eBay: 5,50 Euro für Porsche - trotzdem kein Schnäppchen, sondern Verstoß gegen Treu und Glauben

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 02.04.2009

Das ist doch mal wieder eine Entscheidung über die viele Kollegen in den nächsten Tagen reden werden: Das LG Koblenz hat laut Beck-Aktuell mit Urteil vom 18.03.2009 entschieden, dass ein Bieter bei eBay, der für 5,50 Euro einen Porsche wirksam ersteigert treuwidrig handelt, wenn er den Porsche nicht bekommt und daher Schadensersatz verlangt. Dies erstaunt schon etwas, da ja mittlerweile alle Wissen, wie die eBay-Versteigerungen ablaufen. Laut Beck-Aktuell der genaue Sachverhalt und die Gründe (hier gekürzt):

"Der Beklagte aus Koblenz bot am 12.08.2008 über das Internet-Auktionshaus eBay einen gebrauchten Porsche 911/997 Carrera 2 S Coupé zu einem Mindestgebot von einem Euro zur Versteigerung an. Der Wagen hatte einen Neuwert von mehr als 105.000 Euro, ist am 16.04.2007 erstmals zugelassen worden und wies eine Laufleistung von 5.800 Kilometer auf. Nach acht Minuten beendete der Beklagte, dem nach seinem Vorbringen bei der Einstellung des Angebots im Internet ein Fehler unterlaufen war, die Auktion vorzeitig. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger, ein Mann aus dem Raum Tübingen, bereits ein Kaufangebot in Höhe von 5,50 Euro für das Fahrzeug abgegeben.... Am gleichen Tag forderte der Kläger den Beklagten zur Mitteilung eines Übergabetermins und -orts für das Fahrzeug auf und bot die Zahlung seines Gebotsbetrags von 5,50 Euro an. Der Beklagte lehnte den Vollzug des Kaufvertrags ab. Mit seiner Klage hat der Kläger Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 75.000 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangt. Er beziffert den Wert des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Auktion auf mindestens 75.005,50 Euro....

...Das LG hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Zwar sei auf der Grundlage der Versteigerungsbedingungen von eBay ein Vertrag über den Kauf des Porsche zu einem Preis von 5,50 Euro wirksam zustande gekommen. Der Beklagte habe den Vertrag nicht wirksam wegen Irrtums angefochten. Der Beklagte sei dem Kläger grundsätzlich zum Schadenersatz verpflichtet, weil er die Erfüllung des Kaufvertrags verweigert habe. Der Schadenersatzanspruch sei jedoch nicht durchsetzbar, weil ihm der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenstehe (§ 242 BGB). Nach dieser Vorschrift ist der Schuldner verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben es mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern.Der Kläger, der den Wert des Fahrzeugs selbst auf mindestens 75.000 Euro beziffere, habe deshalb nicht davon ausgehen können, für das von ihm abgegebene Gebot von 5,50 Euro oder für das von ihm angegebene Höchstgebot von 1.100 Euro das Fahrzeug erwerben zu können. Es erscheine auch als ausgeschlossen, dass bis zum - regulären - Ende der Auktion keine weiteren, höheren Gebote für das Fahrzeug abgegeben worden wären. Der Kläger würde, so das LG, bei Anerkennung einer Schadenersatzpflicht des Verkäufers dafür «belohnt», dass der Beklagte schnellstmöglich versucht habe, die aus seiner Sicht fehlerhafte Auktion abzubrechen. Nach Überzeugung des Gerichts wäre bei Fortführung der Auktion ein Preis erzielt worden, der ein Vielfaches des Höchstgebots des Klägers ergeben hätte. Das Schadenersatzbegehren des Klägers sei deshalb unter Abwägung der jeweiligen Interessen nicht schutzwürdig."

 

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33 Kommentare

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Wenn ich denn mal in einer verträumten Nacht zum Staatsanwalt mutieren würde, käme ich auf die Idee, zu erforschen, ob es irgendeine Verbindung zwischen Kläger, Beklagten und den Prozessbevollmächtigten geben könnte und ob beide Parteien rechtsschutzversichert sind.

Kein Schelm, der nie Böses denkt.

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Sehr geehrter Herr Prof. Hoeren,

der Beitrag, auf den Sie verweisen, will das über die haftungsausfüllende Kausalität lösen. Aber deren Bezugspunkt ist doch die Pflichtverletzung, die in der Verweigerung der Erfüllung liegt, nicht im "schlampigen" ebay-Angebot. Letzteres wäre ein Fall der c.i.c., nicht? In der Entscheidung aber ging es um Schadensersatz aus Vertragsverletzung.

Mfg

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242? Da sträuben sich mir ja die Haare!

