GSG 9 im Ausland nur bedingt einsatzbereit

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 05.05.2009

Zunächst völlig unbemerkt liefen in den vergangenen Wochen am Horn von Afrika sehr aufwendige geheime Vorbereitungen für eine der größten Kommando-Operationen in der Geschichte der Bundesrepublik mit dem Ziel, die 24 Seeleute des am 4.April gekaperten Frachters "Hansa Stavanger" zu befreien. Die Rettungsaktion endete in einem Fiasko.

Wie der SPIEGEL in seiner gestrigen Ausgabe berichtet (hier der Bericht in SPIEGEL ONLINE), hatte die Bundesrepublik mangels eigener Transportflugzeuge und geeigneter Schiffe mehrere ukrainische Großraumtransporter gemietet, um auf dem amerikanischen Hubschrauberträger "USS Boxer" sechs Hubschrauber der Antiterroreinheit GSG 9 zu stationieren. Am 29. April bliesen die Staatssekretäre von Außen- und Innenministerium die Aktion ab, weil das Risiko eines Einsatzes deutscher Spezialeinheiten als zu hoch eingeschätzt wurde.

Unter dem Eindruck des Streits dreier Berliner Ministerien habe die amerikanische Regierung ihren Hubschrauberträger  von der Geheimoperation "abgezogen". Auch seien Zweifel an der Professionalität der Deutschen seitens amerikanischer Militärs geäußert worden.

Dass ein solches Kommandounternehmen scheitert, weil Deutschland nicht über die notwendige Ausrüstung hierfür verfügt, sollte sich nicht wiederholen. Gespart ist da nichts. Laut SPIEGEL (S. 28) verschlangen die Vorbereitungen "mehr Millionen ... als alle Lösegeldzahlungen der vergangenen Jahre zusammen."

Fazit: Die GSG 9 kann ohne bessere Logistik im Ausland nicht schnell genug operieren. Oder sollte nicht die Bundeswehr noch konsequenter auf Einsätze fern der Heimat mit entsprechendem rechtlichem Hintergrund ausgerüstet werden? 

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6 Kommentare

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Die GSG 9 hat Zugriff auf die Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes und im Rahmen der Amtshilfe bei Bedarf auch auf die Heeres- und Marineflieger. Im Inland oder grenznah reicht das aus. Es wurden auch noch nie nahezu die gesamten Kräfte der GSG 9 gemeinsam auf einen Einsatz geschickt, weshalb dafür weder Logistik noch Ausrüstung bereitstand.

Die Bundesrepublik Deutschland verfügt auch über keine Schiffe, von denen mehr als zwei Hubschrauber eingesetzt werden können, insbesondere keine Flugzeug- oder Hubschrauberträger. Die Deutsche Marine hat auch keine Einheiten, die für Landungsoperationen abseits der deutschen Gewässer geeignet sind, weder für die horizontale Landung (mit Booten), noch für vertikale Landungsoperationen (mit Hubschraubern). Es war naheliegend, die Vereinigten Staaten um Unterstützung zu bitten und die USS Boxer ist exakt auf dieses Einsatzprofil ausgelegt (wenn auch im weit größeren Rahmen als die 200 GSG-9-Leute).

Die Frage ist aber auch, muss die Bundesrepublik alle Eventualitäten mit eigenen Mitteln abdecken können? Im Kalten Krieg war die Bundeswehr klar ins Bündnis eingebunden und ihre Rolle waren die großen Panzereinheiten, spezialisierte Aufgaben der Luftwaffe und Marineeinheiten zur Küstenverteidigung und Operationen in Nord- und Ostsee. Mehr - und insbesondere offensivere - Mittel wollten die Partner auch gar nicht in den Händen der BRD sehen.

In Europa verfügen die Franzosen über zwei spezialisierte Hubschrauberträger, die Briten über einen, sowie die beiden Nationen, Italien und Spanien über Flugzeugträger, die sich auch für Hubschrauberoperationen eignen.

Fazit? Ich habe keines, denke aber, dass die Integration der europäischen Streitkräfte gerade verhindern soll, dass alle ein bisschen was von allem anschaffen und unterhalten müssen. Die Luftwaffe verfügt ja auch über keine expliziten Bomber.

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Der militaristische Tenor des Beitrags stimmt nachdenklich.

Ziel der deutschen Politik darf nicht eine weitere Aufrüstung sein.

Es ist im Gegenteil sehr zu begrüßen, daß die Bundesrepublik angeblich nicht in der Lage ist, einen solchen Angriff im Ausland durchzuführen. Man bedenke das Verbot des Angriffskrieges.

Ich vermisse eine kritische Auseinandersetzung mit der Ermächtigungsgrundlage für eine Tätigkeit der Bundespolizei und der Bundeswehr im Ausland, diesmal vor der Küste Afrikas.

