicht. Das scheint dem LG auch rechtzeitig aufgegangen zu sein, wenn das Gericht dann doch ab S.4 Mitte wieder einschwenkt auf den Besitztatbestand. Hierzu wird erstens angenommen (ebenso schon das AG), dass derjenige, der einen Link setzt, zuvor die verlinkte Seiten aufgerufen hat. Zweitens wird angenommen, dass schon das bloße Laden in den cache einen (bewussten) Besitz bedeutet - eine noch nicht endgültig entschiedene Frage, vgl. MüKo-Hörnle, § 184 b Rn. 27, die mit dem zitierten Beleg BGH 10. 10. 2006 - 1 StR 430/06 NStZ 2007, 95 m.E. nicht schlüssig unterstützt wird. Dieser Beschluss belegt nämlich eher das Gegenteil, dass nämlich das bloße automatisierte Laden in den cache noch nicht (bewusster) Besitz ist.

Erst beide Annahmen zusammen begründen einigermaßen schlüssig den Verdacht, dass hier auf der Festplatte des Bloggers kinderpornographisches Material aufzufinden sein könnte. Die erste Annahme wäre möglicherweise dann plausibel, wenn der blogger z.B. in seinem Text äußerte, er habe selbst die Seiten von der Sperrliste geprüft etc. Eine bloße Verlinkung der Schutzalterseite lässt m.E. noch nicht den Schluss zu, er habe die dort drittverlinkten (ich gehe jetzt mal davon aus, es ist so, wie Sie sagen) Seiten auch einzeln aufgerufen.
Meine schon oben angesprochene These wäre, dass hier von den Strafverfolgungsbehörden versucht wird, eine Prüfung solcher Sperrlisten zu unterdrücken, indem Angst vor Durchsuchungen erzeugt wird. Dafür sollten sich die Gerichte nicht einspannen lassen.

Freundliche Grüße
Henning Ernst Müller

 

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

die Ausführungen des LG schwanken denn auch in merkwürdiger Wiese zwischen Besitz und Zugänglichmachen.

Mit Cache ist wohl der Browser-Cache gemeint. Ob allerdings eine Durchsuchung bzw. Beschlagnahme nach mehreren Wochen noch geeignet ist,  solche Inhalte aufzufinden, ist fraglich.

Bei der Anahme, der Beschuldigte werde wohl die Seiten die auf der Sperrliste stehen aufgerufen haben, handelt es sich um reine Spekualtion. Der Umstand der Verlinkung auf Schutzalter dürfte dafür keinen ausreichenden Anhaltspunkt darstellen.

Nichtsdestotrotz halte ich die Kausalitätserwägungen nicht für überzeugend. Und warum stellt man sie überhaupt an, wenn sie für die Frage des  Besitzes ohnehin unerheblich sind? Das Gericht vermengt einfach verschiedene Aspekte und rührt dies zu einer eher trüben Brühe zusammen.

Schöne Grüße

Thomas Stadler

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Herr Prof. Müller, wenn Sie schreiben, die Entscheidung des LG Karlsruhe sei problematisch, dann tun Sie der Entscheidung schon zu viel Ehre an. Sie bemängeln vor allem die Tendenz, die aus der Entscheidung hervorgehe und versuchen sie einzuordnen in die aktuell diskutierten Themen Kinderpornografie, Internetsperren, Meinungsfreiheit etc. Ich bin der Meinung, daß der entscheidende Gesichtspunkt ist, daß das LG Karlsruhe schon an früherer Schwelle scheitert: Es leistet keine saubere juristische Arbeit. Der vorliegende Beschluß ist schon aufgrund schlichter juristischer Maßstäbe so fehlerhaft, daß er sich für eine Auseinandersetzung auf der von Ihnen genannten Ebene nicht qualifiziert. Schauen wir uns ihn näher an:

