Leserzuschrift: Klage gegen Verkehrsschilder

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 12.04.2009

Das Thema "Verkehrsschilder" liegt vielen Lesern am Herzen, das kann man an Leserzuschriften oder auch an Kommentaren im Blog nachverfolgen. Blogleser Dr. Frank Bokelmann hat hierzu ein interessantes Urteil des VG Bremen gefunden. Es geht hier um die Klagebefugnis im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Die Leserzuschrift möchte ich hier gerne auszugsweise veröffentlichen:  

"...Nun verlangt das VG Bremen in einem Urteil (VG Bremen, Urteil vom 18.12.2008 - 5 K 2158/06), der Kläger habe keine Klagebefugnis für seine Verpflichtungsklage (es ging um die Aufhebung von Z 237 oder 241 StVO), weil er nicht "qualifiziert betroffen" sei. Eben das Gegenteil hatte das BVerwG mit Urteil vom 21.08.2003 - 3 C 15.03 bei einer Anfechtungklage gegen Z 237 StVO geurteilt und das VG Berlin mit Bescheidungsurteil vom 12.11.2003 - 11 A 606.03, NZV 2004, 486 (mit Anm. Kettler S. 488) war dem bei einer Bescheidungsklage gegen Z 237 StVO gefolgt. In allen Fällen wohnten die Kläger nicht am Aufstellort der umstrittenen Schilder (in den letztgenannten Fällen sogar mehrere 100 km weit weg, im ersten Fall allerdings nur ein Dorf weiter). Irgendwie eigenartig. Denn das VG Bremen kannte die beiden älteren Urteile. Sie wurden gegen den Sinn zitiert."

Vielen Dank Herr Dr. Bokelmann!

 

An alle Leser: Gastkommentare, Themenvorschläge oder interessante Links sind stets erwünscht!

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6 Kommentare

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Das Urteil des BVerwG steht meines Erachtens nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des VG Bremen. Das BVerwG hatte zu einer "Anfechtungsklage" die Klagebefugnis der der Verkehrsteilnehmer gegeben ist. In diesem Fall ging es um die Anfechtung eines Verkehrszeichens.

Das VG Bremen hatte über eine Verpflichtungsklage zum Erlass verkehrsregelnder Maßnahmen (Ermessensentscheidung) zu entscheiden. Hier ist Klagevoraussetzung, dass der Verkehrsteilnehmer eine Verletzung seiner eigenen Rechte geltend machen kann (qualifiziertes Betroffensein).

Diese Entscheidungen insofern gegenüberzustellen, "hinkt" deshalb meiner Meinung nach.

Georg Huttner

 

 

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Hier scheint ja einiges durcheinander geraten zu sein: auf Tatbestandsebene und auf der Rechtsfolgenseite.

Es ging keineswegs hier um eine Anfechtungsklage gegen ein VZ und dort um eine Verpflichtungsklage auf Erlass eines VZ. In beiden Fällen ging es um eine Anfechtungsklage. Nur hatte der Bremer Kläger hilfsweise auch noch beantragt, ihn wenigstens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, um das angefochtene Schild auch dann loszuwerden, wenn die Anfechtungsfrist nach Rechtsauffassung des Gerichts abgelaufen sein sollte.

Und zur Klagebefugnis zu vertreten, sie unterscheide sich zwischen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, ist etwas gewagt. Ein Blick ins Gesetz (§ 42 VwGO) zeigt die Rechtslage. Noch gewagter ist es, ausgerechnet bei der Verpflichtungsklage (die ja ein Weniger ist) eine höhere Anforderung an die Klagebefugnis zu stellen als bei der Anfechtungsklage (die das Mehr ist).

