§ 15a RVG ist da – der Gesetzgeber hat eingegriffen !

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 24.04.2009

Im Rahmen des vom Deutschen Bundestag am 23.04.2009 verabschiedeten Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren in anwaltlichem und notariellem Berufsrecht hat der Gesetzgeber durch die Einfügung eines neuen § 15a RVG (s. hierzu näher die BT-Drs. 16/12717) die durch die umstrittene Rechtsprechung des BGH in der Frage der Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr  entstandenen gebührenrechtlichen Verwerfungen - endlich-korrigiert.

 

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11 Kommentare

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Mal sehen, wie die Gerichte mit "Altfällen" umgehen. Da die BGH-Rechtsprechung ja nur eine von mehreren zumindest vertretbaren Auffassungen war, könnte es nun gut vertretbar sein, die bisherige Rechtslage gesetzesvorwirkend im Sinne von § 15a RVG auszulegen.

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Hallo Herr Fölsch,

dazu passt #21 aus dem von mir unter #1 erwähnten link.http://www.rechtspflegerforum.de/showpost.php?p=473792&postcount=21

Die Versuchung mag groß sein - allein nicht nur der BGH müsste dann wohl über seinen Schatten springen, nachdem wie ich finde der Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG unter Würdigung der Gesetzesmotive als eindeutig erkannt worden ist.

Dankenswerterweise hat der Gesetzgeber abweichend von dem ursprünglichen Entwurf eine durchaus verständliche Legaldefinition des Begriffs "Anrechnung" beschlossen. Bleibt zu hoffen, dass der BGH für Altfälle schnell Klarheit schafft und abzuwarten, ob die Anwälte das Potential des § 15a RVG (u.a. Ausschluss der Anrechnung und die angemessene Bemessung der Gewschäftsgebühr) nutzen.

 

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Sofern der § 15 a RVG in unveränderter Form verkündet wird, spricht u.U. die nachstehend zitierte Entscheidung des BVerfG für eine Anwendung im Außenverhältnis ab dem Tag nach der Verkündung.

  

Beschluss der 1. Kammer des 1. Senats des BVerfG vom 17.02.1009 in 1 BvR 697/93.

Orientierungssatz

2. Nach der Ergänzung von ZPO § 104 Abs 2 um einen Satz 3 durch KostRÄndG 1994 Art 8 Abs 3 Nr 1 Buchst b genügt ab 1994-07-01 zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen im Kostenfestsetzungsverfahren nunmehr die Erklärung des Antragstellers, daß er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen könne, so daß es vorliegend nicht darauf ankommt, ob der sich selbst vertretende Rechtsanwalt in einer privaten oder beruflichen Sache tätig geworden ist.

Gründe

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b) Auf all diese Fragen des materiellen Umsatzsteuerrechts, wie sie auch im vorliegenden Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren vorgebracht wurden, kommt es indessen nicht an. Durch Art. 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe b des KostRÄndG 1994 (BGBl. I S. 1325 <1362>) ist § 104 Abs. 2 ZPO um einen Satz 3 ergänzt worden. Danach genügt zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen im Kostenfestsetzungsverfahren nunmehr die (bloße) Erklärung des Antragstellers, daß er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen könne. Nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks. 12/6962, S. 110 f.) wollte der Gesetzgeber mit dieser Neuregelung die oben (a) dargestellte Streitfrage bereinigen. Die Richtigkeit der Behauptung ist danach nur durch entsprechenden vom Antragsgegner zu erbringenden Beweis zu entkräften (vgl. Otto, JurBüro 1994, 385 <397>; Schall, UR 1995, 7 <9>; OLG Karlsruhe, MDR 1994, 1252). Im Ergebnis hat der Gesetzgeber damit der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Grundlage entzogen und ist dem Argument der Gegenmeinung gefolgt, wonach das Verfahren der Kostenfestsetzung nicht mit schwierigen Fragen des materiellen Umsatzsteuerrechts belastet werden dürfe. Die Neuregelung gilt mangels einer anderslautenden Übergangsregelung ab dem 1. Juli 1994 (vgl. Art. 12 KostRÄndG). Die Übergangsvorschrift des § 134 Abs. 1 BRAGO, wonach die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen ist, wenn der unbedingte Mandatsauftrag vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung erteilt worden ist, greift nicht ein, weil es hier nicht um die "Berechnung" der Anwaltsvergütung (etwa nach Wertgrenzen, Zehntel-Gebühren oder vom Hundert-Sätzen), sondern um die verfahrensrechtliche Glaubhaftmachung eines Kostenansatzes geht (vgl. auch OLG München, MDR 1995, 102).

