Die Machtfülle des Familienrichters

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 07.06.2009
Rechtsgebiete: Familienrecht1|3335 Aufrufe

Es dürfte keinen Amtsrichter in Deutschland geben, der über eine derartige Machtfülle verfügt wie der Familienrichter:

- Der Gesetzgeber hat sich aus dem Unterhaltsrecht weitgehend zurückgezogen und das Unterhaltsrecht mit Generalklauseln geregelt:

Beispiel:

§ 1570 BGB

(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.

- Gegen einstweilige Anordnungen zum Unterhalt, aber auch zum Umgang, die nach mündlicher Verhandlung ergangen sind, gibt es jetzt und auch in Zukunft kein Rechtsmittel. Allein durch den Zeitablauf bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache werden hier Fakten geschaffen.

- Bei der Anhörung des Kindes in Sorge- und Umgangsrechtsstreitigkeiten ist allenfalls noch der/die Vertreter/in des Jugendamtes anwesend.

PS 1: Bei der Schaffung der Familiengerichte 1977 war ursprünglich vorgesehen, alle Familienrichter nach R 2 zu besolden. Diese Bestimmung des Entwurfs wurde erst in der letzten Lesung im Bundestag gestrichen.

PS 2: Bereits nach einem Jahr Dienstzeit kann auch ein Proberichter in Familiensachen eingesetzt werden (§ 23 b III 2 GVG).

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1 Kommentar

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Sehr interessanter Beitrag.

Es gibt auch einen Trend zum sog. "discretionary remedialism", wie es im anglo-amerikanischen Rechtsverstaednis tief verwurzelt ist. Der Richter hat danach die Moeglichkeit, nach eigenem Ermessen ueber die Rechtsfolgen ("remedies") eines Rechtsverstosses zu entscheiden.

Ein juengstes Beispiel ist der Vorschlag zur Neufassung der Vorschriften des Aktiengesetzes ueber Beschlussmaengel des Arbeitskreises Beschlussmaengelrecht.

Darin heisst es etwa:

"Ist ein Beschluss fehlerhaft, ohne dass die Voraussetzungen von Abs. 1 oder Abs. 2 vorliegen, stellt das Gericht die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses fest. Es kann daneben

1. die Wirkungen des Beschlusses für die Zukunft aufheben, soweit nicht die Mängel nach der Eintragung in das Handelsregister seine Wirksamkeit unberührt lassen,

2. der Gesellschaft zur Rüge des Verstoßes ein an die Staatskasse zu leistendes Rügegeld bis zur Höhe von einer Million Euro auferlegen und

3. die Veröffentlichung des Tenors der Entscheidung und der Auferlegung eines Rügegeldes in den Gesellschaftsblättern anordnen.

Das Gericht hebt die Wirkungen des Beschlusses nach Satz 2 Nr. 1 nur dann auf, wenn dies unter Berücksichtigung der Bedeutung des Rechtsverstoßes sowie des Interesses der Gesellschaft und ihrer Aktionäre an der Wirksamkeit des Beschlusses im Verhältnis zu den Nachteilen aus der Wirksamkeit des Beschlusses für den Kläger geboten ist. Abs. 5 bleibt unberührt."

 

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