@Hoeren:

Würde man der Meinung des Kollegen folgen, den Sie dort verlinken (haftungsausfüllende Kausalität), so müsste man jedem eBayverkäufer raten, einen Fehler in seine Auktion einzubauen. Wird der gewünschte Verkaufspreis (Marktpreis) nicht erreicht, so storniert man einfach eben die Auktion. Der auf SchE pochende Höchstbieter wird nun mal schön darlegen müssen, was sein Schaden ist; Er muss nun belegen, dass der Wagen mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" zu dem Endpreis verkauft worden wäre. Also unter dem Marktwert. Was aber bitte ist der Marktwert, wenn nicht der typische Endpreis einer eBayversteigerung eines solchen Produktes?

Bleibt also möglicherweise ein negatives Interesse wg. Irrtumsanfechtung. Aber ob das oft überhaupt besteht...

 

Habe ich da einen Denkfehler?

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Der Bieter hat ein (An-)Gebot i.H.v. € 5,50 abgegeben. Demnach müsste im Abbruch der Auktion durch den Verkäufer die Annahme des Angebots gesehen werden?!

Ich bin bisher der Meinung gewesen, dass es bei ebay nur eine Angebotsannahme durch den Verkäufer gibt - und zwar konkludent; nämlich für das höchste (und damit vor Auktionsende letzte) Angebot.

Wie man dann in einem Auktionsabbruch die Annahme sehen kann, erschließt sich mir nicht ganz.

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ich verstehe den fall nicht bzw. stimme studjur zu. die funktion "auktion abbrechen" bricht die auktion, wie der name schon sagt, ab. in 5 jahren als ebay nutzer ist nach einer abgebrochenen auktion (vllt. 4-5 mal vorgekommen, ähnliche gründe wie oben) noch nie jemand auf die idee gekommen den artikel bei mir einzufordern. eben weil denen die bereits geboten haben angezeigt wird der artikel stehe nicht länger zum verkauf.

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Der Vertragsschluss kommt bei eBay folgendermaßen zustande: Das Einstellen des Artikels stellt - im Gegensatz zu dem invitatio ad offerendum - ein verbindliches Angebot ab unter der Bedingung mit demjenigen einen Vertrag zu schließen der zum Zeitpunkt des Zeitablaufs der Auktion der Höchstbietende ist. Die AGBs von eBay sehen vor, dass bei einem Abbruch der Auktion durch den Anbietenden trotzdem ein wirksamer Vertrag zustande kommt. So wie in vorliegendem Fall geschehen. Das Gericht zweifelt durchaus nicht an einem wirksamen Vertrag, sondern sieht es lediglich als einen Verstoß gegen Treu und Glauben an in diesem Fall Schadensersatz geltend zu machen. Leider habe ich das Urteil nicht im Wortlaut, da mich selber interessiert wie das LG diese Ansicht begründet.

 

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Man muss einfach sagen, dass "Treu und Glauben" ja i.d.R. schwer objektiv festzumachen ist. So wie es in der Zusamenfassung des Urteils klingt, ist mir hier zuviel "Billigkeit" Grundlage der Entscheidung. Hieran stoßen sich dann ja auch wohl zum Teil die Leser. Man darf daher sicher auf den genauen Urteilstext gespannt sein.

Aber interessant wäre auch, warum es oft zu solchen Abbrüchen der Auktionen kommt: Hier meldet sich dann ein Bieter und bietet schon mal außerhalb von eBay einen hohen Preis, bei dem der Verkäufer einfach schwach wird und mit fadenscheinigen Gründen aus der Auktion aussteigt...mich würde nicht wundern, wenn es hier auch so war.

Besonders interessant finde ich, dass das Gericht seine Entscheidung an der Höhe des Gebots festmacht (1.100 EUR). Nach den Entscheidungsgründen stünde der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung einem Kaufvertrag mit einem Preis von 5,50 EUR nicht entgegen, wenn der Kläger ein Maximalgebot abgegeben hätte, das dem Wert des KFZ entspricht.

Dennoch finde ich das Urteil im Ergebnis richtig (oder besser: gerecht). Ich hätte es aber eher auf § 313 Abs. 2, 3 BGB gestützt. Mit der Möglichkeit der Vertragsanpassung - die hier nicht greift - bietet diese Lösung grundsätzliche Vorteile. Die wesentliche Vorstellung, die zur Grundlage des Vertrages geworden ist und sicherlich von beiden Parteien geteilt wurde, ist, dass der Zuschlag nur zu einem wesentlich höheren Preis erfolgen wurde. Dem steht auch nicht entgegen, dass das KFZ zu einem Mindestgebot von 1 EUR eingestellt wurde. Bekanntermaßen sollen damit nur die eBay-Gebühren niedrig gehalten werden.

Aber auch diese Lösung (besonders die damit verbundene Änderung der Risikoverteilung) scheint mir alles andere als zwingend. Dogmatisch steht man wohl sicherer, wenn man einen einredefreien Anspruch annimmt.

 

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Bin ich eigentlich der einzige, der sich an den Ebay-AGB stört?

Wie auch in den Urteil zitiert lautet § 10 Nr.1 der AGB "[...] Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen. [...]"

