Gesetzentwurf zu Internetsperren im Kabinett beschlossen

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 22.04.2009

Heute ist im Bundeskabinett ein Gesetzentwurf zu Internetsperren beschlossen worden. Zu den Planungen wurde hier im Blog schon ausgiebig diskutiert. Die Kritik, das BKA werde, wie von  Bundesministerin von der Leyen ursprünglich geplant, ohne Rechtsgrundlage Zensur ausüben, wird nach Inkraftreten eines solchen Gesetzes wohl nicht mehr erhoben werden können.

Probematisch ist dennoch, dass mit diesem geplanten Gesetz dem BKA, also nicht näher bestimmten Polizeibeamten ohne juristische oder Gremienkontrolle ermöglicht werden soll, die Seiten auszuwählen, die dann von den Providern durch Umleitung auf ein Stopp-Schild gesperrt werden sollen. Irgendeine Bestimmung darüber, wer mit welcher Ausbildung und nach welchen Kriterien beim BKA bestimmen soll, welche Seiten auf die Sperrliste gehören, ist im Entwurf nicht enthalten. Dies ist deshalb besonders problematisch, weil nicht nur kinderpornographische Seiten gesperrt werden sollen, sondern auch solche Seiten, die auf kinderpornographische Seiten verlinken. Auch darüber soll das BKA arbeitstäglich eine Entscheidung treffen. So fragt sich, ob etwa wikileaks betroffen wäre, wenn dieser Anbieter etwa aus politischen Gründen auf eine Sperrliste verlinkt, um zu zeigen, dass diese tatsächlich nur wenige Webseiten mit Kinderpornographie enthält. Es wäre schon äußerst bedenklich, wenn so dem BKA ermöglicht würde, Kritik an seiner Tätigkeit zu unterbinden.

Ein effektiver Rechtsschutz gegen die Maßnahmen des BKA ist unter diesen Voraussetzungen nicht möglich. Es ist nur vorgesehen, dass der Staat für evtl. Fehler des BKA haftet und nicht die Provider. Obwohl ich kein Verfassungsrechtler bin, bezweifle ich, dass dies dem GG entspricht - Art. 5 GG und Art. 19 Abs.4 GG.

Den Zugangsweg zu erschweren, ist außerdem bei Weitem zu wenig, um gegen Kinderpornographie im Internet vorzugehen. Stellen Polizeibeamte bei ihrer Recherche ein kinderpornographisches Angebot fest, so sind sie umgehend zu Ermittlungen verpflichtet und haben nicht nur umzuleiten, sondern den entsprechenden Verantwortlichen unmittelbar zu verfolgen und natürlich auf ein Abschalten der Seiten hinzuwirken. Vieles deutet darauf hin, dass hier nur aus plakativen Gründen ein problematisches und weitgehend ungeeignetes Gesetz gemacht werden soll.

Zudem liegt nach ausländischen Erfahrungen die Annahme nicht ganz fern, dass künftig auch andere unerwünschte Web-Inhalte ohne gerichtliche Kontrolle  polizeilicherseits gesperrt werden sollen (z.B. Urheberrechtsverstöße, rechtsradikale und linksradikale Propaganda, Glücksspielseiten).

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60 Kommentare

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Lieber Herr Kollege Müller,

wir hatten beide die selbe Idee. An dem Thema scheint also was dran zu sein. Weil zur Diskussion Ihr Beitrag besser anregt als der meine, habe ich ihn entfernt und erlaube zu Beginn der Diskussion auf die wesentlichen Inhalte des geplanten Gesetzes hinzuweisen, mit dem der Gesetzgeber Neuland beschreitet, weshalb in zwei Jahren eine Evaluierung erfolgen soll:

  • Auf der Basis von Sperrlisten des Bundeskriminalamts werden alle größeren privaten Internetzugangsanbieter verpflichtet, den Zugang zu kinderpornographischen Inhalt im Internet durch geeignete technische Maßnahmen zu erschweren.
  • Aus präventiven Gründen wird gegenüber den betroffenen Benutzern über eine sog Stoppmeldung klargestellt, warum der Zugang zu einem kinderpornographischen Angebot erschwert wird.
  • Die Zugangsanbieer haften nur, wenn und soweit sie die Sperrlisten des Bundeskriminalamts nicht ordnungsgemäß umsetzen.
  • Die anfallenden Daten können für die Strafverfolgung genutzt werden.

Die neuen Regelung enthalten Änderungsvorschläge zum Telemediengesetz (TMG) und zum Telekommunikationsgesetz (TKG).

Beste Grüsse

Bernd von Heintschel-Heinegg

Der letzte Absatz ist genau was ich befürchte und was mich so unglaublich ärgert. Ich denke dass Sekunden nach Inkrafttreten des Gesetzes eben auch andere Seiten vom BKA gesperrt werden, und wir hier Verhältnisse wie in der Türkei (Atatürk Kritik wird gesperrt) oder Thailand (König Kritik wird gesperrt) haben werden.

Die Heuchelei von Zensursula von der Leyen zeigt sich am besten hier - ein Experiment zeigt dass es sehr einfach ist, solche KP-Seiten beim Anbieter zu löschen:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29914/1.html

 

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Das ganze Gesetzesvorhaben dient erkennbar dazu, auch in Deutschland eine Internet-Filterinfrastruktur zwangsweise einzuführen. Der Kampf gegen die Kinderpornographie dient nur als "Einstriegsdroge", weil dies einer unbedarften und leider auch oft technikfeindlichen Öffentlichkeit derzeit medial vermittelbar erscheint.

Für Fachleute ist es ersichtlich, dass die vorgehesene Massnahme im Kampf gegen Kinderpornographie nicht erforderlich und darüberhinaus sogar ungeeignet ist.

Ob Frau von der Leyen um diese Zusammenhänge im Grunde weiß und somit als zynisch und bösgläubig anzusehen ist, möchte ich hier nicht beurteilen; Beratungsresistenz ist jedenfalls zu diagnostizieren. Über Frau von der Leyen hinaus gibt es auf der politischen Ebene aber sicher auch weitere Akteure, die sich jetzt über die ihnen zufallende Chance freuen, eine von ihnen  für einen wesentlich erweiterten Kreis von Zwecken gewünschte Filterinfrastruktur aufbauen zu dürfen.

  http://tinyurl.com/dkubtf

Nach dem Errichten der Filterinfrastrukur werden sich dann nämlich lange Warteschlangen von öffentlich-rechtlichen und privaten "Bedarfsträgern" bilden, die vortragen, zu der Sperrliste eigene Beiträge liefern zu wollen. Bis hin zu Vertretern der Content-Industrie wie RIAA etc. pp.

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Auf heise.de wird eine Äußerung der Bundesjustizministerin Zypries wie folgt wiedergegeben:

"Der Rechtsstaat verlangt laut der SPD-Politikerin aber auch, dass die über die Stopp-Seite ausfindig gemachten Straftäter verfolgt und anklagt werden. Der Entwurf sehe daher vor, dass es für die Strafverfolger möglich sei, "in Echtzeit" direkt beim Provider auf die IP-Adressen der "Nutzer" des virtuellen Warnschilds zuzugreifen. Eine Strafbarkeit liege schon in dem Moment vor, wenn nicht nachgewiesen werden könne, dass es sich um ein Versehen oder eine automatische Weiterleitung gehandelt habe. Generell mache sich strafbar, wer es unternehme, sich kinderpornografische Bilder und Schriften zu beschaffen. Die Strafandrohung liege dabei bei zwei Jahren."

Mit dem ersten Satz kann man einverstanden sein, wenn es um die Anbieter ginge. Aber im Folgenden muss man doch die Stirn kräftig runzeln: Die Stopp-Seiten sollen nicht nur dazu dienen, den Markt für Kinderpornographie auszutrocknen, sondern sie sollen offenbar zugleich als eine Art "Honigtopf" benutzt werden, um User, die solche Links anklicken, strafrechtlich zu verfolgen. Diese würden es  angeblich "unternehmen", sich Besitz an diesen Bildern zu verschaffen. Aber trifft das zu? Besitz bedeutet tatsächliche Sachherrschaft. Das bloße Anschauen von  Bildern im Internet (wenn nicht eine Kopie auf der Festplatte gespeichert werden soll) ist deshalb keine "Besitzverschaffung" im Sinne des § 184 b Abs. 4 StGB. Deshalb kann auch der Versuch, auf eine solche Seite zu gelangen, noch nicht als "Unternehmen der Besitzverschaffung" subsumiert werden.

Man kann es sich kaum vorstellen, dass Frau Zypries so etwas gesagt hat. Wurde sie von heise falsch zitiert?  Oder hat sich Frau Zypries bei der juristischen Bewertung nicht auf ihr eigenes Studium, sondern auf die Empfehlungen des BKA verlassen? Das wäre in der Tat ziemlich skandalös für eine ranghohe Juristin.

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

"Man kann es sich kaum vorstellen, dass Frau Zypries so etwas gesagt hat."

Ich kann mir ohne weiteres vorstellen, dass Frau Zypries das nicht nur so gesagt, sondern vor allem auch so gemeint hat.

