Internetsperre verabschiedet

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 18.06.2009

Die Internetsperrregelung ist vom Bundestag verabschiedet worden. 389 Abgeordnete stimmten für das Gesetz, 128 stimmten dagegen, 18 enthielten sich. Familienministerin Frau von der Leyen sprach von einem "wichtigen gesellschaftlichen Signal". Fragt sich nur, wofür dieses Signal steht. Zwar wurden einige der schärfsten Kritikpunkte im Gesetzgebungsverfahren aufgrund des breiten Protestes (maßgeblich durch die Unterzeichnunsgwelle der Online-Petition) optisch entschärft, jedoch bleibt die entscheidende Frage, ob die Sperrinfrastruktur nicht demnächst auch für andere Zwecke genutzt werden wird, noch offen. Und ob diese Regelung den für Pornographie missbrauchten Kindern hilft, ist auch sehr fraglich.

Hier die letzte bekannte Entwurfsfassung. Ob noch in letzter Sekunde etwas geändert wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.

Zuletzt hatte noch Torsten Schäfer-Gümbel versucht, die SPD Abgeordneten umzustimmen, vergeblich.

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16 Kommentare

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Es soll eine namentliche Abstimmung gewesen sein. 389 Namen sollte man sich merken - und bei der nächsten Wahl nicht ankreuzen.

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Danke für den Hinweis, die Liste der Abstimmenden müsste demnächst hier einzusehen sein.

Laut Spiegel Online war Tauss der einzige SPD-Abgeordnete, der mit Nein stimmte, die Opposition stimmte wohl einstimmig dagegen, die Enthaltungen stammen dann wohl ebenfalls überwiegend aus der SPD (update: von den Grünen).

 

Das Abstimmungsverhalten kann man hier einsehen (Backup von Abgeordnetenwach durch Felix):

http://ptrace.fefe.de/zensurgesetz-abstimmungsverhalten.html

Einer aus der CDU hat auch dagegen gestimmt (ich meine, das ich Borchert auch bei der VDS dagegen habe stimmen sehen). Bei der SPD angeblich drei.

Dazu hat er noch ein paar andere nette Links zu Anmerkungen zusammengetragen: http://blog.fefe.de/   (auch die Version des Gesetzes hat er mehr oder minder recherchiert)

Das Netz war danach in interessierten Kreisen hyperaktiv, Forum und Wiki der PP waren (unter anderem durch eine Fehlleitung der loeschenstattsperren.de - Seite) überlastet und zeitw. gar nicht erreichbar. Ich glaube die Politiker in Deutschland haben nicht richtig nach Teheran und nach Schweden gesehen. Wenn man Medien unterschätzt - und das Internet ist bekanntlich eines - bekommt man eine Quittung. Das ist eine Lehre aus Geschichte und Politik welche eigentlich zum Basiswissen gehören sollte.

Grüße

ALOA

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@aloa5: Danke für Ihre Links. Die Enthaltungen stammen also überwiegend von den Grünen, während die FDP geschlossen dagegen war - ein Zeichen für schwarz-grün?

Christian Rath bietet in der taz heute eine etwas optimistischere Nachlese: Die Kritiker hätten mehr erreicht als zu erwarten gewesen sei. Die ins Gesetz verspätet eingebauten Bremsen würden tendenziell eine Erweiterung der Sperrpraxis auf andere Gebiete verhindern, insbesondere habe die Politik schon die Botschaft bekommen, dass sie bei eventuellen künftigen Ausweitungen ordentlich Gegenwind bekäme.Ein Dammbruch sei deshalb nicht zu erwarten. Vielleicht zu optimistisch?

Immerhin: Erfolg oder Misserfolg, mit einem solchen Protest war tatsächlich nicht zu rechnen  und das Netz hat Frau von der Leyen und das BKA damit ganz schön unter Druck gesetzt. Jedenfalls teile ich nicht die Einschätzung von Anke Gröner in ihrem Blog, die in pathetischem Ton  den Untergang des Rechtsstaats beschwört.

