EuGH: Altersgrenze 65 mit Gemeinschaftsrecht vereinbar

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 20.04.2009
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtEuGHAltersgrenze|3391 Aufrufe

Der EuGH hält an seiner großzügigen Linie bei der Anerkennung von Regelungen, die eine "Zwangspensionierung" bei Erreichen des Rentenalters vorschreiben, fest. In der Rechtssache Age Concern England hatte er jetzt eine britische Rechtsverordnung zu beurteilen, die in Umsetzung der Richtlinie 2000/78 die Benachteiligung wegen des Alters und anderer Merkmale untersagt. Regulation 30 Absatz 2 dieser Verordnung bestimmt aber auch: "Entlassungen von Personen, auf die diese Verordnung Anwendung findet und die das 65. Lebensjahr vollendet haben, sind nicht nach Maßgabe der Bestimmungen der Teile 2 oder 3 dieser Verordnung rechtswidrig, wenn die Entlassung wegen Versetzung in den Ruhestand erfolgt".

Der EuGH (Urteil vom 5.3.2009 - Rs. C-388/07) beanstandet diese Regelung im Grundsatz nicht: Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 eröffne den Mitgliedstaaten ausdrücklich die Möglichkeit, eine Ausnahme vom Grundsatz der Nichtdiskriminierung vorzusehen, wenn die Maßnahme durch rechtmäßige sozialpolitische Ziele wie solche aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung gerechtfertigt sind. Es sei Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung einem solchen rechtmäßigen Ziel entspricht und ob der nationale Gesetz- oder Verordnungsgeber angesichts des Wertungsspielraums, über den die Mitgliedstaaten im Bereich der Sozialpolitik verfügen, davon ausgehen durfte, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren.

Damit bestätigt der Gerichtshof seine großzügige Linie, die er schon in Sachen Palacios de la Villa (Urt. vom 16.10.2007 - Rs. C-411/05) eingeschlagen hatte. Das BAG hält in ständiger Rechtsprechung Altersgrenzen, die eine Beeendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt vorsehen, zu der der Arbeitnehmer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann, für zulässig: Zwar verfolge der Arbeitnehmer mit dem Wunsch auf dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus legitime wirtschaftliche und ideelle Anliegen. Das Arbeitsverhältnis sichere seine wirtschaftliche Existenzgrundlage und biete ihm die Möglichkeit beruflicher Selbstverwirklichung. Diesen Interessen diene auch der durch das KSchG gewährleistete Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses. In der Regel handele es sich allerdings um ein Fortsetzungsverlangen eines mit Erreichen der Regelaltersgrenze wirtschaftlich abgesicherten Arbeitnehmers, der bereits ein langes Berufsleben hinter sich habe und dessen Interesse an der Fortführung seiner beruflichen Tätigkeit aller Voraussicht nach nur noch für eine begrenzte Zeit bestehe. Hinzu komme, dass der Arbeitnehmer auch typischerweise von der Anwendung der Altersgrenzenregelungen durch seinen Arbeitgeber Vorteile hatte, weil dadurch auch seine Einstellungs- und Aufstiegschancen verbessert worden seien. Demgegenüber stehe das Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung (z.B. BAG, Urteil vom 27. 7. 2005 - 7 AZR 443/04, AP Nr. 27 zu § 620 BGB Altersgrenze).

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