Schäuble: Grundgesetz ändern für verbesserte Piratenbekämpfung

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 11.05.2009

Nach der fehlgeschlagenen Befreiungsaktion der GSG 9 am Horn von Afrika hat Bundesinnenminister Schäuble (CDU) seine Forderung nach einer Grundgesetzänderung bekräftigt. Die GSG 9 sei zwar laut Gesetz für solche Einsätze zuständig (zur Zuständigkeit mein Beitrag vom 5.5.2009), aber eigentlich sei es Aufgabe der Bundeswehr. Dafür müsse ihr aber auch die rechtlichen Grundlagen durch eine Grundgesetzänderung geschaffen werden. Diese Änderung sei bereits im Koalitionsvertrag vereinbart worden, doch am Widerstand der SPD gescheitert (Quelle: FAZ vom 11.5.2009 S. 6)

Politisch (Problem der mangelnden politischen Führung bei der bestehenden Doppelstruktur von KSK und GSG; sehr anschaulich dazu der aktuelle SPIEGEL Nr. 20 S. 24 ff) und einsatztaktisch spricht vieles dafür, im Ausland ausschließlich das KSK einzusetzen. Für das KSK ist ausschließlich das Verteidigungsministerium zuständig, während an den Einsätzen der GSG 9 im Ausland drei Ministerien beteiligt sind: Innen, Außen und Verteidigung - und bei einem Fehlschlag "will es dann keiner gewesen sein."

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8 Kommentare

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Nachtrag: Gerade lese ich, dass sich auch Bundeskanzlerin Merkel in der gestrigen ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" für eine Grundgesetzänderung ausgesprochen haben soll, um der Bundeswehr mehr Kompetenzen im Kampf gegen Piraten einzuräumen.

Lieber Herr Kollege v. Heintschel-Heinegg,

Hans Frank, ein Vizeadmiral a.D. hat heute früh in einem Interview im Deutschlandradio  die Auffassung vertreten, man müsse das GG nicht ändern, um einen Einsatz der Bundeswehr zur Befreiung von Geiseln der Piraten zu erlauben. Vielmehr könne die Bundeswehr ohne weiteres "zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefahrenlagen" eingesetzt werden und der Bundestag könne dann nachträglich dem Einsatz zustimmen. Die Rechtsgrundlage sieht er im Parlamentsbeteiligungsgesetz von 2005, dessen "§ 5 Nachträgliche Zustimmung" so lautet:

"(1) Einsätze bei Gefahr im Verzug, die keinen Aufschub dulden, bedürfen keiner vorherigen Zustimmung des Bundestages. Gleiches gilt für Einsätze zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefahrenlagen, solange durch die öffentliche Befassung des Bundestages das Leben der zu rettenden Menschen gefährdet würde.(2) Der Bundestag ist vor Beginn und während des Einsatzes in geeigneter Weise zu unterrichten.(3) Der Antrag auf Zustimmung zum Einsatz ist unverzüglich nachzuholen. Lehnt der Bundestag den Antrag ab, ist der Einsatz zu beenden."

Ich habe ja Zweifel, ob dies  schon eine verfassungskonforme Rechtsgrundlage für eine solche Aktion ist. Aber Frank vermutet, die Union wolle die GG-Änderung nur auf die agenda setzen, um eine schon lange geplante Erweiterung der Bundeswehr-Befugnisse in polizeiliche Sphären durchzusetzen.

Frank sagte übrigens im selben Interview, weder KSK noch GSG 9 seien speziell für Befreiungsaktionen auf hoher See gerüstet und fähig. Da wird die GSG 9 sicherlich widersprechen. Ebenso wird die GSG 9 nicht von einer "fehlgeschlagenen" Befreiungsaktion sprechen wollen, sondern davon, dass man nicht einmal mit dem "Versuch" begonnen habe (um strafrechtliche Terminologie zu bemühen).

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

"Aber Frank vermutet, die Union wolle die GG-Änderung nur auf die agenda setzen, um eine schon lange geplante Erweiterung der Bundeswehr-Befugnisse in polizeiliche Sphären durchzusetzen."

