Wo sollen amerikanische Folter-Verantwortliche vor Gericht gestellt werden? In Spanien? In Deutschland? Oder in den USA?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 07.04.2009

Der spanische Untersuchungsrichter Garzon, der mit seiner Verfolgung des chilenischen Diktators Pinochet im Jahr 1998 bekannt wurde, hat vergangene Woche aufgrund einer Klage gegen Ex-US-Justizminister Gonzalez und fünf Rechtsberater der Bush-Regierung ein Strafverfahren eingeleitet. (zum Inhalt der Vorwürfe, siehe hier)

Die Verfolgungsmaßnahme hat in konservativen Kreisen der USA, insbesondere auch unter Juristen, Empörung ausgelöst. Man hält es schlicht für rechtlich unhaltbar, dass die spanische Justiz sich anmaßt, Verantwortliche fremder Regierungen wegen Menschenrechtsverletzungen zu verfolgen. Spanien habe mit dieser Sache nichts zu tun und wenn die Weltgemeinschaft eine Anklageerhebung zulasse, könne man in Zukunft den diplomatischen Verkehr nicht mehr vernünftig gestalten.

In einem Artikel des weekly standard führen die Rechtswissenschaftler Rabkin und Loyola aus, es handele sich um eine neue spanische Inquisition. Unter anderem führen sie an, das spanische Rechtssystem und die Juristenausbildung dort seien im Vergleich mit dem amerikanischen von zweifelhafter Qualität. Heulen da getroffene Hunde? Oder hat die Argumentation etwas für sich?

Zwei Aspekte werden allerdings in diesen empörten Stellungnahmen  meist nicht berücksichtigt:
Erstens kann sich Spanien auf fünf spanische Staatsbürger bzw. Residenten beziehen, die in Guantanamo gefangen gehalten wurden und behaupten, dort gefoltert worden zu sein - ein Vorwurf, der angesichts der bekannt gewordenen Tatsachen nicht ganz unglaubhaft ist. Insofern würde sich Spanien also nicht in rein amerikanische Affären einmischen.

Zweitens hat die us-amerikanische Justiz selbst jüngst unter Berufung auf das Weltrechtsprinzip einen Diktator nämlich Charles Taylor, den früheren Diktator von Liberia angeklagt, und zu 97 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Auch dessen Sohn soll der Prozess gemacht werden.

Allerdings wirft das Vorgehen des spanischen Richters noch einmal ein Schlaglicht auf Bemühungen der neuen US-Administration, diejenigen, die Entführungen und (mindestens in einem Fall tödliche) Folter anordneten, vor Gericht zu bringen. Wir erinnern uns, dass auch die hiesige Bundesanwaltschaft eine Strafanzeige gegen Rumsfeld u.a. mit dem Hinweis auf die vorrangige Aufklärung durch die US-Justiz zurückwies. Denn es wäre natürlich am besten, wenn eine gerichtliche Aufklärung in den USA erfolgte.

Gibt es solche Bemühungen? Ein neuer Bericht in Newsweek lässt aufhorchen:

Danach wird im Weißen Haus derzeit darum gestritten, ob weitere Memoranden zur Folter durch den CIA, die 2005 entstanden sein sollen (also weit nach der Aufdeckung des Abu Ghraib Skandals) zur Veröffentlichung freigegeben werden sollen. Justizminister Eric Holder ist dafür, aber er bekommt derzeit starken Gegenwind. Offenbar sind diese Memoranden so „heiß", dass der CIA mit aller Kraft die Veröffentlichung verhindern will. Wenn die Obama-Administration sich schon mit dieser Freigabe nicht durchsetzen können sollte, um wie viel unwahrscheinlicher ist dann ein Strafverfahren gegen die ehemaligen Regierungsmitglieder?

[Schließlich ein bisschen Eigenreklame. in der jüngst erschienenen Festschrift für Ulrich Eisenberg, habe ich mich mit den kriminologischen Aspekten der Staatsführungskriminalität am Beispiel der Folterungen und Misshandlungen in Abu Ghraib und Guantanamo befasst.]

