BKA-Gesetz beschäftigt nun das BVerfG

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 27.04.2009

Anwälte, Ärzte und Journalisten haben Verfassungsbeschwerde gegen das Ende 2008 beschlossene BKA-Gesetz eingereicht, das dem Bundeskriminalamt mehr Kompetenzen zur Terrorabwehr einräumt. Auch Bundestagsabgeordnete der Grünen, darunter Renate Künast, Claudia Roth, Jürgen Trittin und Volker Beck, kündigten eine Verfassungsbeschwerde an.

Nach Ansicht der sechs Beschwerdeführer, unter ihnen Ärztekammer-Präsident Jörg-Dietrich Hoppe, verändert das BKA-Gesetz eine wesentliche Struktur des Grundgesetzes, nämlich die Zuständigkeit der Länder für die polizeiliche Gefahrenabwehr. Das BKA-Gesetz sei keineswegs ein gewöhnliches Polizeigesetz, sagte der Berliner Anwalt Peter Schantz, der neben Gerhart Rudolf Baum und Burkhard Hirsch die Beschwerdeführer in Karlsruhe vertritt. Die Kläger monieren eine Verwischung der Zuständigkeit von Polizei und Geheimdiensten und kritisieren ihrer Ansicht nach unzulässige Eingriffe in die Privatsphäre. «Mit der Novelle des BKA-Gesetzes setzt sich der Trend fort, einseitig Sicherheitsbelangen auf Kosten der Freiheit der Bürger den Vorrang zu geben», heißt es in der Verfassungsbeschwerde. Charakteristisch sei «der mangelhafte Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und damit der sorglose Umgang mit der Menschenwürde».

Der frühere FDP-Bundesinnenminister Baum hält das Gesetz in vielen Punkten für verfassungswidrig. Er spricht von einer schleichenden Erosion der Grundrechte. «Wir erleben eine sicherheitspolitische Aufrüstung ohne Ende», sagte Baum, der bereits erfolgreich gegen ein nordrhein-westfälisches Gesetz zur Online-Durchsuchung geklagt hatte. Anwalt Schantz monierte, dass der Schutz der Berufsgeheimnisträger immer weiter aufgeweicht und ins Ermessen der Behörden gestellt werde. Jürgen Hardt, Vertreter der psychologischen Psychotherapeuten, sagte, er könne seinen Beruf nicht ausüben, «wenn ich nicht absolute Diskretion zusichern kann». Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes Michael Konken sieht den Informantenschutz in Gefahr. Ulrich Schellenberg vom Deutschen Anwaltverein nannte die Abgrenzung zwischen Strafverteidigern, die vor Überwachung absolut geschützt sind, und den übrigen Anwälten praxisfern. «Wir haben alle die gleichen Rechte und gleiche Pflichten.»

Das Bundesinnenministerium reagiert gelassen. Es sei das gute Recht der Kläger, Karlsruhe anzurufen. Das Innenministerium habe aber die Pflicht, terroristische Gefahren abzuwenden. Das Gesetz erfülle die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.

Aus der Datenbank beck-online

Baum/Schantz Die Novelle des BKA-Gesetzes - Eine rechtspolitische und verfassungsrechtliche Kritik, ZRP 2008, 137

Roggan, Das neue BKA-Gesetz - Zur Zentralisierung der deutschen Sicherheitsarchitektur, NJW 2009, 257

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4 Kommentare

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Baum ist einer der wenigen verbliebenen in der FDP welche noch der "alten Garde" angehören. Immer wieder ein Genuss ist es Sein Artikel "Wir sind weit über Orwell hinaus" zu lesen:

http://www.gerhart-baum.de/buergerrechte/36-buergerrechte/54-wir-sind-we...

Die Interessenverbände vertreten die Interessen der Mitglieder. Mich stört in dieser Hinsicht, das (unterstellt) jeweils das Bedürfnis der Bürger selbst als "weniger wichtig" eingestuft wird. Es liest sich immer als ob man nur Ärzten und Anwälten entgegenkommen müsse (wie man es schon bei Politikern getan hatte) und dann würde man es als nicht bedenklich empfinden.

