Beweisverwertungsverbot nach Blutprobenentnahme - Sollte der Richtervorbehalt nicht besser abgeschafft werden?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 15.04.2009

Mehrfach war das Problem der Verletzung des Richtervorbehalts bereits Thema im Blog, zuletzt in dem Beitrag SENSATION! OLG Hamm bejaht Beweisverwertungsverbot nach polizeilich angeordneter Blutprobe. Blogleser Dominik Boecker hat in einem Kommentar zu diesem Beitrag auf einen Blogbeitrag im Jurabilis-Blog hingewiesen: Abschaffung des Richtervorbehalts in § 81a II StPO - Pragmatismus oder Resignation? Ich werde hier aus einem aktuellen Beitrag "Richtervorbehalt bei Blutprobe: Weg damit!  ZRP 2009, 71 zitiert, in dem ich mich für die Abschaffung ausspreche. Nicht verheimlicht werden soll natürlich, dass bereits andere dies gefordert haben, so vor allem der letzte VGT. Das BVerfG scheint den Richtervorbehalt nicht für zwingend erforderlich an dieser Stelle zu halten.

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13 Kommentare

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Wehret den Anfängen. Wenn man den Richtervorbehalt da abschafft, dann irgendwann auch bei Hausdurchsuchungen, Telefonabhören und vielen anderen Dingen wo es heute zumindest theoretisch passieren könnte, dass ein Richter "nein!" sagt.

Die Begründung, dass sich bisher die Polizisten nicht die Mühe gemacht haben, einen Richter zu kontaktieren bevor einem Fahrer Blut abgezapft wurde, bedeutet dass hier ein ständiger Rechtsbruch seitens des Staates statt gefunden hat, und nicht dass die Richter überflüssig seien.

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Die Begründung des OLG Hamm basiert -insoweit hinter die Dogmatik des BGH in der bekannten Rechtskreis-Entscheidung BGHSt 11,213 zurückbleibend- auf einer Abwägung allgemeiner Billigkeitsargumente, die letztlich darin münden, die Verletzung des Richtervorbehalts sei mit einem Beweisverwertungsverbot zu sanktionieren. Damit begibt man sich unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege auf das Feld der Rechtsunsicherheit und Beliebigkeit, ganz abgesehen von dem Umstand, dass bei der Entnahme der Blutprobe ein Beweisverlust unmittelbar droht. 

Sinnvoll wäre es hier sicherlich, einen entscheidenden Grundansatz der Rechtskreistheorie, nämlich den Schutzzweck der Norm, in den Mittelpunkt der Beweisverwertungsfrage zu stellen. Dann zeigt sich evident, dass der Richtervorbehalt bei § 81 a StPO nicht dem Schutz vor Informationsgewinnung, sondern dem Schutz der körperlichen Integrität dient. Dies führt zu keinem Beweisverwertungsverbot.

Der Vorteil dieser Betrachtungsweise ist die Verbindung von verfassungsrechtlichen Wertungen mit denen der StPO als Ausführungsgesetz zum Grundgesetz.

Woanders wurde geäußert, dass sowieso kein Richter die Blutentnahme ablehnen würde und dies auch nur telefonisch. Deshalb sei dies entbehrlich.

Also
SzenarioI:
Polizeikontrolle, Beamter entscheidet GiV, Blutentnahme beim Arzt.

versus

SzenarioII:
Polizeikontrolle, Beamter ruft zust. Richter an, Blutentnahme beim Arzt.

Klingt im Ergebnis zunächst gleich.

Aaaber:

SzenarioIb:
40 Polizeikontrollen/Einsatz, Beamter entscheidet 40 mal GiV, 40 Blutentnahmen beim Arzt.

versus

SzenarioIIb:

40 Polizeikontrollen/Einsatz, Beamter ruft 40 mal zust. Richter an, 40 Blutentnahmen beim Arzt?

Ob da nicht doch irgendwas beim gesetzlichem Richter als unabhängige Instanz klingeln würde?

Möglicherweise, dass der/die Beamten etwas überreagieren? Oder vielleicht mit dem Arzt unter einer Decke stecken? Der wird ja nicht kostenlos arbeiten. Oder sonstwas merkwürdiges?

Der Richtervorbehalt erschwert Mißbrauch, auch wenn er lästig und unnütz erscheint. Aber durch ihn werden die Kontrolleure kontrolliert und das muss (imho) so sein in einem Rechtsstaat.

 

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Das BVerfG scheint den Richtervorbehalt nicht für zwingend erforderlich an dieser Stelle zu halten. Was meinen Sie dazu?