 

Sehr geehrter Prof. Dr. Müller,

das damit nicht zu rechnen war unterstreiche ich lediglich aufgrund der Wissensbasis vieler. Wer sich davor (seit 2005) mit der APO in Deutschland beschäftigt hat wusste was geschehen wird. Von der Piratenpartei bis zur aktivsten Aktivisten-Gruppe, dem AK Vorratsdatenspeicherung war abzusehen wie groß das Mobilisierungs-Potential ist. Der AK VDS ist aktiver und "größer" als jede andere Gruppierung in Deutschland.

Es ist - wenn es nur hierbei bleibt - eine Niederlage. Denn die Politiker Marke Schäuble/Wiefelspütz (und das sind die meisten im Bundestag) haben eine unverhohlene Arroganz. Verdientermaßen ("das macht das Volk immer") und aus Erfahrung warten sie nun einfach ab bis die Wellen sich geglättet haben und erweitern im stillen oder machen noch eine Attacke auf das Luftsicherheitsgesetz, die BW im Inneren usw.. Hat bisher immer funktioniert. Wiefelspütz und Schäuble machen da keinen Hehl aus Ihrer Geringschätzung für den (vermeintlich kurzfristigen) Widerstand.

Das wird auch diesmal so funktionieren können wenn nichts nach kommt. Denn Widerstand auf APO-Ebene läuft sich irgendwann tot.

Jedoch: Die Mitglieder der Piratenpartei, so oder so erst seit 2006 existent, haben innerhalb von etwa 8 Wochen von 870 auf etwa 1800 zugenommen. Die Unterstützung des Netzes ist derzeit gigantisch. Die Seite piratenpartei.de ist im Alexa-Ranking der meistbesuchten Seiten auf Rang 600 in Deutschland und 6000 der Welt zu finden:

http://www.alexa.com/siteinfo/piratenpartei.de

Gehen Sie links über der Grafik auf "Traffic-Rank" und unten auf "Trailing 3 months".

Der Erfolg hierbei - bei den Protesten und dem Gesetz - stellt sich ein, wenn der Protest eine dauerhafte Form erhält. Es ist von Mittel April an gerechnet ein kleines politisches Erdbeben im Gange. Davon bekommen Parlamentarier welche es gewohnt sind nicht zuzuhören nicht viel mit. Auch wenn man meinen möchte, das die Menschen in einer Wirtschaftskrise anderes zu tun hätten - gerade dann - ist eine Kanalisation auch dieses Protestes möglich.

Grüße

ALOA

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Hinsichtlich der eingebauten Bremsen um etwaige Erweiterungen zu verhindern - Herr Strobl sieht das etwas anders - wobei die Aussage sicherlich auch mit seiner Funktion zusammenhängt.

http://www.presseportal.de/pm/66749/1425454/koelner_stadt_anzeiger

Und wer sich die gestrige Kommunikation Dörmann-Tauss gegönnt hat, der konnte leider auch feststellen, wo die Grenzen von Respekt und Anstand liegen und wie es um die Streitkultur innerhalb der SPD bestellt ist. Abgesehen davon gehört eine solche Form der Auseinandersetzung absolut nicht in das Parlament.

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Diese Aktion war doch ein wunderbarer Lackmus-Test, wie Politik und Medienmanipulation funktionieren:

Gestern Abend gab es in der Spätausgabe der "tagesschau" einen Beitrag über die Sache, indem zwar auch die Kritiker erwähnt wurden, jedoch endete die "Erörterung" mit dem Hinweis, "die Deutsche Kinderhilfe" begrüße die Internetsperren. Ende Gelände, Fall erledigt.