Meines Erachtens bezieht sich der Rechtsbindungswille des Verkäufers aber ausschließlich auf Alt. 1 (Bei Ablauf der Auktion). Im Falle der Alt. 2 (bei vorzeitiger Beendigung) zeigt der Käufer doch, dass er gerade keinen Willen hat, vorliegend zu den aktuellen Konditionen einen Vertrag zu schließen. Die von ebay verwendete Klausel halte ich für ungültig. Ich meine, dass überhaupt kein KV zustande kam.

Nun würde bei dieser Lösung dem Verkäufer natürlich das Recht eingeräumt werden, jedes mal, wenn er mit dem Bietverlauf nicht zufrieden ist, seine Auktion ohne Sanktionen zu beenden.

Dem kann allerdings aus zwei Sichtweisen begegnet werden:

1) Als Bieter gibt man zwar eine verbindliche Willenserklärung ab. Da diese aber mit Abgabe eines höheren Gebotes durch einen Dritten erlischt, kann sich der Bieter bis Auktionsende sowieso nicht sicher sein, "Gewinner" der Auktion zu werden.

2) Das Gericht argumentiert mit § 242 genau richtig, da ein Porsche, so wie er eingestellt wurde, erfahrungsgemäß wohl viel höhere Gebote erfährt als 5,50€, zumal die Auktion schon nach acht Minuten beendet wurde.

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studiosus juris schrieb:

2) Das Gericht argumentiert mit § 242 genau richtig, da ein Porsche, so wie er eingestellt wurde, erfahrungsgemäß wohl viel höhere Gebote erfährt als 5,50€, zumal die Auktion schon nach acht Minuten beendet wurde.

Dagegen ist allerdings zu halten, dass der Bieter ja bei Abgabe des Gebotes gar nicht weiß, mit welchem Betrag sein Angebot erscheint. Giesen in Kommentar #12 spricht es ja schon an. Angenommen der Kläger hätte hier ein Gebot von 50.000 € abgegenen: Wenn das Vorgebot bei 5,49 € lag, steht er jetzt als Höchstbieter mit 5,50 € da.

Das grobe Missverhältnis kann also hier auch für den Bieter ganz ungewollt eintreten. Mir erschließt sich daher nicht so ganz, weshalb auch in einem solchen Fall (so verstehe ich dich) dem Bieter ein Rechtsmissbrauch entgegen gehalten werden soll. Er hat doch überhaupt nichts Verwerfliches getan, sondern vielmehr ein angemessenes Gebot abgegeben, gleichzeitig aber gehofft, dass der Endpreis möglichst niedrig ist. Das wollen aber doch alle Teilnehmer an Auktionen, das kann doch nicht rechtsmissbräuchlich sein.

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Der_Rufer_in_der_Wüste schrieb:

studiosus juris schrieb:

2) Das Gericht argumentiert mit § 242 genau richtig, da ein Porsche, so wie er eingestellt wurde, erfahrungsgemäß wohl viel höhere Gebote erfährt als 5,50€, zumal die Auktion schon nach acht Minuten beendet wurde.

Dagegen ist allerdings zu halten, dass der Bieter ja bei Abgabe des Gebotes gar nicht weiß, mit welchem Betrag sein Angebot erscheint. Giesen in Kommentar #12 spricht es ja schon an. Angenommen der Kläger hätte hier ein Gebot von 50.000 € abgegenen: Wenn das Vorgebot bei 5,49 € lag, steht er jetzt als Höchstbieter mit 5,50 € da.

Dagegen ist wiederum zu halten, dass bei einem -angenommenen- Gebot i.H.v. € 50.000 der Auktionsabbruch dennoch bei € 5,50 stattgefunden hätte. Zwar wäre er bis zum Gebot eines Dritten von € 50.000,50 oder mehr theoretisch noch Höchstbietender gewesen, in dem Zeitpunkt des Auktionsabbruchs (=Vertragsschluss) bleibt es aber bei € 5,50. Und bei einer Diskrepanz zwischen eigener Zahlungsverpflichtung und SchErs-Forderung von ~ € 70.000 halte ich daher die Anwendung des § 242 für berechtigt, wenn zudem Umstände hinzukommen, wie in vorliegendem Fall (siehe mein Punkt 1) sowie AGB-Problematik)

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@Herr Krumm,
in Ihrem Kommentar #9 meinen Sie, der vorzeitige Auktionsabbruch geschehe möglicherweise wegen eines günstigen Angebots außerhalb der Auktion. Mir ist nicht ganz klar, warum ein Käufer so ein Angebot außerhalb der Auktion machen sollte und warum sich der Verkäufer darauf einlassen sollte (auch generell fällt mir dafür schon kein Grund ein; 8 Minuten nach Beginn einer Auktion schon gar nicht). Hier hat der Verkäufer nach dem Einstellen offenbar kalte Füße gekriegt und befürchtet, der Porsche könne für zu wenig Geld weggehen.