Wenn das so ist, wird es schleunigst Zeit etwas daran zu ändern, und aus der einfachgesetzlichen Regelung Verfassungscharakter ähnlich dem 4. Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung zu machen. Es sollte heutzutage eigentlich selbstverständlich sein, dass die Herausgabe von Beweismitteln, die einen selbst belasten könnten, nicht zum Regelfall werden kann.

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Verspäteter Aprilscherz? Ein RiAG befürwortet die Abschaffung des Richtervorbehalts bei Blutentnahmen und plädiert damit implizit für die weitere Erosion rechtstaatlicher Verfahrensgarantien. Und das in einer Zeit, in der deren Legitimation unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung ohnehin schon unter massivem Beschuss seitens des Gesetzgebers steht. Prost Mahlzeit! Mein Vorschlag, Herr Krumm: schaffen wir doch gleich die komplette Verkehrsgerichtsbarkeit ab und lassen wir unsere sympathischen Polizeibeamten/Innen direkt vor Ort die Urteile schreiben! Bedenken Sie nur die "Synergieeffekte" in der Justiz: das würde doch auch Sie unheimlich entlasten! Und der VGT dürfte sich dann auch auflösen, er hätte seinen Zweck erreicht.

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"Das BVerfG scheint den Richtervorbehalt nicht für zwingend erforderlich an dieser Stelle zu halten. Was meinen Sie dazu?"

Dass diese Argumentation ganz auf der Linie des BMI liegt: Es ist nicht absolut durch Verfassungsrecht geboten, also muss man doch darüber nachdenken, es abzuschaffen. Das Grundgesetz beschreibt das absolut erforderliche Minimum an Freiheitsrechten, nicht eine optimale Lage. Es stände unserer Gesellschaft bedeutend besser, wenn sie das verstehen und verinnerlichen würde.

Wenn nun schon einer der Wahrer unserer Freiheit diese Argumentation offen propagiert, dann ist der Zustand offenbar schlimmer als gedacht.

Die Blutabnahme ist ein ziemlich starker Eingriff in die Rechte des einzelnen. Der Richtervorbehalt ist daher sinnvoll. Es kann meiner Meinung nach nicht sein, dass man diese Ignoranz der Exekutive gegenüber der geltenden Rechtslage damit "belohnt", dass man einfach die Gesetzeslage ändert. Im Gegenteil: Man muss der Exekutive klar machen, dass sie schuld ist, dass Gesetzesbrecher laufen gelassen werden, wenn sie die Rechtslage ignoriert. Daher sehe ich weitreichende Beweisverwertungsverbote als unumgänglich an, um ein Umdenken bei der Polizei in solchen Bereichen zu erzwingen.

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Man braucht nur in die USA schauen um zu sehen wie Polizeibefugnisse missbraucht werden. Dort gibt es den spöttischen Begriff "DWB" (Driving while black), angelehnt an den echten Begriff "DWI" (Driving while intoxicated): Schwarze werden öfter angehalten, denn die "müssen" ja verdächtig sein. Jedenfalls könnte ich mir durchaus vorstellen, dass in einschlägig bekannten Problem-Bundesländern von Problem-Polizisten auch mal Blutproben von Leuten mit einer "unbeliebten" Hautfarbe angeordnet werden, damit "so einer" mal ein paar Stunden seiner Lebenszeit verliert und die "Macht des Staates" spürt.

Und ich bin auch ein Fan von Beweisverwertungsverboten wie in den USA. Nur so lernen Gesetzeshüter, sich an die Regeln zu halten. Und das würde auf Dauer sogar deren Image verbessern.

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So, nachdem ich die ZRP auch endlich in die Hand bekommen habe, konnte ich auch Ihren Aufsatz lesen. Bis zu ihrem Lösungsansatz kann ich weitgehend folgen. Warum der Lösungsansatz aber so bedenklich zu Lasten der Rechte des betroffenen Bürgers gehen soll, haben Sie leider nicht erklärt.

Ich gehe einmal davon aus, dass der Richtervorbehalt nicht verfassungsrechtlich geboten und daher auch abbedingbar wäre. Dennoch haben wir einen Status quo, zu dessen Änderung eine Begründung erforderlich ist. Soweit Sie es als aberwitzig bezeichnen, dass gegen rechtswidrig handelnde Beamte jegliche Form des Widerstandes zulässig ist, kann ich der Begründung nicht folgen. In diesem Moment ist der Beamte schlicht Straftäter und sollte auch entsprechend behandelt werden.

