Leserthema: Umgestürzte Fahrräder = Unfallflucht?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 23.04.2009

Blogleser Matthias Böse hat mal wieder ein Themenvorschlag gemailt ... und auch noch ein Bild dazu. Herr Böse hierzu auszugsweise:

"...Mich nervt es mindestens 1x in der Woche, dass an der Uni oder Mensa jemand unvorsichtig den eigenen Drahtesel neben eine Reihe anderer Fahrräder gestellt hat, diese dadurch zu Fall bringt und sich nicht weiter darum kümmert. Wenn es nur das (in den Nachbarrädern) verhakte Fahrrad wäre.. Oft zerbrechen Anbauteile am Rad oder reißen Stromleitungen für die Beleuchtungseinrichtungen..."Fahrräder

Vor allem fragt Herr Böse nach einer Strafbarkeit wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort und fahrerlaubnisrelevanten Rechtsfolgen.

Hierzu zunächst: Fahrerlaubnisentziehung (§ 69 StGB) oder Fahrverbot (§ 44 StGB) drohen nicht, da kein Kraftfahrzeug geführt wurde. Beim unerlaubten Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) ist das sicher schon schwieriger. Natürlich kann das Umstoßen mit hierdurch verursachtem Schaden einen Unfall im Rechtssinne darstellen. Hier wird derzeit jedoch eine Bagatellgrenze bei 50 Euro gezogen (ausführlich hierzu m.w.N.: Himmelreich/Bücken/Krumm, Verkehrsunfallflucht, 151 ff.). Zunächst einmal müsste also ein solcher Schaden feststellbar entstanden sein, was sicher bei Beschädigung mehrerer Räder oder eines teureren neuen Fahrrades leicht möglich ist.

Ob man die 50 Euro-Grenze auch bei einem Fahrrad von einem Verkehrswert von z.B. noch 40 Euro so eng sehen muss, wenn das Rad ursprünglich verkehrstauglich war und durch die Beschädigung (Zerstörung seiner Beleuchtung) verkehrsuntüchtig (!) wird mag freilich in Zweifel gezogen werden.

Da würde mich schon einmal die Meinung der Blogleser interessieren.

An dieser Stelle natürlich nochmals „Danke" an Herrn Böse!

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

13 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Hallo,

eine sehr interessante Fragestellung. Ich frage mich jedoch, ob es sich bei einem solchen Sachverhalt überhaupt um einen Unfall im Straßenverkehr (!) handelt. Ich habe leider gerade keinen Kommentar zur Hand, so dass mir eine Definition zum Straßenverkehr nicht zugänglich ist.

0

Hallo,

ich habe mich mal gefragt, wie das aussieht, wenn eine Katze bei einer Kollision mit einem PKW den kürzeren gezogen hat. Muss ich dann wg. der Katze anhalten bzw. dies der Polizei melden ("Hallo, habe eine Katze Lilly plattgefahren.") - oder muss ich nicht, weil ich davon ausgehe, dass es ein herrenloses Tierchen war (Irrtum)?

Bei Rehen oder Wildschweinen soll das ja anders sein (Förster verständigen).

0

Strafrechtlich ist die Sache relativ einfach: Das Merkmal "Straßenverkehr" anzuzweifeln, ist abwegig. Es muss kein Kfz beteiligt sein und es muss kein Fahrzeug fahren. Die Rspr zu Unfällen mit Mülltonnen und Einkaufswagen ist ebenso lang wie die zu Unfällen mit ruhendem Verkehr. Ein Blick in einen guten Standardkommentar zeigt genügend Nachweise. Es muss auch überhaupt kein Fahrzeug beteiligt sein. Nur Windschutzscheibenperspektiven-Geplagte können auf die Idee kommen, dass nur Kraftfahrzeugnutzer mit ihrem heiligen Blechle geschützt wären. Woran soll es also im Tatbestand fehlen?

Der Schaden ist in nötiger Höhe auch schnell beisammen. Dass Polizisten vor Ort womöglich schnell in ihr Formular schreiben "Kein Schaden erkennbar", weil sie zwar den Schaden an einem silbernen Golf mittleren Alters sicher einschätzen können, aber von Fahrrädern allzu oft keine Ahnung haben, ändert daran nichts.

Aber es gilt wohl, dass man den Täter nicht hängen sollte, ehe man ihn hat.

Zivilrechtlich ist das schon durchexerziert worden, z.B.: LG Hannover, DAR 1999, 28 und AG München, 121 C 34830/06. Da wollten Geschädigte auch das Fell des Bären, ohne ihn zu erlegen.