Am 27.1.2009 wurde im übrigen bereits von Bettina Winsemann  (Journalistin, Bürgerrechtlerin) Beschwerde eingereicht:

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29614/1.html

Das "Innenministerium" reagiert immer gelassen. Die Wertschätzung welche man anderen - auch dem BVerfG - gegenüber hegt war dort mehrfach zu lesen und hören. Nicht zuletzt bei der Verfassungsbeschwerde gegen die VDS als "man" bekanntlich den Vergleich mit Hitler bemühte:

“Wir hatten den ‘größten Feldherrn aller Zeiten’, den GröFaZ, und jetzt kommt die größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten”

Man wird dort keine Ruhe geben bis man auch den letzten juristisch machbaren Schritt der Grundrechts-Aushölung gegangen ist. Ich weiß nicht, ob es angebracht ist hier aus einer Rede Rohrmosers Carl Schmitt zu zitieren:

Man öffnete die Türen für den Feind, d.h. das konstituierende Prinzip war - wenn wir die Sprache und Begrifflichkeit von Carl Schmitt verwenden wollen - dass diese Wertneutralität des Staates dem Staat die Fähigkeit beraubt hatte, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden! Platonisch gesehen, zu unterscheiden zwischen denjenigen, die man nicht walten lassen darf bis sie den Staat zerstört haben und denen, denen man zutrauen konnte und von denen man den Willen vermuten konnte, dass sie bereit sind, den Staat zu verteidigen.

Derzeit werden die (aus diesem Grunde) in der Verfassung niedergelegten Werte, drücken wir es vorsichtig aus, geschmälert. Man versucht es jedenfalls mit aller Gewalt - auch mit verbalen Angriffen auf die Verfassungsrichter selbst. Die "Verluste" der Posten dort für die Bürgerrechte (wie Prof. Papier) wiegen u.U. schwer.


Grüße

ALOA

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Herr Baum ist ein kluger und aufmerksamer Jurist, schön dass es noch solche Verteidiger der Bürgerrechte gibt, bedauerlich ist, dass es sich mit ihm idS unter Anwälten schon fast zu erschöpfen scheint.

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Ich denke, das es durchaus Juristen gibt welche Bürgerrechte schätzen. Was Gerhard Baum in meinen Augen mehr auszeichnet ist, das er ein Politiker ist mit diesen Ansichten. Dort ist das eintreten für Bürgerrechte sagen wir "jetzigen Standards" (oder wohl eher "alten Standards") weitaus rarer gesät.

Weder über Herrn Schäuble noch über seinen ihm in nicht viel nachstehendes SPD-Pendant Wiefelspütz muss man denke ich dabei nicht viel Worte verlieren. Es reicht darzustellen wie Wiefelspütz, der "Gegenspieler" zu Schäuble dazu denkt:

"Wenn die Gesundheitskarte ein Schlüsselinstrument wäre, um terroristische Straftaten abzuwenden, würde ich einen Zugriff auf diese Daten nicht problematisieren wollen, dann müssten die Eingriffsrechte geschaffen werden"

Ich stelle daher einmal die These in den Raum, das diejenigen Personen welche sich politisch für Innenpolitik erwärmen und oft diese Posten besetzen alle einer gewissen Denkart entspringen. Und damit werden sozusagen die Böcke zu Gärtnern gemacht.

 

Grüße

ALOA

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Dass es viele Menschen und auch Juristen gibt, die die Bürgerrechte schätzen steht außer Frage, jedoch gehen leider nicht viele Rechtsanwälte den Weg, selbst bei nahezu offensichtlicher Verfassungswidrigkeit zu klagen, das Engagegement erschöpft sich oftmals im Reden, was freilich immer noch besser ist, als gänzlich passiv zu erdulden.

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