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Siehe hierzu auch: AG Wesel - Beschluss vom 26.05.2009 - 27 C 125/07 = BeckRS 2009, 16490 (In Anbetracht des in Kürze in Kraft tretenden neuen § 15 a RVG kommt eine Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren auch nach geltendem Recht nicht mehr in Betracht)

In der Entwurfsbegründung und in der Pressemitteilung des BMJ steht: "In der Kostenfestsetzung muss also etwa eine Verfahrensgebühr auch dann in voller Höhe festgesetzt werden, wenn eine Geschäftsgebühr entstanden ist, die auf sie angerechnet wird."

Geht man von der Entwurfsbegründung aus, bräuchte sich der Anwalt bei der Mahnantragstellung nicht mehr mit der Anrechnung zu befassen. Die Koordinierungsstelle in Stuttgart für das Mahnverfahren hat jedoch Anfang Juli an die BRAK geschrieben, dass sich für die Antragstellung - mit! Anrechnung - nichts ändere. Das hat wohl die BRAK so weiter gegeben. Mich wundert, dass die Meinungen - Anrechnung im KF-Verfahren ja oder nein - so nebeneinander im Internet stehen. Für das Mahnverfahren hat die Anrechnungsfrage ganz erhebliche Bedeutung. Wird die Programmierung nicht geändert, während Anwälte auf die Anrechnung nicht mehr eingehen, müsste mit Hunderttausenden von Monierungen zu rechnen sein. Kommentierungsbedarf? Oder verstehe ich da etwas falsch?

(Richter, Zentrales Mahngericht)

 

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Zitat BMJ:

" Eine für Rech­ts­an­w­a­lt­sch­aft und Ge­richte bede­u­t­same Ände­rung des an­wa­l­t­lichen Vergütungs­rech­ts enthält der neue § 15a des Rech­ts­an­w­a­lt­s­vergütungsge­setzes (RVG). Die Ne­u­re­ge­lung be­s­ei­tigt Pro­b­l­e­me, die aufgr­und von En­t­sche­i­d­un­gen des Bun­de­sge­rich­tsho­fs zur An­rech­nung der an­wa­l­t­lichen Geschäft­sgebühr auf die Ve­rfahre­ns­gebühr aufget­ret­en sind. Zur Erläute­rung: Die Geschäft­sgebühr en­t­steht für die außerge­rich­tliche Ve­rtret­ung des Ma­ndan­ten, die Ve­rfahre­ns­gebühr für die Ve­rtret­ung des Ma­ndan­ten im Pro­ze­ss. Hat der Rech­ts­an­w­a­lt den Ma­ndan­ten in einem St­reitfa­ll be­rei­ts außerge­rich­tlich ve­rtret­en, muss er sich einen Teil der Geschäft­sgebühr auf die Ve­rfahre­ns­gebühr an­rech­nen la­s­sen. Der Grund: Er hat sich durch die vorge­rich­tliche Tätigkeit be­rei­ts in den Fall eing­e­arbeit­et. Gewinnt der Ma­ndant den Pro­ze­ss, kann er von sei­nem Ge­gner stets volle Erstat­tung der Pro­ze­s­s­kosten, aber nur unter be­sonde­ren Vo­raus­s­et­z­un­gen Erstat­tung der außerge­rich­tlichen Kosten ve­r­lan­g­en. In mehre­ren vie­l­b­eachtet­en En­t­sche­i­d­un­gen hat der Bun­de­sge­rich­tshof die Auf­fas­sung ve­rtret­en, dass die Ve­rfahre­ns­gebühr nur zu den Pro­ze­s­s­kosten zählt, so­weit sie nicht durch die An­rech­nung einer vorge­rich­tlichen Geschäft­sgebühr get­ilgt wo­rd­en ist. Damit stand der Ma­ndant schlechter, wenn er vorge­rich­tlich einen Rech­ts­an­w­a­lt eing­e­sch­al­t­et hat, als wenn er ihn soglei­ch mit der Pro­ze­ss­ve­rtret­ung beauftragt hätte. Diese Behinderung der vorge­rich­tlichen St­r­eit­e­r­le­digung gehört jetzt der Vergan­g­en­heit an, da der neue § 15 a RVG kl­ar­ste­llt, dass sich die An­rech­nung im Verhältnis zu Dr­itten nicht aus­wirkt. Diese Ne­u­re­ge­lung tritt am 5. Au­g­ust 2009 in Kraft."