@Rufer in der Wüste: Ich glaube, stud. iur. liegt hier richtig: Der Bieter hat hier zwar bei Gebotsabgabe nichts Verwerfliches getan, aber einzuklagen, dass ihm der Porsche für 5,50 euro übereignet wird, obwohl die Auktion von ihm nicht nach Ablauf der Auktionszeit "gewonnen" wurde, sondern schon nach acht Minuten beendet, erscheint mir auch rechtsmissbräuchlich.  

Beste Grüße
Henning Ernst Müller

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Mir ist nicht ganz klar, warum ein Käufer so ein Angebot außerhalb der Auktion machen sollte und warum sich der Verkäufer darauf einlassen sollte (auch generell fällt mir dafür schon kein Grund ein; 8 Minuten nach Beginn einer Auktion schon gar nicht).

Durch einen Abbruch der Auktion gibt es keine Verkaufsprovision für eBay; Macht ein potentieller Käufer ein gutes Angebote und verkauft man es ihm "unter der Hand", so verliert eBay einige %e der Provision!

Das kann schon einen guten Batzen Geld ausmachen!

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Ich empfinde das Ergebnis  zwar durchaus als „gerecht", aber rechtlich als falsch.
Ich kann nicht einsehen, wo hier der Rechtsmissbrauch liegen soll. Der Käufer hat sich völlig korrekt verhalten. Er hat ein Gebot abgegeben und war im Zeitpunkt des Abbruchs der Auktion Höchstbietender. Nach den ebay-AGB ist ein Kaufvertrag zustande gekommen, wovon auch das Gericht ausgeht. Der Käufer möchte nun den Kaufgegenstand übereignet haben bzw. nach Weigerung der Herausgabe Schadensersatz. Das ist sein gutes Recht und kann kein Rechtsmissbrauch sein.
Die Entscheidung ist rein ergebnisorientiert ergangen und hat mit Rechtssicherheit nichts zu tun. Mir gefallen auch nicht alle Gesetze und Vorschriften, daran halten muss (sollte) man sich doch.

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@HiG:

Stimmt, deshalb wäre es in meinen Augen sinnig gewesen, wenn das Gericht den § 10 der ebay-AGB kassiert hätte. Das Ergebnis wäre gleich geblieben, aber die Entscheidung dogmatisch nachvollziehbarer.

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@ studiosus juris:

Ich bleibe nicht überzeugt. Letztlich würde nach Ihrer Auffassung der online-Verkäufer ein unbegrenztes und grundloses Widerrufsrecht haben. Wieso sollte man ihm das aber gewähren?

Es ist sicher richtig, dass im Fernabsatz eine besondere Schutzbedürftigkeit besteht: Aber doch nur für den Verbraucher als Erwerber, dem ja auch §§ 312b ff. BGB zu Hilfe kommen. Nach Ihrer Auffassung wäre der Verkäufer ja noch stärker geschützt, sogar unabhängig von seiner Verbrauchereigenschaft und auch gegen einen Verbraucher. Das würde m. E. dem Sinn und Zweck gerade der EU-Fernabsatzrichtlinie entgegenwirken.

Daher halte ich die e-Bay-AGB hier für das einzige den Käuferinteressen entsprechende Regelung. Da sie weder überraschend noch einseitig benachteiligend ist, gibt es auch gar keinen Grund sie für unwirksam zu erklären.

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Der_Rufer_in_der_Wüste schrieb:

@ studiosus juris:

Ich bleibe nicht überzeugt. Letztlich würde nach Ihrer Auffassung der online-Verkäufer ein unbegrenztes und grundloses Widerrufsrecht haben. Wieso sollte man ihm das aber gewähren?

Es ist sicher richtig, dass im Fernabsatz eine besondere Schutzbedürftigkeit besteht: Aber doch nur für den Verbraucher als Erwerber, dem ja auch §§ 312b ff. BGB zu Hilfe kommen. Nach Ihrer Auffassung wäre der Verkäufer ja noch stärker geschützt, sogar unabhängig von seiner Verbrauchereigenschaft und auch gegen einen Verbraucher. Das würde m. E. dem Sinn und Zweck gerade der EU-Fernabsatzrichtlinie entgegenwirken.

Daher halte ich die e-Bay-AGB hier für das einzige den Käuferinteressen entsprechende Regelung. Da sie weder überraschend noch einseitig benachteiligend ist, gibt es auch gar keinen Grund sie für unwirksam zu erklären.

Wie oben schon geschrieben: Wer als Verkäufer eine Auktion abbricht, bringt m.E. gerade zum Ausruck keinen Vertrags-/Rechtsbindungswillen zu haben. Ihm dies per AGB aufzudrücken finde ich -ohne Rücksicht auf eventuelle Rechtsfolgen- überraschend und daher nichtig.

 

Zudem würde dem Verkäufer nicht wie Sie denken ein unbegrenztes Widerrufsrecht zustehen, da ich, wie oben schon geschrieben, auf die Diskrepanz des mutmaßlich erzielten Preises und dem aktuellen Höchstgebot abgstellt habe.