Der Frau fehlt jegliche Praxiserfahrung (sei es als Richterin, sei es als Staatsanwältin, sei es als Anwältin), was man uA auch an der Qualität der Gesetzesvorlagen aus dem Ministerium ohne weiteres erkennt (oder ist der fernabsatzrechtliche Hickhack schon vergessen?).

Oder ein weiteres Nachdenkerl: Warum arbeitet eine Kanzlei an einem Gesetz mit, ohne dass es zuvor eine Ausschreibung des Projektes gegeben hat? (Lassen wir das Verfassungsrecht mal außen vor): Vergaberechtlich in allerhöchstem Maße bedenklich.

Anbei ein kurzes Schmankerl aus einem Aufsatz in den BRAK-Mitteilungen (2007, S. 12ff.):

"Der von der Bundesjustizministerin auf dem 57. Deutschen Anwaltstag geäußerte Appell mag zwar aus politischer Sicht begrüßenswert erscheinen, er ist de lege lata aber nicht umsetzbar. Es bleibt ein Beigeschmack, wenn sich die Justizministerin mit einem nicht erfüllbaren Appell an die Anwaltschaft herantritt. Da sowohl sie selbst, wie auch eine Vielzahl der Mitarbeiter im Justizministerium Volljuristen sind, stellt sich an dieser Stelle die Frage, warum sie in Kenntnis der geltenden Rechtslage gleichwohl einen rechtlich unerfüllbaren Appell an die Rechtsanwaltschaft formuliert."

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Hier gibt es Frau Zypries im O-Ton: http://sz-audio.sueddeutsche.de/politik/index.php?audio=2566&start=1

Hier Frau von der Leyen: http://sz-audio.sueddeutsche.de/politik/index.php?audio=2565&start=1

Lesenswert zur "Synchronisierung" der beiden Ministerinnen ist http://www.sueddeutsche.de/,tt3m1/politik/348/465933/text/

Was von dem ganzen Unternehmen zu halten ist: http://netzpolitik.org/2009/die-dreizehn-luegen-der-zensursula/

Die Kinderpornografen werden äußerst durchsichtig als Vorwand benutzt, um das Internet zu kontrollieren, genauso, wie man die Terroristen benutzt hatte, um die seltsamen Terrorsitengesetze durchzudrücken. Wäre es jetzt sehr polemisch, darauf hinzuweisen, dass Frau von der Leyens Vater Ministerpräsident von Niedersachsen gewesen war, als dort die Terrorangst mit dem vom Verfassungsschutz inszenierten "Celler Loch" geschürt wurde ...?

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Leider scheint das Einrichten solcher "Honeypots" offenbar im Alltag der Ermittlungsbehörden durchaus vorzukommen, wie RA Udo Vetter hier berichtet:

http://www.lawblog.de/index.php/archives/2008/11/18/die-razzia-ist-nur-e...

Bei dem dort beschriebenen Fall hat das LKA BW also eine Rapidshare-Datei ausgetauscht, dann den Anklicker abgewartet, und ausschließlich auf Grund des Klicks die (Versuchs-?)Strafbarkeit angenommen, die dann zumindest zur weiteren Ermittlungsmaßnahme der Hausdurchsuchung geführt hat.

Wie im Thread dort diskutiert, stellt sich mE. vor allem die grundsätzliche Frage nach den subjektiven Tatbestandsmerkmalen, dem Vorsatz eines Sich-Verschaffen-Wollens. Denn solche "Klicks" sind technisch nicht unbedingt mit einer vorsätzlichen Handlung eines Endbenutzers gleichzusetzen (es reicht etwa das Übersenden von e-Mails mit eingebetteten HTML-Inhalten, die beim Abruf nachgeladen werden). Dies gilt allgemein, im dort beschriebenen Fall von Rapidshare muss man sich wohl durch mehrere Masken klicken, weshalb eine Benutzer-Interaktion wiederum plausibler erscheint.

Ich kann mir deshalb schon vorstellen, worauf es hinauslaufen wird mit den Trefferlisten der verbotenen Anfragen:
Vielleicht reichen die herausgefilterten Klicks alleine nicht als Beweismittel für eine Verurteilung in einem Strafverfahren--genutzt werden Sie dann wohl zunächst, um einen Anfangsverdacht zu konstruieren, der dann im Ermittlungsverfahren eine Hausdurchsuchung rechtfertigt.

Dass solche einfachen "Klicks" vielleicht demnächst für die Bildung eines Anfangsverdachts genutzt werden können, der eine Hausdurchsuchung nach sich zieht --das finde ich den eigentlich schlimmen Skandal.

Die Schwelle des sich-verdächtig-machens ließe sich so kaum noch niedriger legen.

Sollten auch Seiten, die nur in einer weiteren Generation auf verbotene Inhalte verlinken, gesperrt werden, dann muss man wohl sagen: Ultima Ratio, Rechtsgüterschutz, Sozialschädlichkeit des Verhaltens --das Strafrecht verkommt hier zu einem Erzwingungsmittel staatlichem Informations-Konformismus.

Ich möchte hier nicht das Wort vom Staats-Terror reden, aber der "Schrecken", den eine morgendliche Durchsuchung beschert, nur wegen abgerufener Informationen, wird schon selbst zur Abschreckung --bloß nur noch penibel genau ausgesuchte Inhalte ansurfen.

Im Prinzip wären wir dann schon so weit, wie es die EU gerne hätte. Nur noch "Lawful Content", abrufbar solle nur sein, was explizit erlaubt (am besten: vorab-genehmigt oder begutachtet) ist.

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Ich wollte als juristischer Laie mal fragen wie das Ganze mit der Strafbarkeit u.a. hiermit:

„EuGH erklärt geheime EU-Liste verbotener Gegenstände im Handgepäck von Flugreisenden für ungültig“

http://www.kostenlose-urteile.de/newsview7563.htm

korrespondieren soll. Die Verbotsliste ist geheim, also kann ein einfacher Bürger ja nicht wissen, dass er eine bestimmte Webseite nicht unter Strafandrohung aufrufen darf.

Wie sehen dass die Experten. Oder ist das hierbei nicht relevant und falls ja, warum?

Danke schon mal.

 

PS: Herr Zosel, wenn man die Kommentare im RSS-feed abonniert wird nicht angezeigt von wem sie sind und zu welchem Thread, kann man das ändern?

Nochmal danke.

 

 

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@Herr RA Kompa, vielen Dank für Ihre sehr hörens- und lesenswerten Links (#6). Die beiden Bundesministerinnen scheinen sich nicht nur nicht zu mögen, sondern wissen offenbar auch gar nicht so genau, auf was für einen Gesetzentwurf sie sich geeinigt haben. Frau von der Leyen (Ärztin) scheint in dieser Frage bessere juristische Kenntnisse vorweisen zu können als die Justizministerin Zypries (Jurastudium in Gießen und beide Staatsexamina). Für eine strafrechtliche Subsumtion genügen strafrechtliche Grundkenntnisse und  ein StGB-Kommentar, deshalb kann man den Irrtum der Ministerin nicht auf ihre (angeblich) mangelnde praktische Erfahrung zurückführen, Herr le D (#5). Zumindest als Referendarin wird sie in all den von Ihnen genannten Stationen (StA, Gerichte, Anwaltschaft) praktisch tätig gewesen sein.

Im Beitrag von Lutz Donnerhacke auf netzpolitik.org scheint mir besonders interessant die von ihm so genannte Lüge #4 zu sein. Er behauptet, die Polizei habe von Verbreitungstatbeständen auf deutschen Servern gewusst, aber die Ermittlungsbehörden seien ein Jahr lang nicht eingeschritten. Ich habe diesen Vorwurf auch schon diverse Male im Netz gelesen, allerdings, wie jetzt auch bei Donnerhacke, ohne jeglichen substantiierten Beleg. Wenn mir entsprechende zuverlässige und nachvollziehbare Informationen mitgeteilt würden, würde ich gegen die Verantwortlichen  Strafanzeige erstatten. Strafvereitelung im Amt ist ja kein geringer Vorwurf. Andererseits nützt es ja nichts, wenn man solche Behauptungen im Netz verbreitet, ohne konkret zu werden.

@Herr/Frau Gast (#7)
leider kann eine Tendenz zum übermäßigen Einsatz von Hausdurchsuchungen beobachtet werden. Sie könnten also Recht haben mit Ihrer Vermutung, dass der "Honigtopf" in Form eines Stoppschilds, wenn auch nicht zum Beweis strafbaren Verhaltens (wie die offenbar jurstisch desinformierte Justizministerin annimmt), dann doch benutzt werden könnte, um Tatverdachtsannahmen für Haus- und Festplattendurchsuchungen zu generieren.

@Herr Horns, Ihr Link war eben nicht erreichbar, Deshalb hier noch einmal in Langform.

Besten Gruß
Henning Ernst Müller

 

Hallo,

zu Beitrag #11 kann ich was sagen.

Henning Ernst Müller schrieb:
[...]