Die Norm, deren Voraussetzungen das AG und das LG zu prüfen hatten, ist § 102 StPO. Eine Wohnungsdurchsuchung ist danach zulässig, wenn zu vermuten ist, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde. Ausführlich begründet das LG in seinem Beschluß, warum seiner Meinung nach das Verlinken einer Seite mit (wie es sich ausdrückt) "mißbilligtem Inhalt" strafbar sei. Nun ist richtig, daß die Strafbarkeit der vorgeworfenen Handlung natürlich ebenfalls Voraussetzung eines Durchsuchungsbeschlusses ist und es ist vielleicht löblich, daß das LG soviel Fleiß darauf verwendet, diese Frage, deren Klärung in das Zwischenverfahren und ggf. in die Hauptverhandlung gehört, hier schon zu erörtern. Umso auffälliger ist aber, daß das LG auf die für die Ermittlungsmaßnahme entscheidende Frage, welche Beweismittel im Rahmen der Durchsuchung und Sicherstellung des Computers gefunden werden könnten, gar nicht eingeht. Hier genau(er) hinzuschauen, ist die eigentliche gesetzliche Aufgabe des Gerichts, während die von Ihnen, Herr Prof. Müller, angesprochene Funktion, eine indirekte Zensur zu verhindern, allenfalls mittelbar besteht.

Dieser Begründungsmangel kann nicht geheilt werden, indem wir nun Mutmaßungen anstellen, wie eine tragfähige Begründung hätte aussehen können. Aber versuchen wir es einmal trotzdem: Der hier behandelte Tatvorwurf lautet darauf, daß der Beschuldigte öffentlich - im Internet für jedermann sichtbar - ein Äußerungsdelikt begangen habe (nämlich das Setzen eines Links). Was könnte eine Hausdurchsuchung zur näheren Klärung dieses Sachverhalts beitragen? Das einzige, woran man ohne Kenntnis von Besonderheiten des Falles denken könnte, wäre: Um zu klären, ob der Beschuldigte tatsächlich identisch mit der Person ist, die den Link gesetzt hat, um ihm also den späteren eventuellen Einwand abzuschneiden, ein anderer habe sich im Internet als er ausgegeben. Wie wahrscheinlich wäre ein kriminalistischer Befund hierzu? Wir wissen zu wenig von den Fallumständen. Wenn es sich um ein Blog handelt, in dem der Beschuldigte den gefährlichen Link gesetzt hat, so wäre ein Fund auf der Festplatte seines Computers eher unwahrscheinlich, da Bloginhalte regelmäßig direkt serverseitig bearbeitet werden. Auch die in Gerichtsbegründungen auffällig liebgewonnenen Cache-Mechanismen führen hier regelmäßig nicht zu Spuren auf der lokalen Festplatte, da das Ablegen auf dem Server mittels sog. POST-Technik ohne Zwischenspeicherung auskommt. Aber auch wenn es nicht ganz unwahrscheinlich ist, daß eine Hausdurchsuchung im vorliegenden Fall zu Beweismitteln führt und damit eine Geeignetheit der Ermittlungsmaßnahme noch bejaht werden könnte, so müßte dieser Gesichtspunkt in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne entscheidend einfließen - eine Prüfung, die in dem LG-Beschluß natürlich ebensowenig vorkommt.

Da also die ersten beiden Seiten der Begründung die Entscheidung nicht zu tragen vermögen, sind sie Makulatur. Aber schauen wir trotzdem noch einmal genauer hin: Das LG beschäftigt sich in Wahrheit in diesem ersten Teil mit einem Tatvorwurf, der nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Nach seiner eigenen einleitenden Darstellung lautet nämlich der Tatvorwurf der Staatsanwaltschaft als Herrin des Ermittlungsverfahrens auf Besitz von kinderpornografischen Schriften. Auch das AG hatte allein darauf Bezug genommen. Das LG hat hingegen in epischer Breite und doch - wie gesehen - unvollständig begründet, warum seiner Meinung nach eine Hausdurchsuchung für ein Verfahren wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften zulässig wäre. Da Gegenstand des Beschwerdeverfahrens der AG-Beschluß ist, ist es meiner Meinung nach von vornherein nicht zulässig, daß das LG die Ermittlungsmaßnahme auf einen anderen, von ihm konstruierten Tatvorwurf stützt (es kann zwar eine falsche Begründung des AG durch eine richtige ersetzen, aber es kann nicht über den von der StA verfolgten Vorwurf hinausgehen).