  • Hätte der VK die Auktion eine Stunde vor Schluss bei € 50.000,00 abgebrochen wäre die rechtliche Beurteilung (auch unter Gesichtspunkten des §242) anders gewesen

Zudem

  • Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Auktionsabbruch 8 Minuten nach Beginn (!) erfolgte und der Verkäufer gar keine Kenntnis davon hatte (haben konnte!), das mittlerweile schon Gebote erfolgt sind.

Deshalb würde ich bei ebay-Auktionen eine Annäherung an die "invitatio ad offerendum" für nötig erachten, um den Verkäufer davor zu schützen, dass ein für ihn deutlich ungünstiger Vertrag unmittelbar nach Auktionsstart dadurch zustande kam, dass er z.B. einen Fehler ausbessern wollte.

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@ studiosus

Ihre Argumentation ist widersprüchlich.

Wenn - nach Ihrer Auffassung -  durch einen Abbruch einer Auktion kein Vertrag zustande kommen kann, wieso sollte dann die rechtliche Beurteilung von dem Zeitpunkt eines Abbruchs abhängen? Auch 1 Sekunde vor Ende der Auktion würde dann noch kein Vertrag vorliegen.

Im Übrigen ist es gerade Sinn und Zweck einer Auktion, dass mit dem Höchstbietenden, unabhängig von der Person und von der Höhe des Gebots, ein Vertrag geschlossen wird. Ein Rechtsbindungswille liegt mit Erstellung der Auktion somit vor. Könnte der Versteigerer jederzeit einfach die Auktion abbrechen, weil ihm z.B. die Gebote zu niedrig sind oder ihm ein besseres Angebot außerhalb der Auktion vorliegt, widerspreche das dem Sinn und Zweck einer Auktion. Man könnte sich das Ganze sparen und die Sachen gleich normal verkaufen, was bei ebay ja auch möglich ist.

Aus diesen Gründen vermag ich nicht zu erkennen, wieso die fragliche Klausel überraschend sein soll. Ich halte sie ihm Gegenteil geradezu für logisch zwingend.

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HiG schrieb:

Im Übrigen ist es gerade Sinn und Zweck einer Auktion, dass mit dem Höchstbietenden, unabhängig von der Person und von der Höhe des Gebots, ein Vertrag geschlossen wird. Ein Rechtsbindungswille liegt mit Erstellung der Auktion somit vor. Könnte der Versteigerer jederzeit einfach die Auktion abbrechen, weil ihm z.B. die Gebote zu niedrig sind oder ihm ein besseres Angebot außerhalb der Auktion vorliegt, widerspreche das dem Sinn und Zweck einer Auktion. Man könnte sich das Ganze sparen und die Sachen gleich normal verkaufen, was bei ebay ja auch möglich ist.

 

Richtig, ich habe mich missverständlich ausgedrückt:

Ich bin der Ansicht, dass hinsichtlicher der meines Erachtens ungültigen AGB-Klausel vorliegend kein Vertrag zustande kam.

Das Abstellen auf den Zeitpunkt war das Argument des Landgerichts; dieses Argument halte ich auch für nachvollziehbar.

Bezüglich Ihres Zitats:

Der Vertrag kommt ja erst gültig zustande, wenn die voreingestellte Zeitspanne abgelaufen ist. Der Rechtsbindungswille bezieht sich ja auch auf das Höchstgebot bei Auktionsende und nicht auf etwaige vorherige Gebote. Es wird ja schließlich nur ein Vertrag geschlossen - nämlich der am Auktionsende mit dem Höchstbietenden.

Dass ein Auktionsabbruch dem Sinn einer Auktion zuwiderlaufe, vermag ich nicht zu erkennen. Schließlich gibt zwar der Bieter ein bindendes Angebot ab, kann sich  aber dennoch nicht sicher sein, den Zuschlag zu erhalten, da er ja noch überboten werden könnte.

Ob er nun von einem Dritten überboten wird, oder der VK die Auktion abbricht, macht in meinen Augen keinen Unterschied. Diesen Punkt können Sie aber gerne anders sehen ;)

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studiosus juris schrieb:

Der Rechtsbindungswille bezieht sich ja auch auf das Höchstgebot bei Auktionsende und nicht auf etwaige vorherige Gebote. Es wird ja schließlich nur ein Vertrag geschlossen - nämlich der am Auktionsende mit dem Höchstbietenden.

Eben. Und wenn die Auktion abgebrochen wird, dann ist sie ganz offensichtlich zu Ende. Wenn es dann einen (Höchst)bietenden gibt, wurde auch ein Vertrag geschlossen.

studiosus juris schrieb:

Ob er nun von einem Dritten überboten wird, oder der VK die Auktion abbricht, macht in meinen Augen keinen Unterschied.

Doch, einen sehr entscheidenden. Auf die Gebote anderer, hat keiner der (Vertrags)parteien Einfluss. Ob der Verkäufer seine Auktion abbricht, liegt ganz allein in seiner Sphäre.