Quelle: https://ssl.bmj.de/enid/2c55ffc101aab493b1f9502555921aab,0/Anwaltliches_und_notarielles_Berufsrecht/Modernisierung_von_Verfahren_im_anwaltlichen_und_notarielle_1ga.html

Es stellt sich die Frage, ob nicht gemäß der Übergangsvorschrift des § 60 RVG es für alle Rechtsstreitigkeiten, die vor dem 05.08.09 rechtshängig geworden sind, es noch bei der alten Anrechnung bleiben müsste.

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Der II. Senat beim BGH hat entschieden

 




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§ 15 a RVG auf Altfälle anwendbar

 

Der Bundesgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, daß § 15 a RVG auch auf Altfälle anwendbar ist (Beschluß vom 02.09.2009, II ZB 35/07). Er führt dazu aus:

 

„Der Gesetzgeber hat durch die Einführung von  § 15 a Abs. 1 RVG (Art 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften, BGBl 1 S. 2449) die bereits unter Geltung des § 118 BRAGO und nachfolgend unter Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG bestehende Gesetzeslage klargestellt. Die Anrechnungsvorschrift wirkt sich danach grundsätzlich im Verhältnis zu Dritten, damit insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht aus. Im Kostenfestsetzungsverfahren musste und muss eine Verfahrensgebühr, von den in § 15 a Abs. 2 RVG geregelten Ausnahmen abgesehen, stets auch dann in der geltend gemachten Höhe festgesetzt werden, wenn für den Bevollmächtigten des Erstattungsberechtigten eine Geschäftsgebühr entstanden ist.“

 

Der II. Senat des BGH bezieht sich in seiner Entscheidung ausdrücklich auf die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenates des BGH (insb. Beschluss vom 22. 01.2008, VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323 ff.), der insbesondere Anlaß für die gesetzliche Klarstellung gewesen ist. Ausdrücklich nimmt der II. Senat Stellung zu der Rechtsaufasung des VIII. Senats und führt aus, aus welchen Gründen er dieser Rechtsauffassung nicht zu folgen vermag:

 

"...Ohne die gegen diese Lösung des Anrechnungsproblems anzuführenden systematischen, teleologischen und sprachlichen Argumente im Einzelnen darzustellen, vermag der Senat ihr nicht zuletzt im Hinblick auf die teilweise zu Recht als katastrophal bezeichneten Folgen aber auch, weil er sie aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht abzuleiten vermag, nicht zu folgen."

 

Nach Ansicht des II. Senats hat der Gesetzgeber das RVG nicht geändert, sondern lediglich die Gesetzeslage dahingehend klargestellt, daß sich die Anrechnung gemäß Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG grundsätzlich im Verhältnis zu Dritten, also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht auswirkt, also nur das Innenverhältnis zwischen Mandant und Anwalt betreffe. Im Kostenfestsetzungsverfahren ist eine Verfahrensgebühr auch dann in voller Höhe festzusetzen, wenn für den Bevollmächtigten eine Geschäftsgebühr entstanden ist.

 

© Volker Backs

Rechtsanwalt

23/09/2009

 

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