Im Beitrag von Lutz Donnerhacke auf netzpolitik.org scheint mir besonders interessant die von ihm so genannte Lüge #4 zu sein. Er behauptet, die Polizei habe von Verbreitungstatbeständen auf deutschen Servern gewusst, aber die Ermittlungsbehörden seien ein Jahr lang nicht eingeschritten. Ich habe diesen Vorwurf auch schon diverse Male im Netz gelesen, allerdings, wie jetzt auch bei Donnerhacke, ohne jeglichen substantiierten Beleg. Wenn mir entsprechende zuverlässige und nachvollziehbare Informationen mitgeteilt würden, würde ich gegen die Verantwortlichen  Strafanzeige erstatten. Strafvereitelung im Amt ist ja kein geringer Vorwurf. Andererseits nützt es ja nichts, wenn man solche Behauptungen im Netz verbreitet, ohne konkret zu werden.[...]

Besten Gruß
Henning Ernst Müller

 

Ich habe am 26.01.2009 den Beitrag "Wo stehen die Server die in Europa blockiert werden?" in meinem Blog (https://scusiblog.org) veröffentlicht. Einige Tage davor habe ich die vollständigen Ergebnisse meiner Analysen dem LKA in Berlin (Abteilung 131 - Cybercrime) mitgeteilt. Das LKA hat mir versichert diese Daten an das BKA weiterzuleiten. Zu diesem Vorgang liegen mir auch diverse Emails zwischen mir und dem LKA Berlin vor. Das BKA verfügt demnach seit Ende Januar / Anfang Februar über die Daten aller Server welche auf den entsprechenden Sperr-Listen unserer Nachbarländer (DK, SE, NO, FI, CH)verzeichnet sind bescheid, inklusive nach Ländern aufgeschlüsselte Serverstandorte zu jedem Sperrlisten-Eintrag (FQDN).

Mit freundlichen Grüßen
Florian Walther

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Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Mueller,

zwei Punkte:

1) Ihrer Besorgnis:

"Zudem liegt nach ausländischen Erfahrungen die Annahme nicht ganz fern, dass künftig auch andere unerwünschte Web-Inhalte ohne gerichtliche Kontrolle  polizeilicherseits gesperrt werden sollen (z.B. Urheberrechtsverstöße, rechtsradikale und linksradikale Propaganda)."

kann ich voll und ganz zustimmen.

Die entscheidende Frage ist: Wird es im demokratischen Diskurs moeglich sein, den Ausnahmecharakter der Sperr-Massnahmen gegen Kinderpornographie aufrechtzuerhalten? Oder muessen wir, diskurstheoretisch, den 'Dammbruch' fuerchten (i.e. die Legitimitaet des Ausweitens der Sperr-Strategie auf radikalpolitische u.a. rechtswirdige Inhalte wird sich nicht mehr wirksam in Frage stellen lassen)? Wenn letzteres der Fall ist (und dafuer spricht die Erfahrungen mit der Massenpsycholigie des Dammbruchs in anderen Bereichen), dann muss uns dieser Eingriff Sorge bereiten.

2. Der 'Honigtopf'

Meine Rererche ergab, dass Frau Zypries hier richtig liegt. Es hab sogar schon Gerichtsentscheidungen, die beim Ansehen solcher Internetseiten Besitz annehmen. Entsprechend ist der Versuch, solche Seiten aufzurufen, die Erfuellung des 'Unternehmens'-Tatbestandes. Die Begruedung fand ich auf einer Seite einer Staatsanwaltschaft:

"Sollten Sie diese Seite mit Ihrem Internetbrowser aufgerufen haben, so löschen Sie bitte den Inhalt des Cachespeichers (beim Microsoft Internet Explorer ist dies standardmäßig der Inhalt des Ordners "Temporary Internet Files" im Windows-Verzeichnis; beim Netscape Navigator ist der Inhalt des Ordners "Cache" im Programmverzeichnis des Navigators zu löschen).
Dort werden möglicherweise die Inhalte der aufgerufenen Internetseiten über das Ende der Internetsitzung hinaus gespeichert, so dass Sie sich rechtlich gesehen im Besitz von Kinderpornografie befinden."

Anders waere es nur, wenn man sagen koennte, dass die Leute ja nicht zwingend wissen, dass es so etwas wie einen Browsercache gibt. Dann fehlt der subjektive Teil des Besitztatbestandes.

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Sehr geehrter Herr ralf,

die Thematik hatten wir im Blog schon an anderer Stelle. Die Entscheidungen, die ich kenne, gehen jeweils vom objektiv schon gegebenen Besitz aus, d.h. man hat auf der Festplatte Material gefunden und dann von diesem obj. Besitz ausgehend gefragt, ob man auch den subj. Tatbestand beweisen kann. Dabei ist z.B. die Frage virulent, ob der betr. User weiß, dass die Bilder aus angeklickten Internetseiten im Browsercache landen (oder auch im Papierkorb) und von ihm jederzeit wieder angeschaut werden können. Der BGH hat (m. E. mit anfechtbarer Argumentation) hier - den subj. Tatbestand, also das Wissen um Besitz bejaht. Aber zu dieser Argumentation brauchte man eben zunächst obj. den Besitz, wie auch in dem von Ihnen gebrachten Zitat der Staatsanwaltschaft.
Die Argumentation von Frau Zypries, der User, der eine solche Website aufrufe, mache sich schon deshalb strafbar, weil er sich damit Besitz verschaffen wolle, ist nicht tragfähig. Insofern hat Frau von der Leyen Recht: das bloße Anschauen der Bilder ist (noch) nicht strafbar.
Dennoch wäre es interessant, wenn Sie die Ergebnisse Ihrer Recherchen betr. die Gerichtsentscheidungen noch konkretisieren.

Nochmals zur oben schon gestellten Frage, ob die Polizei bewusst Ermittlungen gegen in Deutschland Kinderpornographie verbreitende Verantwortliche unterlässt. Eine schon konkretisierte derartige Behauptung stellt auch Herr Christian Bahls in einem Interview auf Zeit-online auf, der  - selbst Missbrauchsopfer - nun eine Organisation gegen die Internetsperrpolitik gegründet hat.

Beste Grüße
Henning Ernst Müller

Wurde dies hier schon verbreitet:

http://tinyurl.com/d87nkc

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Nach der Verständigung auf ein Gesetz zur Blockade von Kinderpornografie im Internet hat Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) vor weiteren Beschränkungen des Datennetzes gewarnt. Gegenüber dem Hamburger Abendblatt wies sie zwar den Vorwurf der Zensur zurück, meinte aber, auch es sei zutreffend, dass die Internetfirmen gezwungen werden, eine Technik anzubieten, mit der sich beliebig Seiten sperren lassen. "Ich gehe davon aus, dass dadurch Begehrlichkeiten geweckt werden, auch Inhalte ausländischer Anbieter zu reglementieren, die keinen Bezug zu Kinderpornografie aufweisen", erklärte Zypries.

Es sei daher dringend notwendig, über die sich ändernde Bedeutung des Internet zu diskutieren. Man müsse sich in Deutschland zunächst darüber klar werden, wie man mit dem Internet generell umgehen wolle. "Befürchtungen, die Liste sperrwürdiger Inhalte würde sehr schnell sehr lang werden, sind in meinen Augen berechtigt. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir nicht über das Ziel hinausschießen. Deshalb bleibt es bei der Begrenzung auf die Sperrung von Kinderpornografie", erklärte Zypries.

          --------------------------------------- CUT ---------------------------------------

q.e.d.

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Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

vielen Dank für Ihren persönlichen Hinweis auf dieses Blog. Zu Ihrer Frage in #11 kann ich ergänzen, daß ich auf Wunsch von Herrn Bahls einige der Links, die er in dem Zeit Interview angibt, überprüft habe. Der betroffene Kieler Hoster hatte die fraglichen Seiten seit Jahreswechsel 2007/2008 auf seinen Systemen. Die Domains selbst waren bei einer anderen Firma registriert. Die Inhalte blieben über ein Jahr unverändert auf diesen Seiten stehen, wurden aber kürzlich entfernt. Da die Domains vom Hoster nicht beeinflußt werden können, zeigen sie weiterhin auf seine Server. Mittlerweile ist dort eine Weiterleitung auf das Hostingangebot des Dienstleisters selbst zu sehen.

Herr Bahls hatte den Ermittlungsbehörden und dem Bundesfamilienministerium eine Liste der URLs zukommen lassen. Die Reaktion des Bundesfamilienministeriums bestand aus Textbausteinen ohne Bezug auf die eigentliche Nachricht. Diese Textbausteine haben meine Reaktion ausgelöst, die dann durch einen anderen Netzteilnehmer ins Blog verfrachtet wurde. Aus diesem Kontext erklärt sich meine Sprachwahl und fehlenden Quellenangaben.

Generell ist den Strafverfolgungsbehörden die Existenz der geleakten Listen bekannt, man hat ja deswegen auch schon Hausdurchsuchungen vorgenommen. Die URLs, die Herr Bahls übermittelte sind aus diesen geleakten Listen. Die Frage ist deshalb mehr als berechtigt, warum diese Listen nicht zumindest auf Angebote innerhalb des eignen Landes durchsucht wurden.

Vielleicht noch ein Nachtrag zum Inhalt der Webseiten, die von dem Kieler System aus verbreitet wurden. Es handelt sich nach meiner Stichprobe um eine Sammlung von privaten Strandbildern sowie einigen ältern Posingaufnahmen der damaligen russischen Firma. Von kommerzieller Vermarktung oder Darstellungen realer Straftaten.

