Polizeiliche Blutprobenentnahme: Stellungnahme eines "Bereitschaftsdienstrichters" bei jurabilis

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.04.2009

Die Diskussion um den Richtervorbehalt des  § 81a Abs. 2 StPO ist in vollem Gange (letzte Blogbeiträge hierzu: SENSATION! OLG Hamm bejaht Beweisverwertungsverbot nach polizeilich angeordneter Blutprobe und Beweisverwertungsverbot nach Blutprobenentnahme - Sollte der Richtervorbehalt nicht besser abgeschafft werden?). Leider findet man selten offene Aussagen von den unmittelbar betroffenen Amtsrichtern und Polizisten. Im Jurabilis-Blog findet sich aber nun diese Stellungnahme eines "Bereitschaftsdienstrichters":

"...99% der Fälle, sind von der Antreffsituation eindeutig. Es kommt nur ein Beschuldigter als Fahrer in Betracht, so dass die Polizeibeamten überhaupt nicht in die Verlegenheit geraten, zwischen mehreren Personen auswählen zu müssen. Die Verdachtslage ist dann klar. Die Gefahr, "den Falschen" zu treffen, besteht nicht. Im Rahmen der erforderlichen Abwägung darf man nicht vergessen, welch hohes Gut die Sicherheit im Straßenverkehr ist, verglichen mit dem äußerst geringfügigen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Im Übrigen entnimmt ja auch nicht die Polizei das Blut, sondern ein Arzt ... Insofern begegnet es m.E. keinen durchgreifenden Bedenken, die Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft bzw. Polizei zu übertragen. Ich stimme dem Kollegen Krumm daher zu. Um allerdings die Bedenkenträger zu beruhigen und den Richtervorbehalt unangetastet zu lassen, ist auch eine andere Lösung denkbar, die im Ergebnis ebenfalls dazu führen dürfte, dass der Anruf beim Richter die Ausnahme bleibt: Die Polizei fragt den Beschuldigten, der (wie in den allermeisten Fällen) freiwillig ins Röhrchen gepustet hat, ob er auch mit einer Blutprobe einverstanden ist. Ist er dies, ist das Einverständnis entsprechend zu dokumentieren. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn er zu einer natürlichen Willensbildung nicht mehr in der Lage ist, etwa wegen höchstgradiger Alkoholisierung. Weigert sich der Beschuldigte, sich Blut abnehmen zu lassen, dann machen ihm die Beamten klar, dass man auch den Richter anrufen kann. Ein Großteil der Beschuldigten wird dann einknicken. In den restlichen Fällen klingelt eben das Bereitschaftsdiensthandy. Sollte Karlsruhe allerdings generell einen Anruf beim Richter verlangen, dann wird es pausenlos bei uns bimmeln. Wenn das BVerfG außerdem noch meinen sollte, dass der richterliche Eildienst 24 Stunden dauern muss, werden wohl viele Amtsrichter den Dienst quittieren, da sie schließlich nicht in einem Callcenter arbeiten wollen. Und für den Bürger wird das auch nicht nur vorteilhaft sein. Die Kehrseite der Medaille wäre nämlich, dass man während der Bereitschaftsdienstwochen nicht mehr terminieren würde, da man ja überhaupt nicht weiß, ob man in der Nacht vor meiner Sitzung ein Auge zutun kann. Erhebliche Verfahrensverzögerungen, gerade an kleineren Gerichten, wären die Folge. Dass eine solche Entscheidung dazu führen würde, dass endlich mehr Richter eingestellt werden, ist wohl nur ein Traum ... Die dummen Amtsrichter machen die unbezahlte Mehrarbeit schon und verzichten gerne auch auf ihren Schlaf."

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6 Kommentare

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Es lassen sich sicherlich beide Positionen vertreten.

Die obige Stellungnahme scheint aber nur allzu sehr vom Wunsch der Arbeitsvermeidung geprägt zu sein. Menschlich noch nachvollziehbar, kann das aber doch nicht der Maßstab sein, nach dem über die Frage eines Richtervorbehalts zu urteilen ist.

Tränen sind bei mir jedenfalls nicht gerollt. Im Übrigen halte ich das Risiko einer Austrittswelle aus dem Richterdienst für sehr überschaubar...

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Ich stimme zu. Warum sollen Richter dabei ausgenommen werden was folgenden Berufsgruppen täglich passiert: Ärzte und Apotheker, Piloten, Pflegepersonal, Arbeiter, Medienarbeiter (Kameraassistenten, Moderatoren, Reporter, ...), Politiker, u. s. w.

Bereitschaftsdienste sind kein Grund, weniger zu arbeiten als man muss. Muss man eben früher ins Bett gehen und sein Leben dem gewählten Beruf unterordnen - wie alle anderen auch. :-)

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"Weigert sich der Beschuldigte, sich Blut abnehmen zu lassen, dann machen ihm die Beamten klar, dass man auch den Richter anrufen kann. Ein Großteil der Beschuldigten wird dann einknicken."

Und da schwingt implizit die - falsche - Drohung mit "und das wird nicht zu Deinem Vorteil sein.". Täuschung des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren - angeregt durch einen Richter, der lieber schlafen will, statt die ihm gesetzlich auferlegten Dienstpflichten zu erfüllen.

Na prima!

Da ist jetzt aber der Gesetzgeber gefragt - und zwar dringend! Art. 97a Grundgesetz sollte eingeführt werden:

Gerichte, Staatsanwaltschaften und Polizei haben bei der Auslegung des formellen Strafrechts die Schlafbedürfnisse der Ermittlungsrichter zu berücksichtigen.

Schönen Start in die Woche allseits (wer Sarkasmus findet, darf ihn behalten)!

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Wenn der Arzt der die Blutprobe abnimmt, wach bleiben kann, dann kann es auch der Richter, der dies vorab genehmigen muss.

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Die Idee mit dem Richter-Callcenter sollte aufgegriffen werden! Eine Bundesweite Hotline, unter der 24h am Tag an 365 Tagen im Jahr ein Richter erreichbar ist, der dann die Blutprobe genehmigt. Das würde neue Stellen schaffen und Kollegen entlasten.

Das Ganze ließe sich auf Hausdurchsuchungen erstrecken.

Und wenn sie einen Haftbefehl wünschen, drücken Sie bitte die "3".

 

P.S. Im Moment sind leider alle Plätze belegt. Der nächste freie Richter ist für Sie reserviert.

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Hier noch eine Stellungnahme von "Schaffi", die sich wohl an falscher Stelle befindet:

Ich hätte da mal eine Frage, insbesondere zur Stellungnahme des Bereitschaftsrichters vom 24.06.

 

An unserem AG gibt es grundsätzlich ab 19.00 Uhr gar keinen Bereitschaftsdienst nach dem Geschäftsverteilungsplan, weil ein Bereitschaftsdienst zu hohe Kosten verursachen würde. Auf diese Art und Weise kann man m. E. aber auch nicht die Diskussion über einen Richtervorbehalt erledigen oder?

 

Im übrigen zur Begründung: Vormals gab es diesen bis 21.00 Uhr, aber da hat kaum jemand angerufen. Lol

 

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