BAG zu den Auswirkungen der außerplanmäßigen Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze 2003 auf die Betriebsrente

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 22.04.2009

Das BAG hat mit Urteil vom 21. April 2009 (3 AZR 695/08) über die Konsequenzen der außerplanmäßigen Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung 2003 auf die betriebliche Altersversorgung entschieden.

Es ist in vielen betrieblichen Versorgungsordnungen üblich, zwischen dem Einkommen des Arbeitnehmers bis zur Beitragsbemessungsgrenze (BBG, im Jahre 2009: 5400 Euro monatlich) und dem darüber liegenden Einkommen zu differenzieren (sog. "gespaltene Rentenformel"). Der Arbeitgeber sagt für das die BBG überschreitende Einkommen eine höhere Betriebsrente (in Prozent des Einkommens) zu als für das Einkommen bis zu dieser Grenze. Dies trägt einerseits dem Versorgungsbedarf des Arbeitnehmers Rechnung, der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur auf der Basis des unterhalb der BBG liegenden Einkommens zu erwarten hat, andererseits dem Umstand, dass für den darüber liegenden Anteil auch keine Beiträge an die Deutsche Rentenversicherung abgeführt zu werden brauchen.

Im Jahre 2003 hat der Gesetzgeber die BBG außerplanmäßig um 500 Euro erhöht (§ 275c SGB VI). Dadurch sind die betreffenden Versorgungsordnungen lückenhaft geworden. Erforderlich ist daher ihre ergänzende Auslegung, die der 3. Senat nunmehr vorgenommen hat: Entsprechend dem ursprünglichen Regelungsplan ist die Versorgungsordnung dahingehend zu ergänzen, dass sich die Betriebsrente ohne Berücksichtigung der außerordentlichen Anhebung der BBG berechnet, von dieser sodann allerdings der Betrag in Abzug zu bringen ist, um den sich die gesetzliche Rente infolge höherer Beitragszahlungen erhöht hat.

Geklagt hatte ein Betriebsrentner, der bis zum 31. Januar 2006 bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt war. Er bezieht seit dem 1. Februar 2006 gesetzliche Altersrente und eine Betriebsrente iHv. monatlich 634,00 Euro. Sein Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung basiert auf einer Versorgungsordnung mit einer „gespaltenen Rentenformel". Die Beklagte hatte die Betriebsrente unter Berücksichtigung der außerplanmäßig durch § 275c SGB VI angehobenen BBG berechnet. Die Klage des Arbeitnehmers hatte in zweiter und dritter Instanz Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf eine um 221,87 Euro höhere monatliche Betriebsrente. Die konkrete Ausgestaltung der Versorgungszusage stand der ergänzenden Auslegung nicht entgegen.

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8 Kommentare

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Interessant dürfte jetzt auch werden, ob auch die Gutschriften in den Beitragskonten von Arbeitnehmern nach einer gespaltenen Beitragsformel (z.B. 2, 5 % bis BBG und 5, 5 % bei darüberhinausgehenden Beträgen) nachträglich angepaßt werden müssen. Soweit ich informiert bin, war auch die Erhöhung der BBGF für 2009 eine Außerplanmäßige. AB

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Die Anhebung der BBG 2009 war planmäßig (von 5300 Euro monatlich bzw. 63600 Euro jährlich im Jahre 2008 auf 5400 Euro monatlich oder 64800 Euro jährlich im Jahre 2009).

In den beiden vom BAG am 21.04.2009 entschiedenen Fällen wurde die Zusage auf betriebliche Altersversorgung per Betriebsvereinbarung (3 AZR 471/07) bzw. Gesamtzusage (3 AZR 695/08) erteilt. Fraglich ist, ob die Entscheidungen übertragen werden können auf Versorgungszusagen, welche auf einem Tarifvertrag basieren. Zwar ist bei Vorliegen einer unbewussten Regelungslücke eine ergänzende Vertragsauslegung auch bei Tarifverträgen möglich. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass nur ein einziges Auslegungsergebnis denkbar ist. Ob eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung mit BBG-bezogener gespaltener Rentenformel zwingend dahingehend auszulegen ist, dass nach einem außerplanmäßigen BBG-Sprung bei der Berechnung der Leistungen der außerplanmäßige Erhöhungsbetrag von der tatsächlichen BBG abzuziehen und im Gegenzug die durch die außerplanmäßige Anhebung der BBG verursachte Steigerung der Sozialversicherungsrente anzurechnen ist, halte ich für zumindest zweifelhaft. Anders beurteilt werden könnte die Variante, dass der Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung durch eine statische Verweisungsklausel Inhalt des Arbeitsvertrages geworden ist. In diesem Fall lässt sich meiner Ansicht nach gut vertreten, dass die planwidrige Regelungslücke von den Gerichten durch ergänzende Vertragsauslegung nach Maßgabe der BAG-Urteile geschlossen werden kann.

@ Jan Zülch

Tarifverträge mit gespaltener Rentenformel sind sehr selten. Denn Arbeitnehmer, die oberhalb der BBG verdienen, sind in der Regel außertariflich beschäftigt. Zu den Konsequenzen der Rechtsprechung und den notwendigen Anpassungen der Versorgungsordnungen siehe zudem Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, 5. Aufl. 2010, Anh. § 1 Rn. 224a ff.

Es gibt durchaus einige Tarifverträge, bei denen die Betriebsrenten anhand einer gespaltenen Rentenformel berechnet werden. Daher kann davon ausgegangen werden, dass sich das Bundesarbeitsgericht schon bald mit dem oben angesprochenen Problem auseinander zu setzen hat.

Mein Versuch, eine Neuberechnung meiner BR Zusage zu ereichen, wurde mit der Begründung abgelehnt, das referenzierte Urteil bezöge sich auf eine endgehaltabhängige BR, meine beruht jedoch auf jährlich erworbenen Rentenbausteinen. Diese werden jedoch ebenso auf einer gespaltenen Rentenformel (Gehaltsanteil unter BBG mit Faktor 1,5 und -anteil über BBG mit Faktor 4,5% bewertet). Von daher sehe ich hier die gleichen rechtlichen Grundlagen. 

Die Frage wäre, ob ein extra Gerichtsentscheid für nicht endgehaltabhängige BR nötig ist, oder meine ehemelige Firma nur versucht, sich hier erstmal herauszureden?

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@ P. Faber

Bei einer Bausteinzusage mit gespaltener Rentenformel wirkt sich die außerplanmäßige Erhöhung der BBG auf die Höhe der Bausteine bis zum Jahr 2002 nicht aus. Ob die Höhe der Bausteine ab dem Jahr 2003 neu zu berechnen sind, ist durch Auslegung der Versorgungszusage zu ermitteln.

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