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Die anfallenden Daten, sei es "in Echtzeit" oder nach Speicherung, für die Strafverfolgung zu verwenden würde im Ergebnis eine permanente repressive Kommunikationsüberwachung von 49 Millionen Internetanschlüssen bedeuten. Man muß kein Optimist sein, um sich vorzustellen, was das BVerfG mit einem solchen Gesetz anstellt.

Im Übrigen ist es allgemein verstörend, dass dieser Tage Verfassungsbeschwerden öffentlich "vorgestellt" werden. Es ist fast so, als gehören diese mittlerweile fest zum Gesetzgebungsverfahren. Wobei man Menschen wie Herrn Baum &  Herrn Hirsch natürlich nicht genug danken kann.

Im Weiteren kommt es mir, vielleicht ist es naiv, vor, dass Frau Zypries das Gesetz durch Ihre Äußerungen bewusst sabotieren will, nachdem Zensursula und der Graf ihr das Ruder aus der Hand genommen haben. Die Aussage zur Beweislastumkehr KANN eine Justizministerin nicht ernst meinen. Es existieren im Internet bereits diverse Pläne von Spassvögeln, wie man andere direkt auf die Stoppseiten locken könnte, ohne dass diese das merken. (iframe, tinyurl etc.) Es gibt auch bereits einen Terminus dafür: nuken

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@Ferner:
Das wird ja immer heißer! Nun ist JEDEM Internetnutzer zu raten, einen alternativen DNS einzutragen.

 

Wie siehts denn aus mit einer außerordentlichen Kündigung für Kunden von derzeitigen freiwillig-Weiterleitern?

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Die Büchse der Pandorra ist geöffnet würde man jetzt sagen. Nachdem der Sprecher des Justizminiteriums hier klaren Wein eingeschänkt hat

<ZITAT>...erklärte jetzt Ulrich Staudigl, Sprecher im Bundesjustizministerium, dass man in der Regierung durchaus eine Überwachung der von den Providern gehosteten Stoppseiten-Server durch Strafverfolgungsbehörden in Betracht zieht....</ZITAT>

kann man davon ausgehen, das mit dem Inkrafttreten des Gesetzes die Begehrlichkeiten laut werden, die dazu genutzte Technik auch gegen Filesharer und andere unbeliebte oder Regimekritische Seiten anzuwenden. Wir steuern gefährlich auf eine Totalüberwachung des Netzes zu, die so nicht hingenommen werden kann und sollte. Es wird höchste Zeit das die Bürger in Deutschland aufgeklärt werden, welche perversen Ziele die Politiker verfolgen.

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Für mich stellen sich hier noch weitere Fragen (als Nichtjurist, "iudex non calculat"):

-Legt man die fragwürdige Hochrechnungs-Zahl der angeblichen täglichen 300.000 verbotenen Zugriffe auf zu sperrende Inhalte zu Grunde, und nimmt man sicherheitshalber nur  1/100tel, so würden, der Logik der Medizinerin v.d.Leyen folgend, täglich 3.000 Benutzer in der "Echtzeitüberwachung" ans BKA gemeldet. Das ergäbe eine Monats-Hochrechnung von 3.000 x 30 Tage = 90.000. Nehmen wir sicherheitshalber einen weiteren Abschlag von einem Zehntel -vielleicht wiederkehrende Benutzer- vor, so blieben immer noch 9.000 Benutzer, die verbotene Zugriffe versuchen, pro Monat.

Legt man nun gleichmäßig die selben Maßstäbe an die Bildung eines Anfangsverdachts zugrunde, so würden monatlich 9.000 Ermittlungsverfahren wegen versuchter Beschaffung der verbotenen Schriften eröffnet, oder, bei 12 Monaten, rd. 100 Tausend Ermittlungsverfahren pro Jahr.

Zur Zuständigkeit: Für die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens kann das BKA bzw. die Bundesanwaltschaft ja nicht zuständig sein -noch geht es nicht um Terrorismus. Oder rechnet man die Verbreitung der verbotenen Schriften von nun an der organisierten Kriminalität zu?

Also müsste das BKA die "echtzeitermittelten" versuchten Zugriffe an die jeweiligen Landeskriminalämter bzw. die Staatsanwaltschaften der Länder weiterleiten (die werden sich freuen).

Diese würden dann, um die jeweils mehreren hundert bis tausend Anfangsverdachts-Fälle auszuermitteln, in jedem Monat hunderte bis tausende von PCs im Rahmen von Hausdurchsuchungen sicherstellen und auswerten (stand in der Gesetzesbegründung etwa "keine anfallenden Kosten" für die Gesetzes-Umsetzung?)

Bliebe die Frage, ob denn die Kriterien für die Bildung eines Anfangsverdacht vom BKA oder den Staatsanwaltschaften der Länder beliebig festgelegt werden können (etwa, ab zehn Zugriffe, oder nur bei Zugriff auf die wirklich schlimmen Seiten). Eine "gewerblichkeitsschwelle" wie bei der Verfolgung von Urheberrechtsverletzung gibt es bei diesem Delikt ja nicht.

Zugespitzter formuliert: können es das BKA bzw die Staatsanwaltschaften überhaupt unterlassen, für jeden Klick Ermittlungsverfahren einzuleiten, wenn sie (der durchaus fragwürdigen Interpretation folgend)  davon ausgehen (müssen), dass jeder Abruf eine versuchte verbotene Verschaffenshandlung darstellt, die ihrerseits einen Anfangsverdacht begründen muss?

Insofern wäre ich, als Staat, dann doch frohr, wenn ich die Infrastruktur nicht hätte, die mir tagtäglich vermutete hunderte oder tausende Ermittlungsverfahren aufzwingt, die teuer und langwierig zu führen sind (Auswertung des Equipments mit jeweils gigabeyteweise Daten), während der Strafrahmen bei Ersttaten sich im Bereich von Geldbußen bewegt, und das Land dadurch nicht "sicherer" wird (abstraktes Gefährdungsdelikt, m.a.W. kein unmittelbar geschädigtes Opfer).

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Staudigl bestätigte in diesem Kontext, dass jeder Nutzer mit Strafverfolgung rechnen muss, wenn er dabei beobachtet wird, eine geblockte Webseite abzurufen: Ein "aufgrund der Umleitung zur Stoppseite erfolgloser Versuch, eine Internetseite mit kinderpornographischem Material aufzurufen, erfüllt die Voraussetzungen dieses Straftatbestands und begründet daher den für strafrechtliche Ermittlungen notwendigen Anfangsverdacht". Die Unschuldsvermutung gelte aber weiterhin, denn "den Nachweis des Vorsatzes müssen selbstverständlich die Strafverfolgungsbehörden führen".

Zitat aus : http://www.heise.de/newsticker/Kinderporno-Sperren-Regierung-erwaegt-Echtzeitueberwachung-der-Stoppschild-Zugriffe--/meldung/136769

Von welchem Straftatbestand spricht Herr Staudigl hier? § 184b? Ich sehe hierbei laut meinem Gesetzestext keine Versuchsstrafbarkeit; der §184b ist ja auch kein "Verbrechen" iSv § 12 StGB.

Wird man also noch eine Versuchsstrafbarkeit für diese Norm einfügen?

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§ 184b Abs. 4 StGB lautet:

"Wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer die in Satz 1 bezeichneten Schriften besitzt."

 

Da ja (angeblich*) nur KiPo auf der Liste landet kommt da die "Versuchsstrafbarkeit" her (wobei der technicus terminus unzutreffend ist, weil es sich bei Abs. 4 um ein Unternehmensdelikt handelt.

 

 

Grüße

* wie das tatsächlich aussieht, kann anhand der Berichterstattung zu den geleakten Listen anderer Länder nachvollzogen werden, zB http://www.internet-law.de/2009/03/w3c-war-in-finland-auf-kinderporno.html

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Interessant dürfte es werden, wenn einige Internetnutzer auf die Idee kommen, die Sperrseite unmittelbar aufzurufen. Begründet auch dies eine Versuchsstrafbarkeit? ;)

Und was ist, wenn die Liste aufgrund behördlicher Sicherheitsmaßnahmen nach 2 Monaten im Netz zu finden ist? Kann man dann bei einem Aufrufen der darauf befindlichen Seiten überhaupt noch einen realen Vorsatz annehmen, wo doch gerade die Masse an Pädophilen mit Sicherheit sofort die Liste durchsurfen wird - und daher auch die Sperrung kennt.

Wer aber weiß, dass die Domain nicht zu dem gewünschten Webspace führt kann folglich keinen Beschaffungsvorsatz haben.

 

Der Gedanke lässt sich sogar noch weiterspinnen, und zeigt, zu welchen Ergebnissen das Unternehmensdelikt hier führt:

  • Das BKA könnte, sagen wir, zweihundert verfänglich oder kryptische klingende Domains im Ausland registrieren, auf denen keine strafbaren Inhalte gespeichert werden
  • Die zweihundert Domains kommen zusätzlich in die Sperr-Liste, die an die Provider gehen
  • Danach lanciert das BKA die Liste mit den zweihundert selbst angemieteten Domains als "geleakte Sperrliste des BKAs" zB an Wikileaks und schreibt in ein paar Blogs.