0

Sehr geehrter Herr Dr. Kettler,

wenn Sie meinen Beitrag aufmerksam gelesen hätten, so hätten sie bemerken können, dass ich zur Zeit des Beitrags keinen Kommentar zur Hand hatte um entsprechende Nachforschungen anzustellen.

Des Weiteren zweifel ich auch nicht, dass es sich bei einem Fahrrad um ein Fahrzeug i.S.v. § 142 I Nr. 1 StGB handelt, sondern ob es sich bei einer Mensa im Schlossgarten um Straßenverkehr handelt. Meine Zweifel waren sogar bedingt berechtigt.

" Vielmehr setzt die Annahme eines "Verkehrsunfalls" nach dem Schutzzweck der Norm des § 142 StGB einen straßenverkehrsspezifischen Gefahrenzusammenhang voraus (vgl. BayObLG VRS 71, 277, 278)."

Dieses Merkmal des straßenverkehrsspezifischen Gefahrenzusammenhangs dürfte vorleigend nicht gegeben sein.

 

Wer hat jetzt den Bären verprügelt?

0

L. schrieb:
Meine Zweifel waren sogar bedingt berechtigt.

" Vielmehr setzt die Annahme eines "Verkehrsunfalls" nach dem Schutzzweck der Norm des § 142 StGB einen straßenverkehrsspezifischen Gefahrenzusammenhang voraus (vgl. BayObLG VRS 71, 277, 278)."

Dieses Merkmal des straßenverkehrsspezifischen Gefahrenzusammenhangs dürfte vorleigend nicht gegeben sein.

Oh doch. DAS wird nämlich sehr locker gesehen.

"Es genügen Vorkommnisse im ruhenden Verkehr, ausschließlich unter Fußgängern" und 

"Auch Vorgänge auf nichtöffentlichem Grund, die mit dem Straßenverkehr unmittelbar zusammenhängen, reichen aus" (Lackner/Kühl § 142 Rn. 6) 

Man muss also offenbar nicht einmal als Radfahrer unterwegs sein, sondern kann auch als unvorsichtiger Spaziergänger Fahrräder umwerfen und sich gem. § 142 strafbar machen.

0

An Alle, die sich den Schuh anziehen mögen: Wer keine Ahnung hat und keinen Kommentar zur Hand hat, sollte sich vielleicht überlegen, ob es sinnvoll ist, im Beck-Blog zu schreiben und die Sendentaste zu drücken. Wenn hier jemand schreibt, er habe keinen Kommentar zur Hand, darf er davon ausgehen, dass die nächsten Leser das durchaus zur Kenntnis nehmen. Nur ist darin hoffentlich kein Verbot an Nachfolgende enthalten, die Ursprungsfrage (mit Wissen und/oder Kommentar) zu beantworten.

Aus Kommentaren ist hier nun schon verschiedentlich zitiert worden. Vielleicht ist damit geklärt, dass Rspr und Lit auf dem Standpunkt stehen, dass 1. auch Ruhender Verkehr geschützt ist und 2. auch Fußgänger erfasst sind und 3. auch Gehwege und andere öffentliche Verkehrsflächen erfasst sind.

Damit wäre nur noch zu klären, ob in der Ursprungsfrage Ereignisse auf solchen Flächen beschrieben wurden. In der Ursprungsfrage ging es um Ereignisse "an der Uni oder Mensa". Es ging nicht etwa um den eingezäunten Vorgarten von Herrn Böse oder gar um Ereignisse in seinem Wohnzimmer. Der Strafrichter würde wohl noch weitere Details wissen wollen. Aber hier in diesem Blog spricht alles dafür, dass es um einen Verkehrsraum mit Straßenverkehr ging.

Notabene ist auch ein Schlossgarten, wie er hier in Posting #4 angesprochen wird, nicht per se Straßenverkehrs-frei im Sinne von § 142 StGB.

@L.: Ich riet Herrn Böse und anderen etwa Interessierten, nichts Konkretes zu veranlassen oder zu erhoffen, wenn man keinen Täter hat. Denn so etwas war (zivilrechtlich) schon mindestens zweimal in ähnlichen Situationen passiert. Die Frage nach der Strafbarkeit wird wohl eine theoretische bleiben, wenn man keinen Täter ausfindig machen kann. Ich habe gerade keinen "Bären verprügelt" und habe auch ansonsten hier nichts zu korrigieren.

0

Da muss ich Herrn Dr. Kettler recht geben - die Frage der Unfallflucht ist hier wohl eher theoretischer Natur. Ich meine aber trotzdem: Ein tolles Blogthema und sicher Anlass mal in einem Blogbeitrag zum öffentlichen Straßenverkehr zu schreiben...das Problem hatte ich ausgeblendet (insoweit Dank an lexinexis!).

