Fremdbetreuung für ein Kleinkind besser als Betreuung durch ein Elternteil ?

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 18.05.2009
Rechtsgebiete: elterliche SorgeFremdbetreuungFamilienrecht7|5652 Aufrufe

Der Sohn der nicht miteinander verheirateten Parteien wurde im November 2007 geboren und lebte bislang bei der Mutter.

Mit Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Mutter wurde das Kind zunächst durch Tagesmütter betreut. Zum Entscheidungszeitpunkt befand es sich in der Eingewöhnungsphase einer Kinderkrippe.

Der Vater strebt ein Wechselmodell an und trägt vor, als Freiberufler habe er sein Büro in der eigenen Wohnung untergebracht, auswärtige Termine könne er sich frei einteilen. Deshalb könne er - im Gegensatz zur Mutter - das Kind persönlich betreuen.

In der die Beschwerde des Vaters zurückweisenden Entscheidung führt das OLG Brandenburg unter anderem aus:

Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Fremdbetreuung eines Kindes von etwa eineinhalb Jahren während der Ausübung der Berufstätigkeit der Eltern dem Kindeswohl abträglich ist. Der Antragsteller räumt selbst ein, dass es zu dieser Frage in der Fachliteratur unterschiedliche Auffassungen gibt. Der Gesetzgeber geht demgegenüber davon aus, dass eine Betreuung auch kleiner Kinder durch eine Tagesmutter oder in einer Kinderkrippe mit dem Kindeswohl durchaus in Einklang steht. Hat der Gesetzgeber zunächst einen Kindergartenplatz ab Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes garantiert (vgl. § 24 SGB VIII in der seit dem 1.1.1996 geltenden Fassung, aber auch das Gesetz zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder - Tagesbetreuungsausbaugesetz - TAG - vom 27. 12. 2004, BGBl. I S. 3852), so ist er nun im Interesse einer besseren Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie bestrebt, das Angebot an Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren im gesamten Bundesgebiet deutlich auszuweiten (siehe das Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege vom 10.12.2008 - Kinderförderungsgesetz - KiföG, BGBl. I, S. 2403).

Anhaltspunkte dafür, dass gerade S. eine Fremdbetreuung nicht verkraften könnte, sind nicht gegeben. Die Verfahrenspflegerin hat S. als ausgeglichen und fröhlich beschrieben. Darauf deutet auch die ungezwungene Kontaktaufnahme des Kindes zu beiden Elternteilen während der Besuche der Verfahrenspflegerin hin. Soweit der Vater von Verlustängsten des Kindes spricht, lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass allein infolge der von der Mutter beabsichtigten Fremdbetreuung das Kindeswohl gefährdet wäre. Weil kleine Kinder regelmäßig starke Bindungen an ihre Eltern haben, ist der Versuch, eine weitere Bezugsperson in die Betreuung einzubinden, stets mit gewissen Anlaufschwierigkeiten verbunden. Gerade deshalb sehen Kindertagesstätten, aber auch Tagesmütter zu Beginn eines Betreuungsverhältnisses eine Eingewöhnungsphase vor

Der Umstand, dass S., seit die Mutter ihre Erwerbstätigkeit wieder aufgenommen hat, mit verschiedenen Betreuungspersonen in Kontakt getreten ist, und insoweit stabile Verhältnisse noch nicht eingetreten sind, begründet ebenfalls keinen Vorrang des Vaters. Unabhängig von der zwischen den Eltern streitigen Frage, wie sich die Gespräche des Vaters mit den beiden Tagesmüttern S. und Lü. gestaltet haben, lässt sich jedenfalls feststellen, dass die Mutter für die Ablehnung der Tagesmütter, S. weiter zu betreuen, keine Verantwortung trägt.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.03.2009 (10 UF 204/08)

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7 Kommentare

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Vielleicht ergab sich ja auch noch weiters aus der Akte, was die Erziehungsfähigkeit des Vaters oder dessen umsorgende Motive irgendwie in nicht ganz so gutem Licht erstrahlen ließ.