Und dann heißt es in der BVerwG-Entscheidung von 2003 wörtlich: "Ein Erfordernis nachhaltiger bzw. regelmäßiger Betroffenheit lässt sich § 42 II VwGO nämlich weder im Allgemeinen noch im Speziellen (Beschränkung auf die Anfechtung von Verkehrszeichen) entnehmen. Vielmehr reicht es zur Bejahung der Klagebefugnis auch und gerade im vorliegenden Zusammenhang aus, dass ein Verkehrsteilnehmer Adressat eines belastenden (beschwerenden) Verwaltungsakts in Form eines verkehrsbehördlich angeordneten Ge- oder Verbots geworden ist". Genau das ist auch in der Bremer Sache der Fall.

Die Bremer Entscheidung setzt sich damit ja auch gar nicht auseinander. Sie zitiert sie nicht einmal. Zitiert werden da im Wesentlichen ältere Lit-Stimmen, die damals schon nur schwer vertretbar waren und Missverstandenes. Das "qualifizierte Betroffensein", dass zur Klagebefugnis einige Jahre durch die Lehrbücher des Verwaltungsprozessrechts geisterte und von Verwaltungsrichtern gern benutzt wurde, um wieder eine Akte vom Aktenbock wegzubekommen und ihnen voreilige, "verwaltungsfreundliche" (aber falsche) Entscheidungen ermöglichte, ist seit der genannten BVerwG-Entscheidung endgültig vom Tisch. Dass die Bremer Entscheidung die Klarstellung des BVerwG ignoriert und der Sache nach das Gegenteil behauptet, setzt sie in klaren Widerspruch zu der BVerwG-Entscheidung.

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Inzwischen hat sich nicht nur das BVerfG mit einer Anfechtungsklage befassen dürfen, die wegen der angeblichen Verjährung nach Ansicht des VGH Mannheim unzulässig sein soll (Beschluß des BVerfG vom 10.09.2009 - 1 BvR 814/09, http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20090910_1bvr081409.html), sondern Prof. Dr. Ulrich Stelkens hat diesen Beschluß kritisch kommentiert (NJW 2010, 1184).

Grundsätzlich meint Stelkens, daß der VGH Mannheim in der Sache Recht habe und das BVerfG mit seiner "Segelanweisung" das Verfahren in eine falsche Richtung lenke. Die Verfristung eines Widerspruchs gegen ein Verkehrszeichen soll seiner Meinung nach ein Jahr nach der Aufstellung desselben eintreten - egal wann der Verkehrsteilnehmer, der sich dagegen wenden will, erstmals davon betroffen wird. Folglich lenkt Stelkens seinen Blick mehr auf das "Wiederaufgreifen des Verfahrens":

"Allerdings hält auch niemand einen solchen Rechtsschutzausschluss für zulässig. Vielmehr wird in derartigen Fällen aus Art. 19 IV GG ein  Wiederaufgreifensanspruch hergeleitet: Derjenige, der von einer Allgemeinverfügung betroffen wird, nachdem diese (auch) ihm gegenüber (wie jedem anderen) auf Grund einer öffentlichen Bekanntgabe bestandskräftig geworden ist, kann von der Behörde verlangen, über eine Aufhebung der Allgemeinverfügung wegen ursprünglicher Rechtswidrigkeit (§ 48 I 1 VwVfG) oder wegen nachträglichem Rechtswidrigwerden (§ 49 I VwVfG) der Allgemeinverfügung zu entscheiden."

Dabei muß man allerdings sehen, daß gerade die Verwaltungsrechtler die größten Bauchschmerzen mit den daraus entstehenden Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklagen haben und Hürden erfinden, die bei Anfechtungsklagen längst angehakt sind - z.B. die Klagebefugnis. Offenbar überhöhen viele Juristen die formelle Bestandskrft der Verkehrszeichen zur Unangreifbarkeit, obwohl eine materielle Bestandskraft schon der Sache nach unsinnig ist, wenn ein Verkehrsschild Gefahren nicht begrenzt, sondern die Befolgung des Schildes andere - möglicherweise größere - Gefahren heraufbeschwörrt.

Ich meine, man sollte dem OVG Bremen, das nach Angaben des Klägers noch immer auf den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das o.a. Urteil des VG Bremen sitzt, die o.a. Entscheidung des BVerfG sowie den Kommentar von Stelkens zusenden, damit nicht auch gegen diese Entscheidung das BVerfG angerufen werden muß.

