Frankreich: Internet kann bei Urheberrechtsverletzungen gekappt werden ("Three Strikes Out")

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 03.04.2009

Die französische Nationalversammlung hat gestern das umstrittene Gesetz zur Einführung von Netzsperren (Three-strikes out: http://www.assemblee-nationale.fr/13/dossiers/Internet.asp ) in wesentlichen Teilen auf den Weg gebracht:  

Nach den vorliegenden Informationen kann danach Urheberrechtsverletzern nach zweimaliger Warnung der Internet-Anschluss gekappt werden. Hierzu wird eine Behörde HADOPI (Haute Autorité pour la diffusion des oeuvres et la protection des droits sur Internet) eingerichtet, die Verstöße gegen das Urheberrecht registrieren und über die Provider Warnungen an die Nutzer verschicken. Beim dritten registrierten Verstoß können Netzsperren zwischen zwei und zwölf Monaten verhängt werden. Es erfolgt ein Eintrag in eine zentrale Datenbank, (Artikel 331-31), so dass der Beschuldigte auch bei keinem anderen Provider einen Vertrag abschließen kann. Das Gesetz sieht vor, dass der Inhaber des inkriminierten Anschlusses in beiden Anschreiben nicht darüber informiert wird, welche urheberrechtlich geschützten Dateien er heruntergeladen oder zur Verfügung gestellt haben soll. Auch soll keine Einspruchsmöglichkeit gewährt werden.

Der Tageszeitung La Liberation zur Folge (http://www.ecrans.fr/Hadopi-Oui-au-filtrage,6845.html) sind Richter zudem befugt, Serviceprovidern vorzuschreiben, einschlägige Internetseiten, die Urheberrechtsverletzungen begünstigen, komplett zu sperren.

Scheitern könnte das französische Gesetz allerdings an den Verhandlungen des EU-Reviews: Hier ist vorgesehen, dass Nutzern ohne richterlichen Beschluss der Anschluss nicht gekappt werden darf.

Denkbar ist auch, dass der frz. Verfassungsrat (Conseil Constitutionnel) das Gesetz kippt.

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4 Kommentare

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Offenbar gibt es nicht nur in Deutschland Probleme mit der Wahrung von Bürgerrechten: "Das Gesetz sieht vor, dass der Inhaber des inkriminierten Anschlusses in beiden Anschreiben nicht darüber informiert wird, welche urheberrechtlich geschützten Dateien er heruntergeladen oder zur Verfügung gestellt haben soll. Auch soll keine Einspruchsmöglichkeit gewährt werden." - Unfassbar.

 

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Defizite im Demokratieverständnis drücken sich auch in Formalien aus:

Frankreich hat rd. 65 Millionen Bürger. Immerhin sechzehn Parlamentarier haben über das Gesetz (12 zu 4) nachts um 23.45 abgestimmt. Sitze hat das Parlament über 500.

Wenn ich den Artikel und die Kommentare richtig lese, wurde die Abstimmung eigentlich eine Woche später angesetzt, dann aber "doch noch" vorgezogen --vielleicht passend zur Anzahl und Parteizugehörigeit der dann noch Anwesenden.

Aus dem dort verlinkten Artikel

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Après 41 heures et 40 minutes d'une discussion passionnée sur le texte, il ne restait qu'une poignée de courageux députés autour de 22H45 jeudi soir lorsque l'Assemblée Nationale a décidé, sur instruction du secrétaire d'Etat Roger Karoutchi, de passer immédiatement au vote de la loi Création et Internet, qui n'était pas attendu avant la semaine prochaine.

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http://opendotdotdot.blogspot.com/2009/04/hadopi-law-passed-by-12-votes-...

(gefunden bei fefe´s blog)

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Wahnsinn. Mit 12 Stimmen angenommen. Reife Leistung! Beängstigend aber auch, dass in Deutschland gleichfalls kein Quorum für normale Gesetzesbeschlüsse besteht...

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Neue Entwicklung: Wie der heutigen Ausgabe der Tageszeitung Le Monde zu entnehmen ist, hat die französische Nationalversammlung das Gesetz nun doch abgelehnt. Möglich war dies, da nicht genügend Abgeordnete der Regierungspartei UMP anwesend waren und es somit der Opposition gelang, den vom Senat vorgeschlagenen Gesetzesentwurf abzulehnen. Denkbar ist, dass das Gesetz erneut in einer weiteren Lesung nach den Osterferien eingebacht wird.

Link: http://www.lemonde.fr/technologies/article/2009/04/09/le-parlement-rejette-le-projet-de-loi-creation-et-internet_1178838_651865.html#ens_id=1162478)

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