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ad 1) Auktionsabbruch und Vertragsschluss lassen sich m.E. (nicht nur vom Sprachgefühl her) nicht miteinander vereinbaren. Deshalb schrieb ich ja oben, dass ich beim Einstellen einer Auktion eher eine Annäherung an die invitatio ad offeredum suchen würde und nur bei gültigem Zeitablauf ein Vertragsschluss mit dem Höchstbieter erfolgt.

 

ad 2) Meiner Ansicht nach ist es egal, in wessen Sphäre es lag, dass man als Bieter den Artikel nicht bekommt / kein Vertragsschluss zustande kam. Ob durch Überbieten oder Auktionsabbruch. Aber wie gesagt, ich verstehe auch Ihre Argumente.

 

Prinzipiell dürfte es doch an dieser Stelle ein kaum praxisrelevanter Streit sein, denn meistens, wenn Verkäufer mit dem Bietverlauf nicht zufrieden sind, werden diese einfach einen Freund bitten, das Gebot hochzutreiben. Zumindest bekommt man diesen Eindruck, wenn man bei Google nach "Scheinbieter" o.ä. sucht.

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2. Fragen

Kann man bei Ebay nicht ein höheres Mindesgebot einstellen?

Wenn ja, wieso hat man es nicht über eine Anfechtung gelöst? Stichwort Tippfehler beim Mindestgebot.

Grüße

 

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Der Kläger hätte nicht auf Schadensersatz klagen dürfen, sondern auf Herausgabe des von Ihm ersteigerten Artikels. Wenn diese nicht erfolgen hätte können, wäre es sinnvoll gewesen den Schaden vom Richter durch einen Gutachter ermitteln zu lassen. Der Schadenersatz ist nicht durchsetzbar, da der Kläger den Schaden selbst beziffert hat und somit klar ist, dass dem Kläger offensichtlich bekannt ist welcher Preis entstanden wäre. Somit ist nicht klar, ob er soviel bezahlt hätte und Höchstbieter geworden wäre. Er hat sich vor dem Richter quasi selbst ins Knie geschossen. Völlig richtig entschieden. Verstoss gegen Treu und Glauben eben. Denn der Kläger hat gewusst, dass er den Wagen nie bekommen hätte für sein Höchstgebot von 5,50. Sehr guter Anwalt der Beklagtenseite, der Beklagte fährt nicht umsonst Porsche. 

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Es sei dahingestellt, wie lebenswichtig der konkrete Fall ist. Wer einen Porsche für 1 € zur Auktion freigibt, weil er damit Gebühren spart, hat nicht alle Latten am Zaun, wer meint mit 5,50 € einen Schadenersatz-Hebel auf 70.000 € erworben zu haben, wohl ebenso. Was in diesem Kontext mit dem Wort "Gerechtigkeit" gemeint sein soll, erschließt sich mir grundsätzlich nicht. Unabhängig davon, könnte man an einem solchen Fall die geltenden Regeln, deren Auslegung und Folgewirkungen ganz gut nachvollziehen und damit insbesondere Rechtsanwendungsmethoden auf ihre Schlüssigkeit prüfen.

Auffällig ist, dass sich unter Juristen stattdessen voneinander abweichende Meinungen etablieren, die sich am konkreten Fall oder einer Fallgruppe herausbilden und dann um den Status der herrschenden Rechtsmeinung ringen. Also alles Auslegungssache und eines Frage des Status der Meinung. Die herrschende Rechtsmeinung als Maßstab der Rechtsanwendung. Auf Metaebene entstehen somit auch verschiedene Rechtsschulen, die mit den gleichen Fällen verschiedenartig umgehen und sich daher auch fallfixiert selbst definieren.  

Da fehlt mir insgesamt Schlüssigkeit. Denn Schlüssigkeit sehe ich als Prüfung auf Widersprüche mit dem Ziel eine verbindliche Auslegung ohne Widersprüche zu finden. Ist eine Auslegung widersprüchlich, dann ist sie nicht schlüssig. Mindestens solange wie es eine andere schlüssige Auslegung gibt oder nach Vermutung geben könnte, kann die widersprüchliche Auslegung keine Geltung bekommen. Findet man keine schlüssige Auslegung, dann hat das Regelwerk ein Problem und müsste eigentlich überprüft und verändert werden. Das kann dann eine schlüssige Ausnahmeregel sein oder eine veränderte Standardregel, die den Fall oder die Fallgruppe widerspruchsfrei miteinbezieht.

Wenn nun aber in einer Sache tatsächlich verschiedene, unvereinbare Auslegungen von Regeln jeweils für sich Schlüssigkeit behaupten, dann kann das nur an grundlegend verschiedener Methodiken der Auslegung liegen, die wiederum selbst miteinander unvereinbar sind. Das würde aber bedeuten, dass in der Rechtslehre keine verbindlichen Methoden der Auslegung existieren. Ob das wiederum ein Naturgesetz oder doch nur ganz schlicht ein Mangel an wissenschaftlicher Durchdringung der Materie ist, müsste mal durch verbindliche Methodik geprüft werden. Das wäre dann sozusagen der Masterfall der Methodenanwendung im Recht.      