Wie ist es denn wohl mit dem Schadensbegriff - ist in Fällen der Herbeifürung der Fahruntüchtigkeit des geschädigten Fahrzeugs denn nach Ansicht der Leser der Bagatellwert (wohl 50 EUro) trotzdem maßgeblich? Oder reicht es z.B. auch, wenn das Fahrrad insgesamt nur 40 Euro wert war, aber nun nicht mehr fahren kann - für den Geschädigten wäre dies subjektiv betrachtet sicher alles andere als eine Bagetelle, oder?

Ich denke, eine einheitliche Bagatellgrenze sollte gewahrt werden. Wenn auch der Verursacher eines Unfalls, bei dem ein Fahrrad zerstört wurde, nicht weniger streng als beim "klassischen" Autounfall haften sollte, so gibt es keinen Grund, ihn insoweit zu benachteiligen. Wer ein so billiges Fahrrad fährt, für den ist es leichter, sich Ersatz zu beschaffen. Insofern ist sein Interesse, des Unfallverursacher habhaft zu werden, relativ gering.

0

@ Dr. Kettler: Inhaltlich gebe ich Ihnen recht, aber warum so ruppig?

@topic: Ich frage mich, was wohl passiert, wenn die Polizei vom Schädiger benachrichtigt wurde. Eine einfache Feststellung des Halters wie bei einem KfZ mittels Kennzeichenüberprüfung dürfte da nicht möglich sein.

Steht dann ein Streifenwagen vor der Mensa, und wartet, bis der letzte Radfahrer herauskam? Vor Uni-Mensen stehen Fahrräder mitunter tagelang herum...

0

Mal etwas leicht OT zur Entspannung. :)

Beim Thema Radfahren, öffentlicher Raum, etc. kann man sich schon einmal fragen, was noch unter öffentlichen Straßenverkehr im Sinne des Gesetzes fällt.

0

"Aus Kommentaren ist hier nun schon verschiedentlich zitiert worden. Vielleicht ist damit geklärt, dass Rspr und Lit auf dem Standpunkt stehen, dass 1. auch Ruhender Verkehr geschützt ist und 2. auch Fußgänger erfasst sind und 3. auch Gehwege und andere öffentliche Verkehrsflächen erfasst sind."

Ich bezweifel nicht, dass solche Meinungen vertreten werden. Keineswegs. Das Strafrecht ist ja dafür berühmt, dass quasi alles vertreten wird. Ich frage mich jedoch, ob man den Bogen der Gesetzesauslegung in diesem Fall derart überspannt, dass man den Grundsatz nullum crimen, nulla poene sine lege scripta verletzt.

Beispielsweise sei hier § 284c StGB angeführt. Dieser wurde geschaffen, weil die Entziehung elektrischer Energie mangels körperlichem Gegenstand nicht unter § 242 ff. StGB fiel. Eine solche Interpretation hätte obigen strafrechtlichen Grundsatz entgegengestanden.

Die Exegese und Anwendung von Gesetzes macht den Beruf des Juristen aus, man sollte den Bogen, wie gesagt, jedoch nicht überspannen. Es kann nicht sein, dass bspw. auch Fußgänger auf Radwegen unter § 142 StGB fallen.  Das würde doch schon den allgemein "anerkannten" Wortgebrauch des Begriffs "Straßenverkehr" zu weit ausdehnen.

Ein Zivilrechtsprofessor an unserer Uni sagte einmal, dass wir vor Hausarbeiten sowie vor Klausuren uns immer fragen sollen wie eine Wertung in der Laienspähre aussehen würde. Dieses Ergebnis stimmt meistens auch mit dem aus in der Sphäre der Juristen überein.

Das lässt sich natürlich nur bedingt auf's Strafrecht übertragen, aber darüber sollte man sich trotzdem mal Gedanken machen.

 

0

Es mag ja ein dummer Zufall sein, aber ich würde mal sagen, dass ein Buchstabe des Namens des Fragestellers verändert worden ist. Die Änderung wirkt doch ein wenig, hm wie soll ich sagen "ehrabschneidend"?

0

"Es kann nicht sein, dass bspw. auch Fußgänger auf Radwegen unter § 142 StGB fallen. Das würde doch schon den allgemein "anerkannten" Wortgebrauch des Begriffs "Straßenverkehr" zu weit ausdehnen."

Was soll das denn sonst sein, wenn nicht Straßenverkehr?

0

Kommentar hinzufügen