Denn soviel steht fest: neben vielen Anträgen auf Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht wegen ursprünglicher Rechtswidrigkeit kommen wegen Änderung der Rechtslage in 1998 und 2009 und insbesondere - infolge klammer Kassen der Baulastträger - wegen der Vernachlässigung der Instandhaltung jedenfalls viele Anträge wegen nachträglicher Rechtswidrigkeit in Betracht - selbst wenn die Antragsteller die Benutzungspflichten viele Jahre hingenommen haben.

In SH wird inzwischen vor der Benutzung vieler benutzungspflichtiger Radwege an Kreis- und Landesstraßen wegen ihres bedenklichen baulichen Zustands gewarnt. Damit werden die Antragsgründe von den Baulastträgern geradezu an die Masten geschraubt. Nur dürfen der Rechtsverfolgung durch Radfahrer dann eben gerade keine überspannten Anforderungen an die Zulässigkeitsvoraussetzungen entgegengehalten werden.

Ich empfehle daher, dem Urteil des VG Berlin vom 12.11.2003 - 11 A 606.03 - NZV 2004, 486 zu folgen. Das ermöglicht die inhaltliche Überprüfung der Radwegbenbenutzungspflichten ohne jegliche Förmelei.

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Nicht nur in SH wird vor der Benutzung vieler benutzungspflichtiger Radwege gewarnt. Ich bin neulich (mit dem Kfz) eine längere Strecke durch Nidersachsen gefahren und war erstaunt, neben wie viele blauen Lollis man mittlerweile (an Extramasten!) Z101 mit ZZ "Radwegschäden" (oder Z101 mit ZZ "Straßenschäden") gestellt hatte. Die waren beim letzten mal, als ich da lang kam, noch nicht aufgestellt. Das wäre auch so Fall von (mindestens) nachträglicher Rechtswidrigkeit der RWBPfl. Schilderabschrauben wäre billiger und vor allem rechtmäßig gewesen. Aber Verkehrssicherheit ist wohl nicht gewollt. Und um Recht oder Unrecht kümmert sich da anscheinend auch niemand in den Behörden. Gäbe es eine Bestandskraft von Verkehrszeichen, wäre das (auch hier) fatal.

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Ganz offensichtlich wird das Geld, das Ramsauer den Ländern, Kreisen und Gemeinden durch seine Nichtigkeitserklärung ersparte, für ganz neue Z 101 mit ZZ zum Fenster rausgeworfen. Solange keiner klagt, ist alles in bester Ordnung. Und da wir ja nun durch die „Fahrradstudie 2010“ des Deutschen Ring wissen, dass Radfahrer sich lieber auf Radwegen an Kreuzungen gefährden als auf der Fahrbahn überholen lassen, klagt ja auch fast keiner.

Aus der Pressemitteilung:

"... Trotzdem schätzen viele Deutsche die Gefahren im Straßenverkehr falsch ein. Die meisten Unfälle passieren an Straßenkreuzungen, weil Autofahrer die Radfahrer beim Abbiegen zu spät sehen. Dieses Unfallrisiko wird jedoch von der großen Mehrheit der Verkehrsteilnehmer verkannt. Nur sechs Prozent der Deutschen beurteilen Kreuzungen als besonders gefährlich. Als wesentlich riskanter erachten sie beispielsweise, wenn Autofahrer mit geringem Abstand überholen. Zumindest statistisch gesehen eine Fehleinschätzung, denn dabei kommt es nur selten zum Zusammenstoß. ..."

http://www.deutscherring.de/ueber_uns/presse/pressemitteilungen/2010/201...

http://www.dvr.de/site.aspx?url=html/aktuelles/sonst/1749.htm

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Tja, bei der Meldung zu dieser Studie muss man nur feinsäuberlich Täter und Opfer, Störer und Nichtstörer auseinanderhalten.

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