 

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Rechtsregeln sind Texte, die auf Anwendung eines sozial relevanten Sachverhalts in der Außenwelt hin geprüft werden. Gibt es denn Ihrer Ansicht nach nur eine gültige Regel für die Interpretation von Texten? Oder für die Bestimmung der sozialen Relevanz von Sachverhalten? In der juristischen Diskussion geht es doch gerade darum, die Schlüssigkeit der eigenen Argumentation zu belegen und die der abweichenden Auffassung zu widerlegen. Halte ich für einen wissenschaftlichen Ansatz. Zwar mag praktisch zunächst derjenige mit Entscheidungsmacht, also idR die Richter, eine Marschroute vorgeben, muss sich damit jedoch der allgemeinen Diskussion stellen. Ich kann verstehen, dass der Streit unter Juristen für Rechtssuchende ein Problem ist, sehe aber keine Alternative...

Ergänzend: Es gibt natürlich auch Fragen in der Rechtsanwendung, bei denen unter schlüssigen Argumenten allein die Überzeugungskraft entscheidet, was zu zulässigen voneinander abweichenden Lösungen führen kann. Dies sind in erster Linie alle Fragen, bei denen auf Voraussetzungs- (zB "auffälliges Missverhältnis", § 138 II BGB) oder Rechtsfolgenseite (zB "billige Entschädigung", § 253 II BGB) der Norm ein Wertungsakt erforderlich ist. Das ist in Randfragen ohnehin kaum auszuschließen. So werden der Besitz im Zivilrecht und der Gewahrsam im Strafrecht zwar grundsätzlich als "tatsächliche Sachherrschaft" definiert, deren Reichweite aber unter dem Gesichtspunkt der Verkehrsanschauung näher bestimmt wird. Und dann stellt sich zB im im Selbstbedienungsladen die Frage, ob der Gewahrsam mit Ergreifen, Einlegen in den Korb, Einstecken unter die Jacke oder Verlassen des Ladens übergeht. Spielen Art und Größe des Gegenstandes, die Ausgestaltung des Ladens (Kassen vor dem Ausgang im Supermarkt oder irgendwo im Kaufhaus) und eine evtl. Beobachtung durch Angestellte eine Rolle? Hier lässt sich eine ganze Menge schlüssig vertreten. Eine Diskussion ist gleichwohl nötig.

Diese Probleme häufen sich - um den Bogen zum hier besprochenen Fall zu schlagen - bei Normbestandteilen, wie denen von Treu und Glauben. Worauf darf man sich in einer bestimmten Geschäftssituation verlassen? Wer sind die beteiligten Kreise - hanseatische Kaufleute oder Paten der Wettmafia? Ich meine, dass sich auch hier im Einzelfall rationale Argumente finden und diskutieren lassen, ohne dass es natürlich eine allein richtige "Meinung" hierzu geben kann, zumal sich entsprechende Vorstellungen im Laufe der Zeit ja auch wandeln.

Der Streit darüber, inwieweit es zulässig und sinnvoll ist, solche Bewertungsspielräume zu eröffnen, ist wahrscheinlich so alt wie die Rechtswissenschaft. Die Gegenpole sind hier Flexibilität und Einzelfallgerechtigkeit einerseits, Rechtssicherheit andererseits. Gesicherte Erkenntnis ist allein, dass es ganz ohne nicht geht - ansonsten muss die Frage der Sinnhaftigkeit durch den Gesetzgeber, die der Zulässigkeit letztlich durch das BVerfG geklärt werden.

 

