Risiken und Nebenwirkungen von Gerichtsmediation

von Dr. Thomas Lapp, veröffentlicht am 08.04.2009

Eine Entscheidung des BGH (NJW 2009, 1149) zeigt, welche Risiken mit gerichtlicher Mediation in der Berufungsinstanz verbunden sind. Beim OLG Dresden ging eine Berufung ein. Noch am gleichen Tag weist der zuständige Senat auf die Möglichkeit eines Mediationsverfahrens bei dem eigens für Mediationsverfahren beim OLG Dresden eingerichteten 15. Zivilsenat hin. In den hierzu in dem "Informationsblatt zur Mediation" erteilten Hinweisen heißt es unter anderem:

"Das Mediationsverfahren wird beim Oberlandesgericht D. als Teil des gerichtlichen Verfahrens, und zwar als besondere Ausgestaltung der in § 278 Abs. 2 ZPO vorgesehenen Güteverhandlung betrieben.
...
Während des Mediationsverfahrens soll die Berufung nicht begründet werden. Die Frist zur Begründung der Berufung wird auf Antrag entsprechend verlängert."
Die Parteien haben sich entschieden, von der Möglichkeit eines Mediationsverfahrens Gebrauch zu machen. Entsprechend des Hinweises erfolgte zunächst auch keine Begründung der Berufung vor Ende des Mediationsverfahrens. Allerdings haben die Parteien die Brisanz des zweiten Satzes verkannt, wonach auf Antrag die Frist zur Begründung der Berufung verlängert werde. Ein solcher Antrag wurde nämlich nicht gestellt. Erst in der nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist stattfindenden ersten Mediationssitzung wurde über die Frist gesprochen. In dieser Sitzung wurde die Frist mit Zustimmung der Beklagten durch den "Mediationsrichter" verlängert. Vor Ablauf dieser verlängerten Frist wurde diese durch den "Mediationsrichter" erneut verlängert. Schließlich scheiterte das Mediationsverfahren und die Angelegenheit wurde an den 9. Zivilsenat die Entscheidung zurückgegeben. Dieser hat die - innerhalb der verlängerten Frist begründete - Berufung als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründungsfrist abgelaufen sei. Der BGH hat in der oben zitierten Entscheidung diese Auffassung bestätigt.

Die Art und Weise, wie hier vom Oberlandesgericht Dresden mit den Parteien umgegangen wird, bestürzt. Dass vom OLG auch im Berufungsverfahren auf die Möglichkeit einer Mediation hingewiesen wird, ist zu begrüßen. Wie diese Mediation durchgeführt wurde ist, unabhängig davon, wie man zur Richtermediation steht, eine Katastrophe.

Den Parteien wird erklärt, sie sollten eine Mediation beim 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durchführen. Sie wurden darauf hingewiesen, dass während des Mediationsverfahrens die Berufung nicht begründet werden soll. Allerdings erwartet das OLG Dresden in Gestalt des zuständigen 9. Zivilsenats einen ausdrücklichen Antrag auf Fristverlängerung, der noch nicht in dem Antrag auf Durchführung des Mediationsverfahrens gesehen wird. Darauf wurde zwar hingewiesen, aber es war doch absehbar, dass hier eine überflüssige Fehlerquelle geschaffen wird. Versetzt man sich in die Position der betroffenen Berufungskläger muss dieser Hinweis in Verbindung mit der Tatsache, dass der erste Termin im Mediationsverfahren erst nach Ablauf der Frist stattfand fast als Falle empfunden werden.

Wie man es besser machen kann zeigt das OLG Oldenburg (BeckRS 2008 08299), das für die Dauer des Mediationsverfahrens das Ruhen des Verfahrens angeordnet hat. Insbesondere dann, wenn die Mediation innerhalb des Gerichts stattfindet, mutet die Vorstellung, dass die Parteien im Hinblick auf die laufenden Fristen jeweils ausdrücklich Verlängerung beantragen müssen, sehr merkwürdig an. Wenn schon gerichtliche Mediation, dann sollte sie professionell durchgeführt werden. Insbesondere müssen sich die Parteien auf die Verfahrenskompetenz des Gerichts verlassen können. Fatal ist, wenn die Fehler des Gerichts zulasten der Parteien gehen.