Soweit auf den Arzt abgestellt wird, der sich u.U. zumindest der Beihilfe zu einer Straftat schuldig macht, fehlt mir ebenfalls die Begründung, warum deshalb auch Rechte des Beschuldigten zu verzichten sei. Soweit der Arzt die gesetzliche Lage kennt und aufgrund des Sachverhalts Zweifel an der Rechtmäßigkeit hat, soll er die Maßnahme verweigern bis ein substantiierteres Vorbringen ihn von der Rechtmäßigkeit überzeugt. Gerade weil er in Gefahr kommt, sich einer Straftat schuldig zu machen, ist die anordnende Behörde im Zugzwang ihn von diesen Zweifeln zu befreien.

Diese beiden "Problemstellen" liegen aber beide vollständig auf Seiten des Staates bzw. seiner exekutiv tätigen Vertreter. Es liegt also nahe, die Lösung auch auf dieser Seite zu suchen. Hinsichtlich der anordnenden Beamten wäre eine konsequente strafrechtliche Androhung sicherlich geeignet, sie an ihre dienstrechtlichen Pflichten zu erinnern. Dies läßt sich auch rechtstechnisch einbinden, indem den entsprechenden Normen ein weiterer Absatz beigefügt wird, der eine zwingende Ausermittlung bei GiV-Fällen anordnet.

Andererseits könnte man auch - wenn wir schon Gesetzänderungen wünschen - ein Beweisverwertungsverbot festschreiben. Nur weil dieses nicht unmittelbar verfassungsrechtlich geboten ist, folgt daraus nicht seine Unzulässigkeit.

Natürlich sind das "Problemstellen" des Staates. Das Problem ist einfach: Wie soll reagiert werden? Ich kenne viele Kollegen, Staatsanwälte und Polizisten, die ähnlich denken wie ich: "Weg damit!" Das war ja auch der Grund für den Vorschlag des VGT, an dem ja auch zahlreiche Anwälte teilnehmen.

Ich meine, dass man hier schon die Polizei und die Ärzte in eine sichere rechtliche Position bringen muss. Insoweit danke ich, dass Sie nochmals auf das Problem der Strafbarkeit von Polizisten und Ärzten hingewiesen haben - ich mache da auch mal einen neuen Beitrag von... 

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Die Probleme "Strafbarkeit von Arzt/Polizist" einerseits und "Beweisverbot" andererseits hängen aus meiner Sicht nicht unmittelbar zusammen, weil das Strafprozeßrecht anderen Leitlinien bzw. Wertungsmodellen folgt (wahres Ergebnis in einem gerechten Verfahren) als das Strafrecht (Rechtsgüterschutz). Man denke z.B. an die Verwertbarkeit von ärztlichen Zeugenaussagen (keine Belehrungspflicht deshalb nach § 53 StPO), die für sich einen Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht darstellen und daher unter Strafe gestellt sind (§ 203 StGB), ohne dass immer rechtfertigender Notstand vorliegt.

Sicher scheint mir allerdings zu sein, dass die zunehmende Bedeutung des Richtervorbehalts (und damit der staatlichen Pflicht zur Einrichtung von richterl. Notdiensten) in erster Linie auf der strafrechtlichen Ebene liegt. Ob aber aus einer Verletzung des Richtervorbehalts ein Beweisverwertungsverbot folgt, wäre zu klären. Dagegen spricht einiges, neben dem Schutzzweck der Norm (erfasst der Richtervorbehalt wirklich den Schutz vor Informationsgewinnung?) auch die Kontrollüberlegung der fehlenden Heilbarkeit und verfassungsrechtlichen Erwägungen (Wahrheitsfindungsgebot, Funktionstüchtigkei der StrRpfl., Gewaltenteilung (StA als Herrscherin der Informationssammlung).

 

Die neue Entscheidung des OLG Dresden v. 11.05.2009, worin ein vom AG Hohenstein-Ernstthal angenommenes Beweisverwertungsverbot wg. der polizeilichen Anordnung der Blutentnahme morgens um 8.07 Uhr bestätigt wird, ist vereinbar mit der bereits in den Vorbeiträgen skizzierten Herleitung von unselbständigen Beweisverwertungsverboten aufgrund der Verletzung von strafprozessualen Tb-Merkmalen, die den Schutz des Beschuldigten vor der Verwertung rechtswidrig erlangter Informationen im Strafurteil bezwecken (vgl. Blomeyer JR 1971, 142; Grünwald JZ 1966,..; Rudolphi MDR 1970,...; Grüner, Beweisverwertungsverbote, Leipziger Schriftenreihe Heft 32).

Denn das Gericht greift in rechtlicher Hinsicht, insoweit ähnlich wie das OLG Hamm, aber im Gegensatz dazu auch nach Sachlage naheliegend, auf das Willkürverbot zurück. Die bewußte Umgehung von Vorschriften, die auf das Urteil einen Einfluss haben können (§ 337 StPO), löst stets ein Beweisverbot aus.

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