Danach muss es nur noch die geplante "Echtzeitüberwachung" der DNS-Sperre einschalten und es sieht, wer die Wikileaks-Informationen nutzt und sich auf die entsprechenden Seiten begibt.

Es kann dann Ermittlungsverfahren einleiten lassen gegen alle Deutschen Bürger, die sich (ohne technische Gegenmaßnahmen) die Sperr-Liste ansehen wollen. Der subjektive Tatbestand "Unternehmen des Verschaffens" der verbotenen Inhalte und "Kontrolle der Liste" wäre ja zunächst nicht unterscheidbar. Da die Liste aber als angebliche Liste von verbotener KiPo veröffentlicht wurde, kann sich ein Anklicker nicht so schnell herausreden.

(Auch) im Interesse der Beschuldigten müssten die Vorwürfe in einem Ermittlungsverfahren einschl. aller Maßnahmen, geklärt werden.

Wertet das BKA die Protokoll-Dateien der angemieteten Server aus, so könnten auch vom Ausland zugreifende IP-Adressen eingegrenzt werden.

Und auch zusätzlich wären durch die Server-Protokolle alle die inländischen Provider-Kunden ermittelbar, die die Ziel-Adresse aufgerufen haben, aber den "zensierenden" DNS-Server umgangen haben.

Dass das BKA, freundlich formuliert, "kreativ mit Beweisen umgeht", ist leider schon mal vorgekommen (zB: http://annalist.noblogs.org/post/2009/03/26/bka-zeuge-l-gt-schlecht-ber-... ) und nicht völlig abwegig.

Spätestens zum Erzeugen von Statistiken wäre das eine Vorgehensweise der Wahl. Zeitungsüberschrift: "(Zig-)Tausende von Deutschen rufen vermeintliche KiPo Webadressen auf und tappen in BKA-Falle."

Damit lässt sich, rekursiv, politisch die Sperrmaßnahme rechtfertigen, und weitere, strengere Blockaden durchsetzen. "Blockade-Bedarf ist ja offenbar vorhanden."

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Verehrte Mitstreiter/innen,

nach wie vor bin ich der Auffassung (siehe # 4 und # 13), dass das Aufrufen einer der gesperrten Seiten keine Strafbarkeit begründet, da erst ein Unternehmen (Versuch) des Besitzverschaffens, nicht aber ein Versuch des Anschauens von Kinderpornographie nach § 184 b Abs.4 StGB strafbar ist. Ich vermute jetzt, dass Herr Staudigl der Urheber dieser Mär ist, die zunächst von Frau Zypries verbreitet wurde. Unabhängig davon ist eine solche vom Justizministerium vorgesehene Echtzeitüberwachung und Datensammlung (Daten derjenigen, die solche gesperrten Seiten aufrufen) problematisch. Datenschutzrechtlich erscheint mir dafür die Rechtsgrundlage (in der Form des Gesetzentwurfs)  nicht ausreichend.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Wenn man davon ausgeht, dass das Betrachten pornografischer Schriften am Bildschirm und dass damit verbundene Speichern im Cache ein vollendetes "Sich-Verschaffen" im Sinne des § 184b Abs. IV StGB ist, dann ist der vorsätzlich versuchte Aufruf einer Website mit kinderpornographischen Inhalten strafbar.

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@Prof. Müller: Es gibt ja eine Reihe von Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der geplanten Sperrung (Zuständigkeit des BKA? gerichtliche Kontrolle einer geheimen Liste? Haben wir nicht schon JuSchG und JMStV?) und § 184b Abs. 4 StGB ("Besitz" an flüchtigen Kopien im Browser-Cache?) sowie des Strafprozessrechts (Anfangsverdacht hinsichtlich des Unternehmensdelikts auch bei extensiver Auslegung des Besitzbegriffs, da beim bloßen Aufruf eines gesperrten Inhalts nicht bekannt ist, ob der betreffende Internetnutzer nicht vielleicht den Browser-Cache deaktiviert hat und in seiner Herrschaftsspähre nicht einmal flüchtige lokale Kopien [erfolgreich] aufgerufener Darstellungen entstehen würden? Verhältnismäßigkeit der ggf. erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen, da ja nur eine Hausdurchsuchung mit Beschlagnahme des Rechners insoweit Klarheit schaffen kann?).

Besonders beunruhigend finde ich aber, dass in allen öffentlichen Äußerungen und in dem von der Bundesregierung offenbar beschlossenen Änderungen im TMG und BKAG (jedenfalls in der geleakten Version http://blog.odem.org/2009/03/30/Arbeitsentwurf-Sperr-Gesetz-BMWI.pdf ) schlicht von "Kinderpornographie" bzw. "Kinderpornopgraphie nach § 184b StGB" die Rede ist.

Wenn Frau Zypries äußert, dass "der Rechtsstaat verlange", dass "die über die Stopp-Seite ausfindig gemachten Straftäter [sic! nicht etwa "Verdächtige"] verfolgt und anklagt werden" ( http://www.heise.de/newsticker/Bundeskabinett-beschliesst-Gesetzesentwur... ), dann stellt sich mir nicht nur die Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage hier eine Strafverfolgungsvorsorge durch Access-Provider etabliert werden soll, die offenbar jeden Zugriff auf die gesperrten Internetangebote samt IP-Adresse protokollieren und den Strafverfolgungsbehörden "in Echtzeit" verfügbar machen sollen, und ob die Strafverfolgungsbehörden dann auch verpflichtet sein sollen, auf die verfügbaren Log-Files auch zuzugreifen und nach § 152 Abs. 2 StPO tätig zu werden. (Oder können sie es auch bleiben lassen? Welche StA ist nach §§ 7 ff. StPO örtlich zuständig?)

Ich frage mich vor allem, ob Frau Zypries zwischen dem absoluten Verbreitungsverbot aus § 184b Abs. 1 und dem Besitzverbot aus § 184b Abs. 4 unterscheiden kann. Besitz und Unternehmen der Besitzverschaffung sind nämlich nur in Ansehung von Realkinderpornographie strafbar. Ich habe aber noch nirgendwo gelesen, dass sich die geplanten Sperren auf Darstellungen nach § 184b Abs. 4 StGB beschränken sollen.

Ich möchte etwas zur Verfassungsmäßigkeit eines solchen Gesetzes posten; habe mich damit beschäftigt, bin aber ebenfalls kein Verfassungsrechtler und finde wenig eingehende Darstellungen im Netz. Es gibt zwar Foren, aber insb. andere Jurastudenten scheinen sehr träge zu sein. Es gibt ein entsprechendes Gutachten von Prof. Ulrich Sieber (http://www.mpicc.de/ww/de/pub/forschung/forschungsarbeit/strafrecht/sper...), auf das ich leider nicht zugreifen kann. Eine grobe Zusammenfassung gibt es jdf. auf der genannten Seite, ohne aber betroffene Grundrechte zu nennen, mit Ausnahme von Art. 10.

Durch das Sperrgesetz dürften folgende Grundrechte betroffen sein:

Berufsfreiheit der Provider (Art. 12, Berufsausübungsregeln), das Fernmeldegeheimnis des Art 10 (das Sieber-Gutachten differenziert und bewertet DNS-Sperren als zulässig; da im Gesetzentwurf die Art der Sperren offen gelassen wird, erwähnt § 8a TMG-E die Einschränkung des Art. 10 - Zitiergebot Art. 19 I 2) sowie die Informationsfreiheit des Art. 5 I (dazu gleich). Zitiergebot gilt bei Art. 5 II und 12 nicht. Letztlich wird es um die Frage der Verhältnismäßigkeit gehen: rechtfertigt der Zweck (Schutz von Kindern) die genannten Grundrechtseingriffe, die von vielen Experten schon weder als geeignet noch erforderlich bewertet werden.

In diesem telemedicus-Artikel kommt die problematische Gesetzgebungszuständigkeit zur Sprache (der Entwurf beruft sich auf Art. 74 I Nr. 11 - Recht der Wirtschaft) sowie der Hinweis auf die informationelle Selbstbestimmung, wenn Daten "Anknüpfungspunkt für Strafverfolgung werden können" - klingt plausibel beim geplanten Mitloggen von Zugriffen, insb. würde ich dabei auch nochmal das neue sog. Online-Grundrecht nachlesen.

Zu Art. 5 I ... Betroffenheit der Informationsfreiheit wurde hier herausgearbeitet: http://www.artikel5.de/artikel/sperrunginffreiheit.html - unter Bezug auf BVerfG NJW 1970, 235 (= BVerfGE 27, 71).

Die Entscheidung betraf ein ganz ähnliches Gesetz: das Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote vom 24.5.1961, das offenbar nach wie vor in Kraft ist, bestätigt vom Bundestag in 2001. (Internetsperren sind also gar kein richtiges Neuland.) Es regelt folgendes: Gegenstände, die per Beförderung nach Deutschland eingeführt werden, können durch die Post an die Hauptzollämter geleitet werden, wenn der Verdacht besteht, dass der Inhalt gegen ein Strafgesetz zum Staatsschutz verstößt. Die Hauptzollämter öffnen die Sendung und leiten sie bei Erhärten des Verdachts an die Staatsanwaltschaft weiter. Nicht im Gesetz, der weitere Gang: Die Staatsanwaltschaften wiederum müssen die Sendungen von Strafgerichten überprüfen lassen, wenn sie sie zurückbehalten wollen. Sie dürfen endgültig nur zurückgehalten werden, wenn ein Strafgericht die Einziehung ausgesprochen hat. Das Ganze betraf insb. DDR-Propagandamaterial.