Danke Herr Obermann, dass Sie meine Frage aufnehmen. Es ist gewiss so, dass ich nicht DIE Antworten parat habe. Ich sehe ein grundlegendes Problem, erkenne auch an, dass man sich darüber auch schon seit längerer Zeit Gedanken gemacht hat. Aber Anwendungsprobleme gibt es nicht nur im Rechtswesen. Nicht nur im Rechtswesen hat man es mit der Dialektik zwischen Theorie und Praxis, Regel und Ausnahme, Objektivität und Subjektivität oder auch Rationalität und Irrationalität zu tun. Gern wird ja durch Juristen betont, dass Rechtstheorie und Rechtsanwendung nicht in naturwissenschaftlicher Form gedacht werden kann, weil es dabei um Menschen geht. Dieses Argument könnte lustig sein, wenn es nicht so tiefgreifend nebulöse Wirkung entfalten würde. Abgrenzungsprobleme und Unvereinbarkeiten von Theorien, Methoden und Praktiken gibt es in allen Wissenschafts- und Lebensbereichen. Wer z.B. Benzin statt Diesel tankt, spart offensichtlich kein Geld, könnte aber heutzutage die Fehlbetankung mit seinem sehr naiven Umweltbewusstsein begründen und auch damit, dass es ja so leicht zu machen war. Der Motorschaden kann aber sehr schnell eintreten und die Kosten gehen in die Tausenden. Wer dagegen Diesel statt Benzin tanken will, scheitert i.d.R. schon beim Versuch, weil die Zapfpistole gar nicht passt. Das scheint demnach wohl gefährlicher zu sein. Super-Ingo hatte Lacher in allen Wohnstuben, bis die Zapfpistolen und Einfüllstutzen der Dieselfahrzeuge verändert wurden. Abgesehen davon könnte aber Geldsparen, Steuerbetrug und bis vor Kurzem sogar auch naives Umweltbewusstsein das Motiv einer Fehlbetankung Diesel statt Super sein. Die Steuervergünstigung des Diesels wurde zumindest in Werbebotschaften mit dem "sauberen Diesel" verknüpft. Aus den Tatsachen an der Tankstelle ließe sich ohne Kenntnis der Hintergründe also schließen, dass es schädlicher sein muss Diesel statt Benzin zu tanken. Wenn ich auf diesem Wissensniveau Entscheidungen treffe, unterscheidet sich das erheblich von dem, was bei einem tieferen Verständnis der Zusammenhänge möglich und eigentlich auch notwendig ist. Man kann nun also auf dem naiven Niveau sehr komplexe Erklärungsmodelle entwickeln, die sich wegen der erheblichen Widersprüche kaum miteinander vereinigen lassen. Damit wäre man einerseits dicht am Menschlichen der Irrtümer und Verfehlungen dran, andererseits überfordert aber die Komplexität und Widersprüchlichkeit der Erklärungsmodelle. Man braucht zum Ausgleich Narrtive, Deutungsschulen und herrschende Meinungen.  Man könnte aber auch gerade wegen der faktischen Naivität von Annahmen bewusst hinter die Kulissen schauen, um Tatsachen und Irrtümer transparent zu machen. Das könnte nicht nur neue Einsichten in der Sache, hier zu Diesel oder Benzin hervorbringen (ich weiß, dafür ist die Justiz nicht zuständig), aber eben auch in den juristisch relevanten Fragen. Wer hat welches Interesse an welchem Narrativ, wie funktioniert Deutungsherrschaft über Tatsachen, warum weiß der Verbraucher wenig oder Falsches darüber? Das würde einerseits im konkreten Fall substantiiert zur Aufklärung beitragen und andererseits im Allgemeinen die Narrative, Deutungsmuster und herschenden Meinungen einer ständigen Qualitätsprüfung unterziehen. So wird es in naturwissenschaftlichen Anwendungen durch Menschen gemacht oder sollte es jedenfalls. Niemand kommt auf die Idee einen Fehlglauben bis zum Zeitpunkt X als gültig weiterzutragen, bis sich jemand am Tage X als "Herrschender" der Meinung durchsetzen kann. Was falsch ist, war auch vor dem Tag X falsch und die Methoden, die Falsches als herschende Meinung konserviert haben, müssen überprüft werden. Das ist doch eigentlich klar.            

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Sehen Sie, da sind wir hinsichtlich des grundsätzlichen Anspruchs einer Meinung. Natürlich werden auch in der Juristerei Heuristiken herangezogen, die in bestimmter Form unvermeidbar sind, soweit sie verlässliche Abbilder der Realität sind - ohne sie wären Entscheidungen schlicht nicht möglich. Und natürlich ist die Psyche von Juristen für eine "gute Story" genau so anfällig, wie die anderer Leute - was mitunter den Blick auf das verstellt, was wirklich Sache ist. Getroffene Entscheidungen so auf ihre Haltbarkeit zu überprüfen und ggf. zu kritisieren ist Gegenstand und Aufgabe der Rechtswissenschaft mit ihren Methoden.

Hier gilt prinzipiell der gleiche Anspruch wie in jeder anderen Wissenschaft, dass jeder Stand der Erkenntnis nur so lange Gültigkeit haben kann, wie er nicht wiederlegt wurde. Und hier wie dort erfordert dies häufig auch den Kampf gegen "Autoritäten" und "hMen", die sich häufig anscheinend von selbst multiplizieren. Und ja, selber denken und hinterfragen ist anstrengend und braucht manchmal einen Anstoß von außen, zB durch eine gesellschaftspolitische Diskussion. Das ist aber hier nicht anders als in der Naturwissenschaft - der Weg von der Annahme, dass sich die Sonne um die Erde drehe über den Heliozentrismus bis hin zur (aktuell wohl gültigen? korrigieren Sie mich bitte) Annahme, dass beides das selbe sagt, weil alle Bewegungen relativ sind, war auch nicht in Tagen zu bewerkstelligen...

Ich glaube, in diesem Grundsatz sind wir uns einig. Möglicherweise uneins sind wir uns über das Maß, in welchem die Rechtswissenschaft dies leistet und die Praxis dies umsetzt - wobei meine Einschätzung sicherlich nicht unparteiisch ist und  Ihre evtl. auch durch persönliche Erfahrungen beeinflusst wird. Eine empirische Erhebung wäre sicherlich spannend... Jedenfalls im Strafrecht wird aber der (Mangel an?) Einfluss der Wissenschaft auf die Praxis durchaus auch diskutiert.

 

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