Auf der letzten halben Seite seiner Begründung kommt das LG doch noch kurz auf das eigentliche Thema zurück: Die Zulässigkeit einer Hausdurchsuchung wegen Verdachts auf Besitz von kinderpornografischen Schriften im vorliegenden Fall. Hier liegt es gewissermaßen umgekehrt: Daß der Besitz von entsprechenden Dateien strafbar ist, muß nicht besonders begründet werden, auch die Geeignet- und Erforderlichkeit der Durchsuchung und Beschlagnahme des Rechners mit Festplatte liegen auf der Hand. Aber: Wie steht es mit der Wahrscheinlichkeit, daß der Beschuldigte die Tat begangen hat? Hier hatte das AG einen, wenn auch sehr dünnen Verdachtsansatz immerhin genannt: Das Zusammenspiel der beiden Tatsachen, daß der Beschuldigte im Zusammenhang mit Kinderpornographie mehrfach vorbestraft ist und daß er einen Link auf eine Liste, die bei sehr geduldiger Suche (viele Links sind ja nach eigener Prüfung des AG tot) entsprechendes Material hervorbringt. Mir persönlich reichen diese Indizien für eine Hausdurchsuchung bei weitem nicht aus, aber immerhin sind sie im AG-Beschluss dargestellt. Das LG hingegen, dessen Aufgabe es gerade ist, sich diesen Punkt, der der einzige Aufhänger für die Rechtmäßigkeit der Ermittlungsmaßnahme sein kann, genauer anzuschauen, hat sich mit der Verdachtslage überhaupt nicht auseinandergesetzt. Es ergeht sich stattdessen wiederum in akademischen Betrachtungen über die Strafratio und die feine Abgrenzung, ab wann Strafbarkeit gegeben ist.

Fazit: Wenn man den scheinbar ausführlich begründeten Beschluß des Landgerichts Karlsruhe aufmerksam liest und ihn auf seinen eigentlichen Inhalt hin entblättert, bleibt nichts weiter übrig als eine Entscheidung, die wegen völlig unzulänglicher und an der Sache vorbeigehender Begründung einen Verstoß gegen Art. 13 GG darstellt.

Frage:

In der  Begründung des LG findet sich folgendes Zitat:

[...]Ein solcher Besitzerwerb sei bereits "mit dem automatischen Download in den Arbeitsspeicher, dem so genannten Cache, gegeben".
[...]

Mal abgesehen davon das "Cache" hier mit RAM gleichgesetzt wird,wärmt doch dieser Satz die alte Kamelle auf, daß früher Personen die den Fund solcher Bilder anzeigten selbst Besuch von der Polente bekamen, was u.a. der Grund für die Einrichtung von Meldestellen z.b. auch hier auf heise.de war. Nach einiger Zeit merkten eben selbst die Strafverfolgungsbehörden das so ein Verhalten contraproduktiv war, da Personen die auch über neues Material stolperten die Anzeige lieber nicht machten, denn wer will schon die Polizei in der Wohnung haben und längere Zeit winke winke zu seinem Computer sagen? Wenn ich mich nicht irre, dann gibt es sogar auf diversen Seiten Aussagen von Strafverfolgern, das sie eben das Cachen nicht als Besitzverschaffung ansehen und daher auch nicht verfolgen.
Nimmt man nun die Aussage dieser Richter ernst, würden diese Aussagen auf "§ 258a Strafvereitelung im Amt" hinauslaufen und es müssten von sich aus Ermittlungen aufgenommen werden. 