Zu diesem Gesetz gibt es die 3 folgenden BVerfG-Entscheidungen:
BVerfGE 27, 71 vom 3.10.1969 (Leipziger Volkszeitung) (insb. Herausarbeitung der Informationsfreiheit), darauf aufbauend:
BVerfGE 27, 88 vom 14.10.1969 (Der Demokrat) (Überwachung von DDR-Sendungen, Verfassungsmäßigkeit des ÜberwachungsG),
und später Überprüfung eines konkreten Verbotes an sich, und hier weniger relevant:
BVerfGE 33, 52 vom 25.4.1972 (Einfuhrverbot von Propaganda-Filmen, Zensurverbot des Art. 5 I 3)

In der ersten Entscheidung wurde die Informationsfreiheit offenbar erstmals relevant. Das BVerfG misst ihr herausragende Bedeutung bei. In der zweiten ging es um die Verfassungsmäßigkeit (entscheidend: Randnummern 37 ff.) und insb. die Verhältnismäßigkeit. Das ÜberwachungsG wurde als verfassungsgemäß gesehen. Bedeutend für die Frage der Gewaltenteilung ist die Feststellung in Rdn 42: Es ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß die Sendungen nicht einem Richter zur Entscheidung vorgelegt wurden. Wohlgemerkt betraf das die Überprüfung der Sendungen durch Zoll und Staatsanwaltschaft (Exekutive) ~ vergleichbar mit BKA im Falle der Internetsperren. Die endgültige Entscheidung über die Beurteilung der fraglichen Sendungen traf allerdings ein Gericht. Beim Sperrgesetz entscheidet nur die Exekutive, es gibt keine richterliche Kontrolle; und nach Bekanntwerden von Medienberichten, dass bei den bisher aufgetauchten von Experten überprüften Sperrlisten anderer Länder die Seiten vielfach legale Inhalte hatten, kann dies nicht mit der immensen Bedeutung der Informationsfreiheit korrespondieren.

Inwieweit/ob man das Problem der fehlenden richterlichen Kontrolle separat lokalisieren kann ... ob mit Art. 19 IV oder 101/103 oder anderweitig ist noch zu prüfen. Es wäre schön diesbezüglich Verfassungsrechtler zu hören.

Noch etwas zu Art. 5 und Internetsperren ... betroffen also Informationsfreiheit, Schranke 5 II: Jugendschutz (+), daneben: § 184b StGB? ... hier wäre zu thematisieren, ob das bloße Anschauen schon darunter fällt ... dazu wurde ja bereits diskutiert. Danach kommt Verhältnismäßigkeit wie oben angesprochen.

 

So, langes erstes Posting. Hoffe die Links funktionieren.

MfG

 

@Lutz Donnerhacke (# 16), vielen Dank für ihre Konkretisierungen. Nun ergibt sich aus Ihrem letzten Absatz, dass es sich bei den in Deutschland gehosteten Angeboten möglicherweise doch nicht um Schriften im Sinne des § 184 b StGB handelte (siehe dazu sogleich unten) . Deshalb läge natürlich, wenn die Ermittlungsbehörden dem nicht nachgehen, auch keine Strafvereitelung vor.

Herrn Höfinger (# 30) danke ich für den wichtigen Hinweis auf die Definitionsfrage des § 184 b StGB: "Kinderpornographische Schriften" sind in Abs.1 legal definiert als "pornographische Schriften, die sexuelle Handlungen (§ 176 Abs. 1) ) von, an oder vor Kindern (also Personen unter vierzehn Jahren) zum Gegenstand haben". Darunter fallen etwa auch Comiczeichnungen mit diesem Gegenstand. Nicht darunter fallen aber bloße Nacktdarstellungen (z.B. Strandbilder). § 184 b Abs.4, der die Besitzverschaffung zum Gegenstand hat, beschränkt  den strafbaren Umfang aber auf solche Schriften, die "ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben" (so gen. Realkinderpornographie), dies schließt etwa Comics oder Zeichentrickfilme aus. Diese Differenzierung ist im hier diskutierten Gesetzentwurf nicht nachvollzogen worden. Für die Frage der bloßen Sperrung ist diese Unterscheidung  m.E. nicht unbedingt nötig, aber wenn es (nach Auslegung Zypries) um die Verfolgung der User geht, wird es entscheidend.

Herr Fuentes (# 31) weist auf die verfassungsrechtlichen Dimensionen hin, die weit über das hinausgehen, was bisher von den Ministerien geprüft wurde. Schon vorab war - noch zu der Frage der Vertragslösung - ein recht schmalbrüstiges  Gutachten bekannt geworden, in dem die verfassungsrechtlichen Fragen nur gestreift und als vernachlässigenswert angesehen wurden. Man fragt sich schon ernsthaft, was für Juristen das Innenministerium heutzutage beschäftigt.

Die Analogie zu den Postsendungen mit inkriminiertem Inhalt passt m. E. nicht ganz, zeigt aber durchaus auf, welche verfassungsrechtliche Gemengelage hier betroffen ist und mit welcher Nonchalance man in dem Gesetzentwurf solche Fragen - auch der Gewaltenteilung - übergangen hat.

Werter Herr Prof. Müller,

ich muß Ihnen leider widersprechen, denn es ist für die Sperrung sehr wohl entscheidend, ob reale Geschehen oder reine Phantasie zum Gegenstand wird. Die Sperrung ist ein Eingriff in mehrere Grundrechte Art 5 (Rezipientenfreiheit), Art 10 (Fernmeldgeheimnis, die Geheimhaltungsgründe liegen nicht vor) und die Unschuldsvermutung. Als Begründung für einen solchen Eingriff kann Wahlkampf nicht taugen.

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Sehr geehrter Herr Donnerhacke,

danke für Ihren Hinweis. Sie haben insofern Recht, als der Mangel an Differenzierung, der in dem Gesetzentwurf an dieser Stelle steckt, durchaus auch Bedeutung bei der Frage  der verfassungsrechtlichen Bewertung haben kann. Und dass hier nicht differenziert wird, ist sicherlich dem ganzen wahltaktischen Schnellschuss zuzuschreiben, auf dem dieser Gesetzentwurf beruht. Allerdings würde die "weite" Auslegung (aus Abs. 1 des § 184 b StGB) mit der von Ministerin von der Leyen geäußerten These korrespondieren, man wolle verhindern, dass Leute im Internet durch solche frei verfügbare Seiten "angefixt" werden. Für dieses "Anfixen" spielt es in der Tat keine Rolle, ob es sich um Realgeschehen oder Phantasie handelt. Jedoch ist zu bedenken, dass es sich bei der ganzen These der Ministerin auch um eine Art kriminologische Phantasie handelt.
Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Die unbelegten psychlogischen Laienspiele sind für eine seriöse Beurteilung des Vorgangs sicher nicht relevant. Leute übergeben sich, wenn sie solches Material seitens des Ministeriums zwangsgezeigt bekommen, um ihre Unterschrift zu "befördern". Das hat nichts mit Anfixen zu tun, sondern mit Körperverletzung und emotionalen Schock. Ich halte Frau von der Layen zugute, daß sie unter diesem Schock stehen mag.

In der Realität sind die Zahlenspiele jedoch einfach nicht belegbar. http://mogis.wordpress.com/2009/04/29/kern-der-debatte demonstriert das am letzten Jahr sehr schön.

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Ich finde es augesprochen seltsam, dass es (noch?) kein Ermittlungsverfahren gegen Ursula von der Leyen gibt: Sie hat Journalisten und wohl Mitarbeitern von Providern Kinderpornographie (nach meinem Kenntnisstand) unverpixelt vorgeführt.

Warum?

Und noch ein Schmankerl zum Ende des Arbeitstages: Im Gesetzesentwurf findet sich ein ganz, ganz, ganz grober handwerlicher Schnitzer: § 8a TMG-E läßt sich ohne Verletzung der Regeln der Deutschen Grammatik dahingehend interpretieren, dass "eine Webseite", die auf die Sperrliste gesetzt wird, nichtmal Kinderpornographie enthalten muß.

"(…) führt das Bundeskriminalamt eine Liste über
vollqualifizierte Domainnamen, Internetprotokoll-Adressen und Zieladressen von Telemedienangeboten, die Kinderpornographie nach § 184b des Strafgesetzbuchs enthalten oder deren Zweck darin besteht, auf derartige Telemedienangebote zu verweisen (Sperrliste)."

Die Liste ist demnach also dreigeteilt:
1. vollqualifizierte Domainnamen,
2. Internetprotokoll-Adressen und
3. Zieladressen von Telemedienangeboten, die Kinderpornographie nach § 184b des Strafgesetzbuchs enthalten.

Der Relativsatz muß sich nicht zwingend auf den gesamten davor stehenden Hauptsatz beziehen, sondern es kann auch nur ein einzelnes Satzglied sein.