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

8 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Sehr geehrter Herr Prof. Mueller,

Sie machen mir Freude. Ein Prof., der auch mal die heissen Eisen anpackt und den Kontakt mit dem politischen  Argument nicht scheut. Weiter so!

Zur Sache ist zu sagen, dass die Verfolgung durch die spanischen Behoerden mit einer 'Inquisition' schlicht nichts zu tun hat. Man muss daran erinnern, dass viele europaeische Staaten explizite voelkerstrafrechtliche Kodifikationen haben, in denen ausdruecklich Voelkerstraftatbestaende geregelt werden, die auch ohne Bezug zum Inland verfolgt werden duerfen.

So heisst es in § 1 des deutschen Voelkerstrafgesetzbuch:

'Anwendungsbereich

Dieses Gesetz gilt für alle in ihm bezeichneten Straftaten gegen das Völkerrecht, für die in ihm bezeichneten Verbrechen auch dann, wenn die Tat im Ausland begangen wurde und keinen Bezug zum Inland aufweist.'

Dies ist auch sinnvoll, denn es gibt eben Dinge, die darf es nicht geben. Und die gehen uns alle etwas an.

Das Argument von Rabkin und Loyola, es handele sich um eine neue spanische Inquisition, muss man also so verstehen, dass sie das Weltrechtsprinzip nicht wollen.

0

Meine Antwort auf die eingangs gestellte Frage: die juristische Aufarbeitung von Guantánamo und dem Irak-Krieg sollte in den USA erfolgen - und nicht nur in Spanien, sondern auch in den USA tut sich da was.

Ich bin sehr froh, dass Sie, lieber Herr Kollege Müller, das Thema nochmals aufgreifen, das mir von Beginn an des Beck Blogs ein Anliegen war!

Herr ralf, danke für die Blumen, aber ich bin in diesem Thema blogmäßig tatsächlich beim Kollegen v. Heintschel-Heinegg in die Lehre gegangen und habe hier nur einmal sekundiert.

Tatsächlich glaube ich - bei allen guten Vorsätzen und auch Ansätzen der Obama-Regierung - , dass sie dieses Eisen nicht anpacken wird. Kollege v. Heintschel-Heinegg ist da etwas optimistischer. Wir werden sehen und auf keinen Fall den Ball aus den Augen verlieren.

 

Einen besonderen Aspekt hat heute die Washington Post beleuchtet: Angeblich waren bei manchen CIA Aktionen wie "Water Boarding" Abgesandte des Roten Kreuzes zugegen, angeblich um sicherzustellen, dass der Betroffene keine bleibenden Schäden davon trug.

http://voices.washingtonpost.com/white-house-watch/looking-backward/007how-many-others-were-tortured.html?hpid=opinionsbox1

Grüsse aus Washington

Die amerikanische Ärzte-Organisation "Physicians for Human Rights (PHR)" versucht seit Jahren eine Aufklärung dieses unrühmlichen Kapitels der Medizin. Die auf der website erhältlichen Reports geben erschreckende Auskunft über die Verwicklung von Medizinern in die Folterstrategie der Bush-Regierung, aber auch über Folgen der Folterungen.

 

 

Wer evt. Hilfe oder gar RECHT bei der Bundesanwaltschaft sucht dürfte enttäuscht werden.
Hier meine diesbezüglichen Klagen:
http://www.paradies-auf-erden.de/widerstand/merkel.html
http://www.paradies-auf-erden.de/widerstand/general.html

Dass die US-Regierungen keine internationalen Gerichte anerkennen wenn es um die eigenen Verbrechen geht ist nachvollziehbar und seit der Verurteilung wegen der Terroranschläge in Nicaragua belegt. Es ist bezeichnend für das Rechtverständnis von Regierungen und Juristen, dass sie dennoch diese US-Regierungen anerkennen...

0

Zur Erinnerung: "Meine Regierung foltert nicht", beteuerte der ehemalige US-Präsident Bush noch im Oktober 2007.

Leider lässt sich die Beteiligung der Mediziner bei der Verhörpraxis der CIA unschwer bis in das Dritte Reich zurückverfolgen (anschaulich Egmont R. Koch "Die CIA-Lüge. Folter im Namen der Demokratie", 2008.

Kommentar hinzufügen