Moment! Wer ist denn diese "Kinderhilfe"? Ist das Unicef? Aktion Sorgenkind/Mensch? Der Kinderschutzbund? Die "McDonald's Hinderhilfe"? Mitnichten! -> http://netzpolitik.org/2009/deutsche-kinderhilfe-fuer-zensursula/

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Ich meine, dass die größten und durchaus berechtigten Kritikpunkte an diesem Gesetz dadurch hätten ausgeräumt werden können, indem man einen Richtervorbehalt schafft. Diesbezüglich habe ich jedoch nie etwas gelesen - in dem Entwurf ist auch nichts zu finden.

Gerade wenn es um ein heikles Thema wie "Zensur" geht, wäre es m.E. nur sinnig, eine weitere Kontrollinstanz im Rahmen der Gewaltenteilung mit einzubringen.

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Nur was man jagt/erntet/findet kann man essen. Es wird einen Grund geben warum die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag so sind wie sie sind. Zum Thema Schuldzuweisung, Spiegel, hineinschauen und sich fragen: "Was hätte ich tun können".

Oder nachdem man schon wieder eine auf die Nase bekommen hat: "Was kann ich anders machen? Welche Alternativen habe ich? Was machen die anderen für ihren Erfolg?"

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"Es wird einen Grund geben warum die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag so sind wie sie sind."

 

Das ist richtig. Aber auch Langschläfer merken irgendwann einmal wenn nicht alls immer automatisch weiter laufen kann. Das war bei den Grünen so, das war vor dem Dritten Reich so, das war vor Chavez so und letztenendes auch vor Sarkozy oder Obama. Menschen sind aufgrund positiver Zukunftsaussichten motivierbar - wenn es übel aussieht. Davor befinden sich die meisten im Winterschlaf.

Man darf gespannt sein, wie viel der Wechsel von Tauss noch auf die ohnehin sinkende Waagschale zu werfen vermag. So kommt eines zum anderen - und die SPD ist politisch so oder so schon nahe am mittleren Verenden als große Volkspartei.

 

Grüße

ALOA

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Ursprünglich war dieses Gesetz rein wahlkampftechnisch gedacht. Die Regierung wollte zeigen, dass sie etwas tut. Aus diesem Grunde war es auch so stümperhaft angelegt. Des Weiteren merkt man den Meldungen in den Medien durchaus an, wie der Durchschnittsdeutsche und -parlamentarier denkt: es geht gegen KiPo, und wer dagegen ist, gehört sicherlich zu den Konsumenten. Aus diesem Grunde hat sich Frau von der Leyen auch keine große Mühe gegeben: das Gesetz konnte nur so durchgewunken weden. Und ohne die Proteste wäre das auch passiert. Freilich: Rechtsexperten hätten protestiert, aber das ist ja normal...

Das wirklich Schlimme ist allerdings, dass bekannte Menschen laut darüber nachdenken dürfen, was noch alles zensiert werden könnte, ohne dass es eine sehr klare Aussage der Politik dazu gibt.

Und jetzt eine Frage an die Rechtsexperten:

das BVerfG hat eine Beschwerde gegen den Hackerparagraphen zurückgewiesen, weil die Beteiligten nicht betroffen seien. Kann diese Aussage auch wegweisend für eine Beschwerde zum Zensurgesetz sein?

Merci + Grüße
Mario H.

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Ich bin zwar kein "Rechtsexperte", aber da sind schon Unterschiede zu sehen. Wenn ich das mit dem Hackerparagraphen richtig im Hinterkopf habe wurde geklagt, weil man argumentiert hat, das man eigentlich unrechtmäßiges Handeln im Sinne des Gesetzes als Beruf ausübe. Das hat das Gericht verneint - u.a. mit der Begründung das der Vorsatz einer strafbaren Handlung (z.B. Datenmanipulation ohne Wunsch des Anwenders) nicht gegeben sei.

Man ist als Internet-Nutzer jedoch u.U. sehr wohl betroffen von einer Zensur. Man weiß ja nicht, welche Seiten vom Staat geblockt werden und welchen Inhalt diese Seiten haben. Die Betroffenheit einer angenommenen Zensur ist damit gegeben.

 

Grüße

ALOA

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