ArbG Berlin: Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften für Leiharbeit (CGZP) nicht tariffähig

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 13.04.2009

Mit Beschluss vom 1.4.2009 hat das ArbG Berlin festgestellt, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) nicht tariffähig im Sinne des Tarifvertragsgesetzes ist (35 BV 17008/08).

Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, es fehle der CGZP an der erforderlichen „Sozialmächtigkeit". Das BAG setze für die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie voraus, dass die jeweiligen sozialen Gegenspieler über eine Durchsetzungskraft gegenüber der tariflichen Gegenseite verfügen. Das Arbeitsgericht vermochte eine solche Durchsetzungsfähigkeit der CGZP nicht festzustellen. Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zum Landesarbeitsgericht möglich.

Der Beschluss könnte, wenn er letztinstanzlich bestätigt werden sollte, weitreichende Folgen haben: "Tarifverträge", die eine nicht tariffähige Partei abgeschlossen hat, sind keine Tarifverträge im Rechtssinne. Sie partizipieren dementsprechend nicht an den Privilegierungen, die das Gesetz tariflichen Regelungen einräumt. Für die Leiharbeit bedeutet dies: § 9 Abs. 2 AÜG statuiert das sog. "equal-pay"-Gebot, also die Verpflichtung des Zeitarbeitunternehmens, dem Leiharbeitnehmer für die Dauer seiner Überlassung an den Entleiher dieselben Arbeitsbedingungen, insbesondere dasselbe Arbeitsentgelt zu gewähren, wie es für vergleichbare Stammarbeitnehmer im Betrieb des Entleihers üblich ist. Hiervon kann durch Tarifvertrag (und durch einzelvertragliche Bezugnahme auf ihn) abgewichen werden. Die von der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge machen hiervon Gebrauch und sehen eine - teilweise wesentlich - geringere Vergütung für Leiharbeitnehmer als für die Stammbelegschaft im Betrieb des Entleihers vor. Sind diese Tarifverträge mangels Tariffähigkeit einer Vertragspartei unwirksam, gilt - rückwirkend - wieder das "equal-pay"-Gebot. Auf die Zeitarbeitsunternehmen könnten erhebliche Nachzahlungsansprüche der Arbeitnehmer und der Sozialversicherungsträger zurollen, die einige von ihnen sogar in ihrer Existenz gefährden könnten.

Allerdings: Die CGZP ist selbst gar keine Gewerkschaft, sondern ein Spitzenverband i.S. von § 2 Abs. 3 TVG. Ob ein solcher Spitzenverband selbst sozial mächtig sein muss oder ob seine Tariflegitimation auf der Tariffähigkeit der ihn tragenden Einzelgewerkschaften beruht, ist umstritten (siehe z.B. ErfK/Franzen, 9. Aufl. 2009, § 2 TVG Rn. 29). Mitglied des CGZP sind vier Christliche Gewerkschaften, nämlich die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM), die Gewerkschaft öffentlicher Dienst und Dienstleistungen (GÖD), die Christliche Gewerkschaft Postservice und Telekommunikation (CGPT) und der Deutsche Handels- und Industrieangestelltenverband (DHV). Jedenfalls für die CGM steht durch den Beschluss des BAG vom 28.3.2006 (1 ABR 58/04, NZA 2006, 1112) rechtskräftig fest, dass sie tariffähig ist - und zwar nicht nur für die Metallindustrie, sondern uneingeschränkt (also auch für die Leiharbeitsbranche), weil es nach Überzeugung des BAG keine "geteilte Tariffähigkeit" gibt.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

6 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Sollte man denn nun klagen oder nicht?

Ich war ein ganzes jahr in einer Zeitarbeitfirma tätig kann man da rückwirkend geld zurück bekommen.

 

mfg patrick

0

Angenommen die CGZP wird als nicht tariffähig im Sinne des Tarifvertragsgesetztes, in letzter Instanz angesehen, wie sinnvoll oder erfolgversprechend ist es dann für Zeitarbeiter Lohn nachzufordern wenn das sogenannte  "equal-pay"- Gebot zur Anwendung kommt?

0

Lohnnachforderungen sind in der Regel nur für eine sehr begrenzte Zeit möglich. Wenn die CGZP nicht tariffähig ist, gelten für die Leiharbeitnehmer dieselben Arbeitsbedingungen wie für die Stammbelegschaft - also, je nach Entleiher, z.B. die Tarifverträge von ver.di, der IG Metall oder der IG BCE. Diese enthalten in der Regel kurze Ausschlussfristen, innerhalb derer Ansprüche geltend gemacht werden müssen.

