Standzeit kein Mangel des Gebrauchtfahrzeugs: Die Urteilsgründe des BGH liegen vor!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 31.03.2009

Über das Urteil vom 10. März 2009 - VIII ZR 34/08 des BGH habe ich bereits anhand der Pressemitteilung im Blog berichtet. Nun sind die Urteilsgründe auf http://www.bundesgerichtshof.de/ eingestellt. Hier auszugsweise die entscheidende Passage:

 

"...2. Gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

a) Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein gebrauchter Personenkraftwagen grundsätzlich dann, wenn er keine technischen Mängel aufweist, die die Zulassung zum Straßenverkehr hindern oder die Gebrauchsfähigkeit aufheben oder beeinträchtigen (Senatsurteil vom 10. Oktober 2007 - VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53, Tz. 18 m.w.N.). Da technische Mängel des Fahrzeugs vom Beklagten nicht behauptet werden und auch sonst nicht ersichtlich sind, ist diese Voraussetzung erfüllt.

b) Das Fahrzeug wies auch die Beschaffenheit auf, die bei einem Gebrauchtwagen üblich ist und die der Käufer erwarten kann. Bei einem Gebrauchtwagen ist, sofern keine besonderen Umstände gegeben sind, jedenfalls der normale alters- und gebrauchsbedingte Verschleiß üblich und hinzuneh-men. Welche Beschaffenheit üblich ist, hängt im Übrigen von den Umständen des Einzelfalles ab, wie beispielsweise dem Alter und der Laufleistung des Fahrzeugs, der Anzahl der Vorbesitzer und der Art der Vorbenutzung (Senatsurteil vom 10. Oktober 2007, aaO, Tz. 19 m.w.N.).

aa) Anders als das Berufungsgericht meint, lässt sich keine Aussage dahin treffen, dass eine Standzeit und Stilllegungsdauer von 19 Monaten bei einem Gebrauchtfahrzeug eine Beschaffenheit darstellt, die nicht mehr üblich ist und die der Käufer nicht erwarten musste. Eine allgemeingültige Antwort auf die Frage, welche Standzeit üblich ist und ab welcher Zeitspanne diese Grenze überschritten wird, ist schon deshalb nicht möglich, weil die Standzeit eines Gebrauchtwagens stark von der jeweiligen Marktlage abhängt. Aber selbst wenn feststünde, dass ein beträchtlicher Teil von Gebrauchtwagen, die hinsichtlich Fahrzeugtyp, Alter und Laufleistung mit dem verkauften Fahrzeug ver-gleichbar sind, ohne längere Standzeiten verkauft wird, führte eine solche, rein statistische Betrachtung nicht weiter. Jedenfalls kommt eine Orientierung an Durchschnittswerten nicht in Betracht, denn diese schließen nicht aus, dass es dennoch eine nicht unerhebliche Anzahl vergleichbarer Fahrzeuge gibt, die eine ähnlich lange Standzeit wie das verkaufte Fahrzeug aufweisen.

Außerdem lässt sich allein auf statistischer Grundlage keine Aussage dazu treffen, welche Käufererwartung hinsichtlich der Standzeit objektiv berechtigt ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Februar 2007 - VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351, Tz. 21 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Standzeit des Fahrzeugs für den Gebrauchtwagenkäufer nicht als solche, sondern allein im Hinblick auf mögliche standzeitbedingte Schäden (vgl. dazu AG Rottweil, DAR 1999, 369, 370; OLG Düsseldorf, DAR 2003, 318; ferner Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rdnr. 2141) von Interesse ist. Ob, an welchen Teilen, in welchem Umfang und nach welcher Standzeit sich derartige Mängel einstellen, hängt indessen von vielen Faktoren, insbesondere davon ab, unter welchen Bedingungen und mit welchen Vorsorgemaßnahmen ein stillgelegtes Fahrzeug abgestellt wird. Geschieht dies unter ungünstigen Bedingungen und/oder ohne fachmännische Vorbereitung, können schon nach kurzer Standzeit Korrosions- und andere Schäden auftreten. Umgekehrt kann bei fachmännischem Vorgehen der Zustand eines auch längere Zeit stillgelegten Fahrzeugs besser sein als der gleichaltriger Fahrzeuge ohne Standzeit.

bb) Deshalb ist hinsichtlich der Standzeit eines älteren Gebrauchtwagens (nicht eines Jahreswagens; siehe dazu oben unter 1) bei der Prüfung, ob das Fahrzeug im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB frei von Sachmängeln ist, grundsätzlich nicht auf die Standzeit als solche abzustellen, sondern darauf, ob bei dem Fahrzeug keine Mängel vorliegen, die auf die Standzeit zurückzuführen sind und die gleichartige Fahrzeuge ohne entsprechende Standzeit üblicherweise nicht aufweisen. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Standzeitbedingte Mängel sind vom Beklagten nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich...."

 

 

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2 Kommentare

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Herr Krumm,

a) Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein gebrauchter Personenkraftwagen grundsätzlich dann, wenn er keine technischen Mängel aufweist, die die Zulassung zum Straßenverkehr hindern oder die Gebrauchsfähigkeit aufheben oder beeinträchtigen (Senatsurteil vom 10. Oktober 2007 - VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53, Tz. 18 m.w.N.).

Dem stimme ich hier zu. Aber wie passt das zu der „Katalysator/Rußfilterentscheidung“ von neulich, die besagt das ein Neufahrzeug nicht mangelhaft ist, wenn ich gelegentlich damit auf Autobahnen längere Strecken mit hoher Geschwindigkeit zwingend zurücklegen muss um die Betriebsfähigkeit aller Komponenten zu erhalten?

Da wäre ich mal auf Meinungen gespannt.

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Herr Krumm,

a) Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein gebrauchter Personenkraftwagen grundsätzlich dann, wenn er keine technischen Mängel aufweist, die die Zulassung zum Straßenverkehr hindern oder die Gebrauchsfähigkeit aufheben oder beeinträchtigen (Senatsurteil vom 10. Oktober 2007 - VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53, Tz. 18 m.w.N.).

Dem stimme ich hier zu. Aber wie passt das zu der „Katalysator/Rußfilterentscheidung“ von neulich, die besagt das ein Neufahrzeug nicht mangelhaft ist, wenn ich gelegentlich damit auf Autobahnen längere Strecken mit hoher Geschwindigkeit zwingend zurücklegen muss um die Betriebsfähigkeit aller Komponenten zu erhalten?

Da wäre ich mal auf Meinungen gespannt.

 

An den umschaltbaren Editor muss ich mich noch gewöhnen.

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