Desweiteren besteht die Linkliste eben nicht nur aus Links zu Inhalten die pönalisiert sind und vorher ist keine Einschätzung möglich, da eben auch die Namen nichts aussagen über den Inhalt. 
Mir wäre nicht bewußt wo im §184b explizit 
a) der Versuch strafbar und
b) ebenso die Fahrlässigkeit pönalisiert wäre.  Zudem wird der §184b StgB im "§ 138 Nichtanzeige geplanter Straftaten" nicht erwähnt d.h. keiner ist verplichtet Anzeige zu
machen.....

Stellt sich die Frage warum die Richter auf diesen "Cache-Meinung" kommen, obwohl sich eine andere Rechtspraxis schon seit Jahren durchgesetzt hat.....?

bombjack

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Sehr geehrte/r Herr/Frau Garcia, sehr geehrter Herr Stadler,

Dank für Ihre Ausführungen, die die Diskussion hier bereichern. Ich sehe, wir sind uns in der Sache weitgehend einig, nämlich dass die Entscheidung des LG Karlsruhe juristisch nicht überzeugt, weil die Kausalitätserwägungen nichts zur Sache tun und die Besitzannahme spekulativ ist.

Sehr geehrte/r Herr/Frau bombjack,

ich glaube nicht, dass wir es mit Strafvereitelung im Amt zu tun haben. Browser-Cache als Besitz ist weitgehend eine Frage des subjektiven Tatbestands. Das bloße Anschauen im Netz ist noch nicht strafbar, aber nach (wohl) h.M. das "bewusste" Laden auf die Festplatte. Der subj. Tatbestand ist aber  kaum nachweisbar, da die meisten Browser automatisch cachen und viele User das nicht wissen. Wer dies als Staatsanwalt voraussieht, kann auch die Ermittlungen einstellen bzw. gar nicht erst aufnehmen, ohne damit eine Strafe zu vereiteln.

(und jetzt Fußball gucken)

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Ich erkläre hiermit

 

1. dass ich nicht von den Betreibern dieser Website aufgefordert wurde den folgenden Link zu posten,

2. auch nicht von Herrn Prof. Müller oder

3. anderen Personen.

Ich bin mir des Risikos bewusst und setze hiermit denselben Link, den auch das spätere Opfer der Karlsruher Justiz setzte.

Mit Urteil des LG Karlsruhe ist der folgende Inhalt rechtswidrig:

http://

schutzalter.twoday.net/?day=20090205

(bitte etwas herunterscollen, einen Anker - also eine wirkliche Sprungstelle findet sich leider nicht)

 

Mfg Joshua

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sorry ... nicht urteil ... beschluss ...

 

das ändert aber nicht soviel.

 

Joshua

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Nochmal zur Kausalität. Ich sehe nicht, wie angesichts der Netz-Struktur des Webs, die das Gericht betont, ein einzelner Link nach der Sine-qua-non-Formel kausal sein kann. Gerade in einem stark vermaschten Netz kann ich einen einzelnen Link problemlos wegnehmen, _ohne_ daß die Seite mit den Kinderpornos (welche soll das eigentlich sein? Hat das Gericht das _tatsächlich_ geprüft?) nicht mehr zugänglich ist.

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@Jens:
Die Kausalität ergibt sich daraus, dass diejenigen, die den gesetzten Link sehen/anklicken einen Zugang zu den Seiten erhalten können bzw. es ihnen erleichtert wird, Zugang zu erhalten. Existiert dieser Link nicht, mag noch ein anderer Zugang über andere Links möglich sein, aber eben nicht über diesen. Ersatzursachen beseitigen nicht die konkrete Kausalität.
Dass hier tatsächlich geprüft wurde, ergibt sich aus dem Beschluss des AG (im Eingangsposting verlinkt)

 

 

Zum Randthema Browsercache; folgende Cachingkonventionen sind mir geläufig:

a) Cache soviel Du kannst. Laß mich in Ruhe wenn's geht.

b) Cache maximal XXX MB (dann lösche den ältesten Klump)

c) Cache alles, was jünger als X Wochen/Monate ist. Lösche was älter ist.

d) Lösche nach jeder Browsersitzung alles.