Aber:

Ob das OLG das wohl in einer Unterhaltssache ebenso etwas geschrieben hätte?

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Carsten Krumm schrieb:
Ob das OLG das wohl in einer Unterhaltssache ebenso etwas geschrieben hätte?

 
Das darf man wohl getrost bezweifeln. Und das ist auch der springende Punkt.

Es kann durchaus sein, dass die hier zitierte Entscheidung im Einzelfall sachgerecht ist, weshalb die Überschrift schon einen Hauch polemisch daher kommt. Natürlich gibt es Fälle, wo eine Fremdbetreuung besser sein kann, als die Betreuung durch ein Elternteil.
Wäre es aber um Betreuungs- bzw. Ehegattenunterhalt gegangen, muss man kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass das OLG die Fremdbetreuung eines 1,5jährigen Kindes nicht für zumutbar gehalten hätte.
Ich lasse mich natürlich gerne eines Besseren belehren, aber eine entsprechende Entscheidung ist mir nicht bekannt. Im Gegenteil geht die Tendenz doch wohl eher dahin, dass auch bei einem 3jährigen Kind regelmäßig nur eine „Teilzeitbetreuung" durch Fremdkräfte zumutbar ist.

Man kann ja beide Sichtweisen vertreten. Nur wenn man je nach Sachlage um 180 Grad kehrt macht und zu Lasten des unterhaltspflichtigen Elternteils entscheidet (nun mal regelmäßig die Väter), hat das mit Gerechtigkeit nichts mehr zu tun.

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Carsten Krumm schrieb:

Vielleicht ergab sich ja auch noch weiters aus der Akte, was die Erziehungsfähigkeit des Vaters oder dessen umsorgende Motive irgendwie in nicht ganz so gutem Licht erstrahlen ließ.

Die Abneigung des OLG gegen den Vater zieht sich durch die ganze Entscheidung. Bemerkenswert finde ich, dass das OLG die zitierte Passage überhaupt in die Begründung aufgenommen hat (regionale Besonderheit ?)

Hinsichtlich des Unterhalts macht das Gesetz klare Vorgaben: Bei einem Kind unter 3 Jahren ist eine Erwerbstätigkleit nicht zumutbar. Arbeitet der/die Betreuende (im statistischen Regelfall die Mutter) dennoch, so ist dies eine überobligatorische Tätigkeit und das Entgelt daher nicht in vollem Umfang in die Unterhaltsberechnung einzustellen.

 

Es geht ganz klar eine Abneigung gegen den Vater aus dem Beschluss des OLG hervor.

Allerdings könnte man die Abneigung gegen eine Ganztagesbetreuung durch den Vater auch so verstehen, dass er vielleicht ausgeführt hat, dass er weiterhin nebenbei in seinem Büro arbeiten wolle, während der Sohn im Büro sitzen muss. Kinderbetreuung für Kinder in diesem Alter ist kein Kinderspiel und erfordert ein hohes Maß an Zeit und Kreativität. Vielleicht ist aus den Gesprächen herausgekommen, dass der Vater zwar sein Büro im Haus hat, aber dass er sich eben nicht ganztags um seinen Sohn kümmern könne, weil er eben selbstständig sei.

Ich sage ganz klar, dass Fremdbetreuung dann besser ist, wenn beide berufstätig sind. Denn eine Tagespflege setzt ganz andere Prioritäten als die Eltern in Bezug auf das Spielangebot und kann sich 100%ig auf das Kind einlassen und nicht nur 70%.

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  • Bis zur Prüfung der nun eingestellten Langfassung des OLG-Urteils stelle ich meinen Kommentar zurück.

Offensichtlich wird die Frage, ob eine Fremdbetreuung oder die Betreuung durch die eigenen Eltern besser für das Kind sei, stets so ausgelegt, dass sich damit eine Entscheidung gegen den Vater begründen lässt.

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