Ein Meilenstein, wie immer man es auch sehen mag: Bundestag macht den umstrittenen Weg frei für staatliche Abgabe von künstlichem Heroin

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 31.05.2009

Nach jahrelangem Streit über die staatliche Abgabe von künstlichem Heroin (Diamorphin) an Abhängige in speziellen Einrichtungen unter staatlicher Aufsicht beschloss der Bundestag ohne Fraktionszwang am 28.05.2009 mit 349 Ja-Stimmen bei 198 Gegenstimmen und drei Enthaltungen den von der SPD initiierten Gesetzentwurf. Die Union lehnte ihn ab, die Opposition unterstützte ihn.

Voraussetzungen für die Teilnahme sind: Die Betroffenen müssen seit mindestens fünf Jahren opiatabhängig sein, mindestens zwei erfolglose Therapien hinter sich haben und mindestens 23 Jahre alt sein, um für die Abgabe im Frage kommen zu können. Dazu wird Diamorphin als verschreibungspflichtiges Betäubungsmittel eingestuft. Ein Unionsantrag, zunächst weitere Studien durchzuführen, kam nicht mehr zur Abstimmung.

Die SPD-Gesundheitsexpertin Carola Reimann betonte, es gehe darum, schwerst Heroinabhängigen mit massiven Gesundheitsproblemen wieder eine Perspektive zu bieten. Während CDU-Experte Jens Spahn von bis zu 80.000 Betroffenen sprach, die nun Diamorphin bekommen würden, ging Reimann von 2.000 bis 3.000 aus. Von einem Ansturm könne keine Rede sein. Spahn kritisierte, dass sich auch viele Diamorphin-Empfänger noch weiter Heroin von der Straße beschafften. Zudem hätten auch Methadon-Empfänger zu 74 Prozent ihren Gesundheitszustand verbessern können. Demnach könnte die Verbesserung auch an der besseren psychosozialen Betreuung in den Modell-Einrichtungen gelegen haben und nicht an dem verabreichten Diamorphin. Der SPD warf Spahn «Koalitionsbruch» vor, da die Bündnispartner entgegen dem Koalitionsvertrag nicht gemeinsam abstimmten. Die SPD verwies darauf, dass es sich um eine ethische Frage handele, bei der der Fraktionszwang wegfalle. 

Entwurf eines Gesetzes zur diamorphinen Substitutionsbehandlung BT-Drs. 16/11515

 

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

3 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Als Nicht-Juristin fällt mir dazu ein:

Die Auswirkungen eines solchen Gesetzes müssen zumindest auf 3 verschiedenen Ebenen beurteilt werden:

1) tatsächliche medizinische Auswirkungen auf den Betroffenen

Die Auswirkungen dürften eher positiv zu beurteilen sein. Denn es geht im Wesentlichen darum, ob der Betroffene synthetisches Heroin unter kontrollierten Bedingungen erhält oder sich mehr oder weniger verunreinigtes Heroin auf dem Markt beschafft.

2) Auswirkungen auf die Beschaffungskrimininalität

Auch hier sind die Auswirkungen positiv zu beurteilen (in welchem Umfang sich hier Auswirkungen zeigen, steht auf auf einem anderen Blatt). Schlechter wird es jedenfalls nicht

3) Ethische Gesichtspunkte

Hier stellt sich natürlich die Frage, ob ein Staat wirklich zum Dealer werden darf und das verteilt, was er eigentlich sonst verbietet. Ich meine: unter diesen Ausnahmebedingungen ist es zulässig, denn der Staat beansprucht auch auf anderen Gebieten (sinnvollerweise) Monopole für sich und erlaubt sich Dinge, die er anderen Bürgern verbietet.

0

a) Der Begriff „künstliches/synthetisches Heroin“ ist ein Pleonasmus da es kein „natürliches Heroin“ gibt und auf der Straße auch nichts anderes, bis auf die Streckmittel, gehandelt wird.

b) Ich begrüße das Ganze. Frau Ertan hat die wichtigsten Punkte schon dargelegt.

 

MfG

 

0

Kommentar hinzufügen