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Der Weg von der Geiselbefreiung bis zum Angriffskrieg ist doch noch ein längerer meine ich. Die ganze Aktion ist als leicht peinlich einzustufen und zeigt, dass Deutschland auf dieser Bühne derzeit wenig verloren hat. Ob es dort überhaupt mitspielen sollte ist eine andere Frage. Die Befreiung der Gefangenen hätte wohl in jedem Fall Tote auf Seiten der Einsatzkräfte und der Geiseln gefordert, weshalb die Nichtdurchführung nicht sonderlich bedauerlich ist.

Hinweisen will ich noch auf eine im Spiegel angesprochene andere Variante. Auf Seite 28 am Ende (Ausgabe 19/2009) heißt es "Die Soldaten könnten die Piraten jagen, wenn sie die Geiseln gegen Lösegeld freigelasen haben. Auch das wäre ein Signal."

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Genau: Mission impossible (wie der SPIEGEL-Artikel so treffend überschreiben ist), aber was großes Unbehagen bereitet, ist der deutsche Kompetenzwirrwar!

Die EU-Seeoperation "Atalanta" als Teil der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) bewegt sich im Grenzbereich zwischen Militär- und Polizeiaktion. Dies erklärt vielleicht auch, warum die Berliner Ministerien sich bislang nicht so recht über eine gemeinsame Vorgehensweise einigen konnten. Neben unionsrechtlichen Fragen wirft der Einsatz auch Fragen des internationalen und nationalen Rechts auf.

Warum sollte die GSG 9 (Innenministerium) und nicht das KSK der Bundeswehr (Verteidigungsministerium) zum Einsatz kommen? Nach Art. 87a II GG dürfen die Streitkräfte außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden, soweit das GG es ausdrücklich zulässt. Die Pirateriebekämpfung im Rahmen der Operation dürfte nach BVerfGE 90, 286 = BVerfG NJW 1994, 2207 unter Art. 24 II GG fallen. Der erforderliche parlamentarische Entsendebeschluss vom 29.12. 2008 umfasst u.a. Akte der Piraterie zu beenden, Verdächtige festzuhalten und an die zuständigen Strafverfolgungsorgane zu übergeben. Ob gezielte Tötungen damit gedeckt sind, erscheint fraglich (so Fischer-Lescano/Tohidipur NJW 2009, 1243, 1246). Aus dem Art. 87a II GG zu entnehmenden strikten Trennungsgebot, darf nach herrschender Meinung die Bundeswehr nicht zu Polizeimaßnahmen herangezogen werden. Auch wenn es Überschneidungen gibt, bildet die Pirateriebekämpfung als Kriminalitätsbekämpfung vorrangig eine polizeiliche Aufgabe (Fischer-Lescano/Tohidipur a.a.O.). So weisen § 6 Bundespolizeigesetz und § 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 3 II, 4 III Seeaufgabengesetz die Bekämpfung der Piraterie der Bundespolizei zu. Dann sollte der Bundespolizei aber auch über die erforderlichen Mittel verfügen!

Nun hat es sich gezeigt: Auch der maritimen Schutztruppe von EU und USA fehlen Mittel zum Kampf gegen die Seeräuber. Vor allem kann der achtmal so große Schutzraum wie die Bundesrepublik Deutschland nicht komplett überwacht werden. Dreimal ist es nun Piraten gelungen, Frachter aus dem Schutzkorridor zu fischen, den die Kriegsschiffe sichern sollen. Das zweite Mal hat es nun vorgestern mit dem Frachter "MS Victoria" ein deutsches Schiff getroffen, das zwar unter fremder Flagge fährt, aber einer deutschen Reederei gehört.

Wie soll es nun weitergehen? Überlegt wird eine internationale Schutztruppe unter dem nach der NATO. Einstweilen werden die Reedereien weiterhin hohe Lösegelder an die Piraten zahlen, deren Hintermänner  - so hat es immer mehr den Anschein - in den Finanzzentren sitzen

Bemerkenswert, dass Sie aus der Feststellung, dass die Vorbereitung des letztlich nicht durchgeführten Einsatzes so teuer war wie alle vorigen Lösegeldzahlungen zusammen, folgern, nun müsse unbedingt aufgerüstet werden. Wäre logisch nicht ebenso die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, künftig auf solche Befreiungsversuche komplett zu verzichten und lieber Lösegeld zu zahlen? Das wäre zumindest ökonomischer. Und wenn man zugleich an der Beseitigung der Ursachen der Piraterie arbeitete, eine weitaus nachhaltigere Strategie.

Insofern möchte ich Jürgen Fenn recht geben: der Beitrag erscheint mir eindeutig militaristisch, und der Weg von der Gefangenenbefreiung zum Angriffskrieg ist vermutlich kürzer als Valentin meint.

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