Wenn man im Festplattencache (nicht im RAM) befindliche Inhalte sichern will, dann muß man sie früher oder später von dort kopieren oder rausbewegen, sonst sind sie gelöscht. Einfacher ist es, im Browser das Bild mit rechter Taste anzuklicken und zu sagen "Grafik speichern unter ..." - auf Ihrem Betriebssystem/Browser womöglich unter anderem Namen verfügbar und mit anderer Maustaste zu triggern.

Wenn man sich merkt, wann man einem heiklen Inhalt begegnet ist, dann kann man anhand des Zeitstempels die Datei auch im Cache wiederfinden - aus der Existenz eines Bildes im Cache würde ich jedoch nicht auf Besitzwillen schließen - weder bei Experten, für die es zu umständlich ist, noch bei Anfängern, die vom Cache oft nicht viel wissen.

Aber das nur am Rande.

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Nochmal zur Kausalität Herr Prof. Müller. Wenn wir ein Zugänglichmachen unterstellen, dann reicht eine äquivalente Kausalität nicht, denn die läge auch bei Tim-Berners-Lee vor. Eine objektive Zurechnung kann ich dem Beschluss nicht entnehmen.

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Sehr geehrter Herr Stefan W.,
vielen Dank für die Darstellung der "Konventionen" beim cachen. Es ist sicher so, wie Sie resümieren: Zwar obj. Besitz, aber kein "Besitzwille" lässt sich ohne weiteres dem cache entnehmen. 

Herr Stadler,
eine äquivalente Kausalität reicht natürlich nicht, das wissen wir doch alle (der Beispiele sind da viele, ganz unabhängig vom Thema internet). Die objektive Zurechnungslehre ist zwar inzwischen in der Rechtswissenschaft gut verankert, wird aber in der Rechtsprechung immer noch nur zögerlich übernommen, eine neue Lehre braucht halt ihre Zeit. Aber mit den jüngeren Richtergeneration am BGH  werden auch Elemente dieser Lehre in die Rechtsprechung eingehen. Allerdings ist in der Wissenschaft die obj. Zurechnungslehre auch noch nicht in all ihren Facetten durchdrungen, es wird zu Recht noch diskutiert. Aber in der Rechtsprechung ist derzeit immer noch der subj. Tatbestand der maßgebliche Filter, q.e.d.

Gruß
Henning Ernst Müller

 

@Prof. Müller: Jetzt diskutieren wir aber akademische Feinheiten.;-) Ich bin mir zwar nicht mehr sicher, ob ich noch alle strafrechtlichen Kausalitätstheorien zusammenbekomme, weil mein Studium schon eine Weile zurückliegt. Fakt ist aber, dass man sich darüber einige ist, dass die sine-qua-non-Formel deutlich zu weit reicht und deshalb einer normativen Einschränkung bedarf. Und an diesem Punkt weist der Beschluss sicherlich Defizite auf. Vermutlich sind wir uns eh halbwegs einig.

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Guten Tag, ich mische mich nur mit einem kurzen Einwurf hier ein.

Das mit der Kausalität und der Link-Verantwortlichkeit ist für das Internet eine sehr dünne Geschichte. Ein Link auf die Hauptseite (oder irgend eine andere) von Wikileaks begründet auch schon eine Erleichterung einen Artikel illegalen Inhaltes zu finden. Ich denke darüber besteht Einigkeit.