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4 Kommentare

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Wunderbar. So werden alle Bemühungen, das Instrument Mediation zu etablieren, konterkariert.

 

Der arme Kollege, der wohl die Mediation seiner Mandantschaft als gute Idee verkauft hat, darf das alles nun ausbaden - auch wenn so ein Fehler der Nichtbegründung nicht passieren darf im Anwaltsprozess.

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Der Kommentar ist ja wohl ziemlich daneben. Rechtsanwälte, die sich für ein Berufungsverfahren vor dem OLG mandatieren lassen, sollten wissen, dass die Begründungsfrist nach ihrem Ablauf jedenfalls dann nicht mehr wirksam verlängert werden kann, wenn auch der Antrag erst nach Fristablauf gestellt worden ist. Und wenn sie das nicht wissen, dann trifft sie die Haftung völlig zu Recht. Welcher "Fehler des Gerichts" sich hier zulasten der Partei ausgewirkt haben soll (letzter Satz des Kommentars), ist nicht ersichtlich.

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Der Fehler des Gerichts ist, dass ein gesetzlich nicht vorgesehenes und vom Gericht nicht ausreichend durchdachtes Verfahren durchgeführt wurde. (vgl. dazu Blogbeitrag und Diskussion zu anderem Beitrag). Ein Verfahren an einen anderen Senat zu verweisen und den Parteien mitzuteilen dort werde üblicherweise nicht das Rechtsmittel begründet, andererseits aber regelmässige Fristverlängerungsanträge zu erwarten, über die dann wieder der gesetzliche Richter zu entscheiden hätte, ist ein in sich widersprüchliches Verhalten. AGB-rechtlich wäre dies als widersprüchlich und unwirksam anzusehen. Hier hilft dem Gericht das Staatshaftungsrecht, keine Verantwortung übernehmen zu müssen.

Betrachtet man die Literatur zu Mediation, so hätte beispielsweise ein anwaltlicher Mediator in diesem Falle die Parteien rechtzeitig und deutlich auf das Problem hinweisen müssen, andernfalls er Haftung zu befürchten hätte. Richter werden zwar hier nicht das Spruchrichterprivileg, wohl aber die generelle Subsidiarität der Staatshaftung gegenüber der Anwaltshaftung zum Einsatz bringen.

Die Parteien wurden hier in ihrer berechtigten Erwartung auf ein faires Verfahren enttäuscht. Aus Sicht der Parteien und der Anwälte werden Gerichte immer als Einheit angesehen und die Mediation ist dort ein Fremdkörper. Es ist schön, wenn Richter durch Mediation ihre Verhandlungskomeptenz steigern und dadurch Vergleichsverhandlungen besser führen. Dabei sollten sie aber dann belassen.

1) Rechtsmittelbegründungsfristen können auf Antrag verlängert werden (§ 520 II S. 2 ZPO). Ohne Verlängerungsentscheidung geht es nicht, und die geht wiederum nicht ohne Antrag.

2) Die Sache spielt beim OLG. Ein Anwalt, der die unter 1. genannten Selbstverständlichkeiten nicht kennt, sollte die Finger von OLG-Prozessen lassen (oder einfach mal ins Gesetz schauen ...).

3) Der im konkreten Fall tätige Anwalt hatte ja nicht einmal das Merkblatt richtig gelesen, das sogar einen Hinweis auf die Notwendigkeit eines Fristverlängerungsantrags enthielt (s. auch Tz. 21 ff. der BGH-Entscheidung). Dass das Merkblatt offenbar etwas unklar hinsichtlich der Frage war, an welchen Senat der Verlängerungsantrag zu richten war, hat sich hier gar nicht ausgewirkt.

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