Unter welchen Voraussetzungen FQDN und IP-Adressen auf die Liste wandern, wäre also gesetzlich nicht geregelt, wenn der Entwurf Gesetz wird. Es könnte ausnahmslos alles auf diese Liste wandern.

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@le D: Insofern kann ich Sie beruhigen. Solche möglichen Mehrfachzuordnungen in Gesetzestexten kommen häufig vor. Juristische Auslegungsmethoden kommen hier zum eindeutigen Ergebnis, dass sich alle diese Angaben auf sites mit kinderpornographischen Inhalten beziehen sollen. Es handelt sich nicht um einen groben handwerklichen Schnitzer.

@Gast: So einfach, wie Sie schreiben, ist es wohl nicht: erstens lässt sich auch ohne cache surfen, zweitens surfen viele nicht an computern, die in ihrem Eigenbesitz sind, drittens wissen viele gar nicht, dass ihr Browser Bilder ggf. automatisch speichert - und auch wieder überschreibt - und wissen auch nicht, wie sie diese Bilder wieder auf ihren Bildschrim bringen können. Da der Gesetzentwurf ja gerade die technisch unversierten ansprechen soll (die anderen können ohnehin diese DNS-Umleitungen umgehen), ist die Schlussfolgerung, schon das Anschauen im Internet sei strafbar, ein Fehlschluss.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Henning Ernst Müller schrieb:

@Gast: So einfach, wie Sie schreiben, ist es wohl nicht: erstens lässt sich auch ohne cache surfen, zweitens surfen viele nicht an computern, die in ihrem Eigenbesitz sind, drittens wissen viele gar nicht, dass ihr Browser Bilder ggf. automatisch speichert - und auch wieder überschreibt - und wissen auch nicht, wie sie diese Bilder wieder auf ihren Bildschrim bringen können. Da der Gesetzentwurf ja gerade die technisch unversierten ansprechen soll (die anderen können ohnehin diese DNS-Umleitungen umgehen), ist die Schlussfolgerung, schon das Anschauen im Internet sei strafbar, ein Fehlschluss.

Fragt sich nur, wie lange das noch so bleibt. Die ersten Politiker fordern schon, diese "Strafbarkeitslücke" zu schließen, vgl. http://www.abendblatt.de/daten/2009/04/29/1140589.html, unter Beifall der Springer-Presse, vgl. http://www.abendblatt.de/daten/2009/04/29/1140610.html.

Auch die EU fordert in ihrem jüngsten Entwurf eines Rahmenbeschlusses zu Kinderpornografie etc. (http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52009PC0135R(01):EN:HTML) Ähnliches:

"Article 4 Offences concerning child pornography

Each Member State shall take the necessary measures to ensure that the following intentional conduct whether undertaken by means of an information system or not, when committed without right is punishable:

[...]

(e) knowingly obtaining access, by means of an information system , to child pornography."

Die deutsche Fassung (http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/com/2009/com2009_0135de01.pdf) spricht interessanterweise an dieser Stelle von "bewusstes Zugänglichmachen von Kinderpornografie mittels eines Informationssystems" - m.E. ist ZugänglichMACHEN etwas anderes als "obtaining access", das wäre "sich Zugang verschaffen".

Strafbar sein soll zwar immer nur der absichtliche Aufruf, aber de facto werden Staatsanwaltschaft und Polizei, sobald eine IP irgendwie als aufrufend gespeichert ist, erst mal durchsuchen und hinterher überlegen, ob überhaupt eine strafbare Handlung vorlag. Den sozialen Schaden hat auf jeden Fall der Durchsuchte.

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Ergänzend #40: Interessant wird auch die Definition von "Kind" aus EU-Perspektive sein. Sind dies wieder alle Personen unter 18 Jahre?

Dann bekämen wir auch eine Jugendpornographie-Sperre.

Und ganz viele geschlossene Schwulen-Websites. Und ganz viele Durchsuchungen bei schwulen Jugendlichen, die lieber Pornos mit altersähnlichen Partnern konsumieren, als Filme von 40jährigen Kerlen. Auf den geleakten Sperr-Listen waren angeblich schon viele schwule Sites.

Ist das, worüf die Europäische Idee stehen möchte? Kriminalisierung jugendlicher Sexualentwicklung?

Nochmals, weil ich es so wichtig finde, der Hinweis auf Österreich und die 7-monatige Haftstrafe ohne Bewährung wegen Konsum von Vielleicht-Jugend-Pornos: http://www.rainbow.at/news/1229621061

 

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@noch ein Gast: Ihre Hinweise auf den Vorschlag aus Hamburg und auf den Rahmenbeschluss halte ich für außerordentlich wichtig. Beide Hinweise belegen zunächst, dass de lege lata eben keine Strafbarkeit besteht. Und sie zeigen, dass gerade dies als "Strafbarkeitslücke" aufgefasst wird, die man auf europäischer Ebene schließen will.

Ich will auf den geplanten EU-Rahmenbeschluss, auf den Sie aufmerksam gemacht haben, noch näher eingehen:

Es wird auf europäischer Ebene geplant, schon das Anschauen von Kinderpornographie im Netz unter Strafe zu stellen. Der geplante Rahmenbeschluss wird tatsächlich in der deutschen Version falsch übersetzt, wie Sie sagen (im engl. "to obtain access" - sich Zugang verschaffen, in der dt. übersetzung heißt es fehlerhaft: "Zugänglichmachen"). Dass hier eine Fehlübersetzung vorliegt, fällt schon deshalb auf, weil bereits in den Vorüberlegungen zum Beschluss deutlich ausgesprochen wird, worum es gehen soll:

"Neue Formen des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung, die durch
Informationstechnologien erleichtert werden, würden unter Strafe gestellt. Darunter fällt der
bewusste Zugriff auf Kinderpornografie, um Fälle zu erfassen, in denen das Anschauen von
Kinderpornografie auf Webseiten, ohne die Bilder herunterzuladen oder zu speichern, nicht
den Straftatbestand des „Besitzens" oder „Beschaffens" von Kinderpornografie erfüllt." (Quelle: hier,S.9)

Und der Rahmenbeschluss sieht vor, als "Kind" alle Personen unter 18 Jahren aufzufassen:

"Artikel 1
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Rahmenbeschlusses bezeichnet der Ausdruck
(a) „Kind" jede Person unter achtzehn Jahren;
(b) „Kinderpornografie"
(i) jegliches Material mit bildlichen Darstellungen eines Kindes oder einer
anderen Person mit kindlichem Erscheinungsbild oder mit realistischen
Darstellungen eines nicht echten Kindes, das an realen oder simulierten
eindeutig sexuellen Handlungen beteiligt ist, oder
(ii) jegliche Darstellung der Geschlechtsorgane eines Kindes oder einer
Person mit kindlichem Erscheinungsbild für primär sexuelle Zwecke
oder jegliche realistische Darstellung eines nicht echten Kindes;" (Quelle, S. 15)
(insoweit ist der Entwurf richtig übersetzt)

Das bedeutet, als Kinderpornographie soll dann auch jede Darstellung einer erwachsenen Person angesehen werden, die aussieht, als sei sie unter 18 Jahren alt.
Interessant dazu folgende Bemerkung:

"Einholung und Nutzung von Expertenwissen: Externes Expertenwissen war nicht erforderlich." (Quelle, S. 7).

und zum " Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" heißt es pauschal:

"Der Vorschlag steht im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, denn
er beschränkt sich auf das zur Erreichung dieser Ziele auf europäischer Ebene erforderliche
Mindestmaß und geht nicht über das dazu erforderliche Maß hinaus." (Quelle, S. 11)

So werden heute Gesetze gemacht.

Zum Thema "Internetsperre" enthält der Rahmenbeschluss Folgendes:
"Artikel 18
Sperrung des Zugangs zu Webseiten, die Kinderpornografie enthalten
Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, damit die zuständigen Justiz- oder
Polizeibehörden vorbehaltlich angemessener Schutzvorschriften die Sperrung des Zugangs
von Internet-Nutzern zu Webseiten, die Kinderpornografie enthalten oder verbreiten,
anordnen oder auf ähnliche Weise erwirken können; insbesondere soll sichergestellt werden,
dass die Sperrung auf das Nötige beschränkt wird, dass die Nutzer über die Gründe für die
Sperrung informiert werden und dass Inhalteanbieter darüber unterrichtet werden, dass sie die
Entscheidung anfechten können." (Quelle, S. 25)

Insbesondere die im letzten Halbsatz erwähnten Punkte erfüllt der Entwurf der lex von der Leyen m.E. nicht. Zumindest hier bedürfte es - um dem Rahmenbeschluss gerecht zu werden, einer Nachjustierung.

 

 

Der geplante EU-Rahmenbeschluss (http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/com/2009/com2009_0135de01.pdf) enthält noch weitere interessante Details. Geht es um "sexuelle Handlungen" (Artikel 2, Abs. 1 a), wird abgestellt auf ein "Kind, das nach den einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts das Alter der sexuellen Mündigkeit noch nicht erreicht hat". Es gibt zudem in Abs. 2 eine Ausnahmeklausel für Handlungen im gegenseitigen Einvernehmen unter "Kindern".