Die Einzelheiten sind allerdings sehr unterschiedlich geregelt. Sowohl die Länge der Frist (meist drei oder sechs Monate) als auch das vom Arbeitnehmer zur Erhaltung des Anspruchs verlangte Verhalten (bloß schriftliche Geltendmachung oder Klageerhebung) sind von Tarifvertrag zu Tarifvertrag verschieden.

Angesichts der Dauer des CGZP-Verfahrens - das LAG Berlin-Brandenburg hat den Termin für die Berufungsverhandlung Ende Oktober kurzfristig verschoben - dürften bis zu dessen Abschluss die meisten Ansprüche verfallen sein.

Und selbst wenn keine Verfallklausel zur Anwendung kommt, droht nach drei Jahren zum Jahresende immer noch die Verjährung.

Christian.Rolfs schrieb:

Lohnnachforderungen sind in der Regel nur für eine sehr begrenzte Zeit möglich. Wenn die CGZP nicht tariffähig ist, gelten für die Leiharbeitnehmer dieselben Arbeitsbedingungen wie für die Stammbelegschaft - also, je nach Entleiher, z.B. die Tarifverträge von ver.di, der IG Metall oder der IG BCE. Diese enthalten in der Regel kurze Ausschlussfristen, innerhalb derer Ansprüche geltend gemacht werden müssen.

Die Einzelheiten sind allerdings sehr unterschiedlich geregelt. Sowohl die Länge der Frist (meist drei oder sechs Monate) als auch das vom Arbeitnehmer zur Erhaltung des Anspruchs verlangte Verhalten (bloß schriftliche Geltendmachung oder Klageerhebung) sind von Tarifvertrag zu Tarifvertrag verschieden.

Angesichts der Dauer des CGZP-Verfahrens - das LAG Berlin-Brandenburg hat den Termin für die Berufungsverhandlung Ende Oktober kurzfristig verschoben - dürften bis zu dessen Abschluss die meisten Ansprüche verfallen sein.

Und selbst wenn keine Verfallklausel zur Anwendung kommt, droht nach drei Jahren zum Jahresende immer noch die Verjährung.

der Interessenverband Zeitarbeit kommt jedoch zu folgender Einschätzung:

Nach der Rechtsprechung dürfen einzelvertragliche Ausschlussfristen nicht kürzer als drei Monate sein. Allerdings beginnt eine Ausschlussfrist erst mit Fälligkeit zu laufen. Es ist sehr zweifelhaft, ob eine solche Frist überhaupt in Gang gesetzt wird, wenn ein Equal Treatment-Anspruch objektiv besteht, aber nicht abgerechnet wurde. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beginnt die Fälligkeit erst dann, wenn der Arbeitnehmer objektiv in der Lage ist, die Anspruchshöhe zu beziffern (BAG, Urteil vom 09.02.2005 - 5 AZR 175/04). Deshalb spricht viel dafür, dass auch eine arbeitsrechtlich zulässige Ausschlussfrist von drei Monaten nicht geeignet ist, die rückwirkende Geltendmachung zu verhindern. Das BAG wird nach aller Voraussicht auch keinen Vertrauensschutz gewähren. So hat das höchste deutsche Arbeitsgericht festgestellt, dass der gute Glaube in die Tariffähigkeit einer Gewerkschaft – und damit in die Wirksamkeit eines Tarifvertrages – nicht geschützt sei (BAG, Urteil vom 15.11.2006 – 10 AZR 665/05).

http://www.ig-zeitarbeit.de/system/files/Auswirkungen-Feststellung-Tarifunfaehigkeit-CGZP.pdf

0

"Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften" - wo sich in der Geschäftspolitik das "christlich" wiederspiegeln soll, erschliesst sich wohl max. dem Vorstand.

0

Christlich- das ist in Bayern die Begleitmusik für das öffentliche Leben ! Wehe, man bekreuzigt sich nicht bei jedem Gang zur Toilette . Dann ist das Leben ist diesem konservativen Land ein Spiessrutenlauf bei Institutionen .

Vom ,,Popen" höre ich da rein garnichts ! Nur bei Schwangerschaftsabbrüchen,Kondomen und Sex vor der Ehe reisst ,,ER" seinen Mund auf ! Widerlich , dieses Geschwafel !

0

Kommentar hinzufügen