Somit haben wir hier ein typisches "Internet-Dilemma" welches sich  auf Augenhöhe mit der entsprechenden Rechtsauffassung von LG und OLG München in Sachen AnyDYD befindet:

http://de.wikipedia.org/wiki/AnyDVD

Ich vertrete die Auffassung das es neben dem formaljuristischen Dilemma in der Hauptsache an einem mangelt - an der Eignung der Mittel. Ich glaube das "zu Ende denken" ist hier auf juristischem Gebiet noch nicht schlüssig vollbracht worden. Es findet noch in etwa auf der gleichen Ebene statt auf welcher die Content-Industrie in (oder seit) den 80er Jahren arbeitet. Man versucht immer noch angestrengt die Welt der Daten mit der Welt des stofflichen zu greifen und auch so zu handhaben. Das wird auch Juristen nicht schlüssig gelingen können. Man wird sich dafür neue Regeln suchen zu müssen. Dieses "try and error"-Prinzip welches seit Jahren die Rechtsprechung durchzieht und willkürlich scheint ist nicht wirklich befriedigend.

Grüße

ALOA

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Sehr geehrter Herr Gieseking, sehr geehrte Mitdiskutanten,

vielen Dank für Ihren Beitrag. Der beck-blog ist eine Diskussionsplattform zu aktuellen juristischen Streitfragen.  Die Kritik, dass der Sachverhalt in der Entscheidung LG Karlsruhe kaum nachvollziehbar mitgeteilt wurde, ist (u.a. von mir im ersten post) geäußert worden. Ob tatsächlich ein fehlerhaft aufgeklärter Sachverhalt zugrundegelegt worden ist, kann ich nicht beurteilen. Leider kann ein Blog keine Sachverhaltsaufklärung im Einzelfall leisten.

Der Beschluss des LG Karlsruhe ist nicht rechtsverbindlich für andere Gerichte in ähnlichen Fällen, es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Die Tendenz des Beschlusses erscheint mir ebenfalls fragwürdig, siehe am Ende meines Eingangsposts. In der Tat sind auch die von Ihnen aufgeworfenen grundrechtlichen Fragen tangiert.  Wenn hierzu eine Entscheidung des BVerfG erfolgen sollte, werde ich das mit Interesse verfolgen und hier im Blog zum Thema machen, ebenso natürlich, wenn es ähnlich gelagerte Fälle geben sollte.

Ausgangspunkt meines Beitrags war der Eindruck, dass ein Zitat aus dem Beschluss in fachlich nicht unbedenklicher Weise herausgeschnitten und zum Anlass einer "Sensationsmeldung" gemacht wurde.

Ich danke allen Beteiligten für die sachliche Diskussion darüber, die sich hier entwickelt hat.  Ich habe jedoch heute gemerkt, dass die Diskussion hier nun in eine Richtung geht, die sie in vielen anderen Blogs schon genommen hat. Insbesondere will ich mich nicht damit auseinandersetzen, welche Personen angeblich am Ausgangsfall beteiligt sind und was ihnen jeweils angeblich vorzuwerfen ist. Dazu fehlt mir jede Möglichkeit der objektiven Nachprüfung, weshalb ich solche Kommentare nicht freigegeben habe. Die (mir und den Mitbloggern) wichtige Eigenschaft des beck-blogs, einen vor allem sachlichen Austausch zu ermöglichen, möchte ich auf diese Weise erhalten. Ich denke, es sind die wesentlichen juristischen Argumente zu diesem Thema ausgetauscht worden und ich werde deshalb die Kommentarfunktion ausschalten.

Nochmals vielen Dank für Ihre Kommentare und beste Grüße

Henning Ernst Müller

Ergänzung: Wie mir berichtet wurde, hat der Betroffene der Hausdurchsuchungen inzwischen Verfassungsbeschwerde eingelegt. Im Mittelpunkt der Argumentation steht die Unverhältnismäßigkeit der Anwendung des § 102 StPO bei Missachtung des Grundrechts der Meinungsfreiheit und die unzureichende Begründung mit dem Verdacht, der Betroffene habe (alle) mehreren tausend Links der Sperrliste auch selbst aufgerufen.
Über die weitere Entwicklung wird ggf. in einem eigenen Beitrag berichtet.

Henning Ernst Müller

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