Diese Passagen fehlen bei den Bestimmungen zur "Kinderpornografie" (Artikel 4), so dass hier wie schon geschrieben gem. Artikel 1 mit Kindern alle Personen unter 18 Jahren gemeint sind und es auch keine Ausnahmen bei Einvernehmen gibt. Der tatsächliche Geschlechtsverkehr mit solchen Personen (unter 18, aber schon sexuell mündig) scheint nach EU-Meinung also nicht strafwürdig zu sein, der absichtliche Abruf pornografischer bildlicher Darstellungen dieser Personen per Internet oder sonstigem "Informationssystem" aber schon. Und nicht nur der tatsächliche absichtliche Aufruf, sondern gem. Artikel 6, Abs. 2 sogar schon der Versuch des absichtlichen Aufrufs. Die damit einhergehende weitgehende Kriminalisierung a) der Sexualität Jugendlicher (die sich auch mal per E-Mail oder Mobilfunknetz einschlägige Bilder voneinander schicken, Stichwort "Sexting"), b) weiter Kreise der Bevölkerung (denn Pornografie mit jugendlich aussehenden Darstellern ist weit verbreitet, solche mit tatsächlich jugendlichen Darstellern war neben vielen anderen Ländern auch in Deutschland jahrzehntelang erlaubt und ist ebenfalls immer noch weit verbreitet) wird anscheinend entweder überhaupt nicht gesehen oder aber zumindest billigend in Kauf genommen, wenn nicht gar beabsichtigt. Insofern liegt Frau von der Leyen mit ihrem wahlkampftaktischen Sperrvorhaben samt ministeriell bestätigtem Straftatsverdacht gegen alle Stoppschild-Aufrufer (http://www.heise.de/newsticker/meldung/136769) durchaus voll im EU-"Trend".

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Henning Ernst Müller schrieb:

Der geplante Rahmenbeschluss wird tatsächlich in der deutschen Version falsch übersetzt, wie Sie sagen (im engl. "to obtain access" - sich Zugang verschaffen, in der dt. übersetzung heißt es fehlerhaft: "Zugänglichmachen"). Dass hier eine Fehlübersetzung vorliegt, ...

ich hab diese "Fehlübersetzung" mal mit einigen dringenden Fragen an den "Europäischen Bürgerbeauftragten"
-> http://www.ombudsman.europa.eu/
übergeben - mal schauen, was er bzw. das "Übersetzungszentrum" dazu sagen ...

BTW, diese irrsinnige Definition von "Kind" als alles unter 18 Jahren ist doch /eigentlich/ schon wieder eine Beschwerde wert, da ähnlich unsinnig wie vdL's Aktionismus.

Möcht ich mal jeweils die Meinungen von Kinder- und Jugendpsychologen (evtl. auch -pädagogen) dazu hören - kann mir gut vorstellen, daß die sich genauso drüber kaputtlachen wie wir über vdL's "Meisterleistungen" ;-)

Überhaupt keinen Unterschied zu machen zwischen einem 2-jähr. und einem/r 17-jährigen - tssss

Servus, Adi

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Adi Markl schrieb:
Henning Ernst Müller schrieb:

Der geplante Rahmenbeschluss wird tatsächlich in der deutschen Version falsch übersetzt, wie Sie sagen (im engl. "to obtain access" - sich Zugang verschaffen, in der dt. übersetzung heißt es fehlerhaft: "Zugänglichmachen"). Dass hier eine Fehlübersetzung vorliegt, ...

ich hab diese "Fehlübersetzung" mal mit einigen dringenden Fragen an den "Europäischen Bürgerbeauftragten"
-> http://www.ombudsman.europa.eu/
übergeben - mal schauen, was er bzw. das "Übersetzungszentrum" dazu sagen ...

Zwischenbericht: Bis jetzt (13 Tage nach der Anfrage) ist *nix* zurückgekommen, nicht mal eine Bestätigung des Eingangs

Ich berichte weiter.

Servus, Adi

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Sehr geehrter Herr Professor Müller,

ich gebe Ihnen Recht, wenn Sie schreiben, dass man mit der geeigneten Auslegungsmethode zu dem - wohl gewünschten - Ergebnis kommen _kann_, dass nur FQDN, IP-Adressen und "Zieladressen" mit Kinderpornographie gesperrt werden. Trotzdem kommt man mit einer Auslegung rein nach der Grammatik zu dem Ergebnis, dass frei gesperrt werden kann.

Gleichwohl die Frage: sehen Sie nicht auch eine Gefahr?

Das Auslegungsergebnis kann durch die Wahl der Auslegungsmethode vorbestimmt werden. Die großen und zentralen Kodifikationen sind 1919, 1933, 1945/49 trotz der Umbrüche weitgehend unverändert geblieben und hat in den verschiedenen politischen Systemen zu sich diametral gegenüberstehenden Auslegungsergebissen geführt. Droht das hier nicht auch?

Ich fände es angesichts des sensiblen Bereichs ausgesprochen wünschenswert, wenn das Gesetz nicht interpretiert werden muß, um zu dem nach der Gesetzesbegründung - wohl - gewünschten Ergebnis zu kommen. Eine eindeutige Fassung ist sprachlich ohne weiteres möglich.

Wünsche allseits ein schönes WE!

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Traurig, aber es hat nicht lange gedauert bis die Forderung, auch "Jugendpornographie"-Websites zu sperren, auf den politischen politischen Tisch kam:

Die taz berichtet: "Die SPD-Jugendexpertin Marks möchte Internetsperren auch bei Pornos mit Jugendlichen bis 18 Jahren."

http://www.taz.de/1/politik/schwerpunkt-ueberwachung/artikel/1/internets...

Neu war außerdem für mich, dass -laut dem Artikel- auch die Familienministerin den Plan verfolgt, nach einer Evaluierung in zwei Jahren über die Ausweitung in Richtung der Jugendpornographie nachzudenken.

Die Schwierigkeit, das vor ein paar Monaten beschlossene Jugendpornographieverbot überhaupt mit Maßstäben des Rechtsgüterschutzes zu begründen -und damit aus dem Bereich persönlicher moralischer Missbilligung innerhalb die Grenze des staatlichen Strafanspruchs verlagern- hatten wir schon in den früheren Threads zur Novelle hier im Beck-Blog.

Einvernehmliche sexuelle Handlungen von jungen Menschen, denen der Staat die Fähigkeit zur positiven wie negativen sexuellen Selbstbestimmung in vollem Umfang zubilligt (Kontexte fehlender Wahlfreiheit mal außer Acht gelassen) sind jedenfalls alles andere, als die bildliche Dokumentation von Straftaten gegen die sex. Selbstbestimmung, deren Verbreitung die Medizinerin v.d.Leyen technisch unterdrücken möchte.

Die Anzahl der so unterdrückenswerten Websites würde mE. sich verhundert- oder vertausendfachen. Jugendliche Sexualdarstellungen (wer im BKA kann übrigens bei Ethnien aus dem Asiatischen Raum objektiv und qualifiziert eine Bewertung vornehmen, ob die Darsteller 16, 19 oder 23 sind? Das war Thema bei meiner Kritik am Urteil des BVerfG zur über-optimistischen Fiktion eines objektiven Betrachters, der auch multi-ethnische Einschätzungen zur Altersbestimmung korrekt vornehmen kann, siehe dortigen Thread) sind im Web weltweit verbreitet.

Und pädophile Neigungen braucht es für den Freude am Konsum von Pornos mit sexuell voll entwickelten jungen Menschen nun wirklich nicht.

Nach meiner Überzeugung bleibt das Jugendpornographieverbot ein Sitten- oder Moralstrafrecht der EU (die sich wiederum auf die zwischen- und überstaatliche, wenig demokratisch legitimierte UN-Konvention beruft), und das BKA -samt Innenministerium und teilnehmende Provider- verkämen zu einer Sittenpolizei, die die Bürger durch die Vorenthaltung der Pornos ja offenbar umerziehen möchte.

Spannend wäre, ob auch die Jugend-Anscheins-Pornographie Gegenstand der Sperr-Bemühungen in Deutschland würde. Dann hätte Europa in diesem Punkt eine strengere Regelung als in den USA, obwohl den Vereinigten Staaten die Urheberschaft der so weitgehende Kind=U18 Definition aus der UN-Konvention zugeschrieben wird. In den USA werden gegen Altersnachweis (USC2257 Compliance) durchaus auch Pornos mit jung aussehenden Darstellern angeboten und verkauft, und auch online beworben (googeln Sie zB nach Cobra Video, einem Hersteller in Dallas). Dies ist, wie oben schon gesagt, vor allem bei schwulen Pornos sehr verbreitet. Davon wären Unmengen amerikanischer Porno-Hersteller betroffen-- die dann alle EU-weit gesperrt werden müssten?

Wieder stellt sich für mich die Frage: Welche Aufgabe schreibt die Politik eigentlich bei diesem Themenkomplex dem Strafrecht zu?

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Ich habe mir mal die Mühe gemacht, die Quellen der Bundesregierung näher zu beleuchten. Das Ergebnis ist etwas länglich, aber das sollte gerade hier kein Problem darstellen: Bei Odem oder Netzpolitik.

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