 

Eben darum geht es. Steht doch meine ich groß und breit im Grundsatzprogramm der CDU drin. Das ist zusammen mit dem Flugzeugabschuß/Luftsicherheitsgesetz bekanntlich eines der Lieblingsprojekte von Herrn Schäuble. Wenn es machbar wäre würde er auch Paintball-Spieler als Begründung für die Notwendigkeit hernehmen.

 

Grüße

ALOA

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Geht es nach Schäuble soll Art. 87a GG folgenden neuen Abs. 5 erhalten:

"Außerhalb des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland dürfen die Streitkräfte nach den Regeln des Völkerrechts, auch zur Unterstützung der zuständigen Bundesbehörden, eingesetzt werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz."

Quelle: FAZ vom 12.5.2009 Nr. 109 S. 5

Ich bin kein Fachmann, aber wäre das nicht absurd wenn es wirklich um Piraterie vor fremden (somalischen) Küsten auf hoher See ginge?

Dann dürfte die Bundeswehr bei Einsätzen auf ausländischen Schiffen unterstützen, nicht aber auf Schiffen die unter deutscher Flagge laufen, denn diese zählen doch imho als deutsches Hoheitsgebiet?

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@ corax

Gerne würde ich die Fragestellung aufgreifen, aber leider verstehe ich den erläuternden Satz nicht.

Vielleicht hilft aber folgende Erklärung: Weil das Grundgesetz die Aufgaben zwischen Bundeswehr (Verteidigung) und Polizei (Prävention, Strafverfolgung) strikt trennt, die Bundeswehr also bislang keine polizeilichen Aufgaben wahrnehmen kann, dürfen  nach Art. 87a Abs. 2 GG  außer zur Verteidigung die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit das Grundgesetz dies ausdrücklich zuläßt. Viele in der Politik (Position der "SPD") wollen die unterschiedliche Aufgabenverteilung nicht aufgeben und eben nicht, dass jetzt die Bundeswehr bei Auslandseinsätzen künftighin auch die Kriminalitätsbekämpfung (Piraterie) unternimmt. Art. 87a Abs. 5 neue Fassung würde dies allerdings ermöglichen.

In meinem Eingangsbeitrag habe ich im letzten Absatz das politische und einsatztaktische Argument angesprochen, nicht die bestehende Grundrechtslage. 

Herr v. Heintschell-Heinegg,

meine Frage bezog sich auf die von Ihnen im Vorpost angesprochene Grundgesetzänderung.

"Außerhalb des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland dürfen die Streitkräfte nach den Regeln des Völkerrechts, auch zur Unterstützung der zuständigen Bundesbehörden, eingesetzt werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz."

Schiffe unter deutscher Flagge auf Hoher See gelten aber doch als deutsches Hoheitsgebiet, oder irre ich mich da?

Das meinte ich mit „absurd“.

Wenn meine Prämisse stimmt, dürfte die Bundeswehr doch nach der Gesetzesänderung immer noch nicht für Geiselbefreiungseinsätzen auf Schiffen unter deutscher Flagge sondern nur auf anderen eingesetzt werden? Denn sie müsste dazu ja "deutsches Hoheitsgebiet" betreten.

Das mit der "Trennung" ist mir klar und ich bin auch ein strikter Befürworter.

 

MfG

 

 

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@ corax

Entschuldigen Sie bitte, dass ich mich versehentlich erst heute melde. Dafür weiß ich aber die Antwort, nachdem ich vor wenigen Tagen den Beschluss des BGH vom 7.4.2009 - 2 ARs 180/09 - gelesen habe:

Das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland umfasst an Land das Gebiet innerhalb der Bundesgrenzen, an der deutschen Küste die Eigengewässer und das Küstenmeer sowie allgemein den über den vorgenannten Bereichen liegenden Luftraum. Jenseits dieser Gebiete beginnt der Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen nach § 4 StGB.

Also: Schiffe unter deutscher Flagge auf hoher See gelten nicht als deutsches Hoheitsgebiet, wenngleich das deutsche Strafrecht unabhängig vom Recht des Tatorts gilt und bei Schiffen das Gericht nach § 10 StPO zuständig ist, in dessen Bezirk der Heimathafen oder der Hafen im Geltungsbereich StPO liegt, den das Schiff nach der Tat zuerst erreicht.

 

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