Der Albtraum hat ein Ende - Bundestag macht den Weg frei für § 15a RVG und die Neufassung von § 55 Abs. 1 S. 2 RVG

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 19.06.2009

Nachdem der Bundestag in seiner Sitzung vom 18.06.2009 den Einspruch des Bundesrats zurückgewiesen hat, kann das Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen notariellen Berufsrecht, die Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie der Änderung sonstiger Vorschriften nunmehr in Kürze in Kraft treten. Die in diesem Gesetz enthaltene Regelung des § 15a RVG entzieht den vielfach ungereimten Ergebnissen, zu denen die Rechtsprechung des BGH in der Anrechnungsfrage geführt hatte, den Boden. Die Probleme, zu denen die Rechtsprechung des BGH im Rahmen der Prozesskostenhilfevergütung geführt hat, werden ebenfalls durch die neu gefassten Gesetzesbestimmungen beseitigt. So wird § 55 Abs. 1 RVG geändert. An Stelle des bisherigen Satzes 2 wird nunmehr bestimmt, dass der Anwalt Zahlungen anzugeben hat, die er bis zum Tag der Antragstellung erhalten hat. Darauf, ob fiktiv eine Geschäftsgebühr entstanden ist, kommt es also keinesfalls mehr an. Klar ist nach der gesetzlichen Neuregelung auch, dass Zahlungen im Rahmen der Prozesskostenhilfe zunächst auf die weitere Vergütung, im wesentlichen also auf die Wahlanwaltsvergütung, anzurechnen sind, dies ergibt sich aus dem unverändert gebliebenen § 58 Abs. 2 RVG. Spannend dürfte die Diskussion werden, ob auch sogenannte „Altfälle" nunmehr anders zu behandeln sind.

 

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13 Kommentare

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Gibt es "Altfälle"? Das Gesetz ist inhaltlich nicht geändert worden. Der Gesetzgeber hat sich angesichts der deströsen Wertungen des BGH genötigt gesehen, die von mir am 18.02.09 hier:http://blog.beck.de/2008/06/15/anrechnung-der-unbezahlten-geschaftsgebuh...

zitierte Beschreibung des Begriffs der Anrechnung aus dem Fachwörterbuch Recht von Alpmann/Brockhaus ins Gesetz zu schreiben, damit auch die Protagonisten dieser Verirrungen den eigentlich seit Jahrzehnten klaren Begriff der Anrechnung verstehen und korrekt anwenden.

Nichts anderes enthält der neue § 15a Abs. 1 RVG, - als diese Begriffserklärung, leicht umformuliert: "eine kraft Gesetzes von selbst eintretende Verrechnung bestimmter Beträge mit dem Ergebnis einer einheitlichen Forderung in Höhe des Saldos".

Auch die vom BGH empfundene Verrechnungsrichtung ist nicht nachvollziebar (gewesen), denn der Begriff der Anrechnung wird nur mit der kausalen Präposition "auf" gebraucht. Mangels alternativer Ausdrucksweise kann hieraus also nicht auf eine Richtungsbestimmung der Verrechnung geschlossen werden. Außerdem käme der BGH in Erklärungsnot bei Anm. zu Nr. 2303 VV RVG, die zwar eine Anrechung bestimmt, aber nicht auf was. Wäre die Verrechnung dann beliebig möglich?

Herr Schmeding hat mir am Ende in dem Thread empfohlen, mich als Volljurist doch mit dem BGH ins Benehmen zu setzen; das hat der Gesetzgeber jetzt in meinem Sinne erledigt.

§ 15 a enthält somit nur eine Begriffsklarstellung ohne jede neue rechtliche Regelung. Eine echte Legaldefinition ist dies im übrigen entgegen der Ankündigung im Entwurf nicht, wie sie in geradezu klassischer Weise in § 1 BerHiG so enthalten ist: "Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten ... ... (Beratungshilfe) ...", die im übrigen weithin auch nicht verstanden wird. Diese Definition stellt i.V.m. § 3 BerHG klar, daß die Anwälte nicht die Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten leisten, sondern nur die Wahrnehmung der Rechte selbst.

Der Gesetzgeber könnte auch nicht einen Begriff neu definieren, der wie die "Anrechnung" sprachlich seit Jahrzehnten feststeht, wie dem Fachwörterbuch zu entnehmen ist. Vielmehr verweist er nur auf diese an sich klare Bedeutung.

Die Rechtsprechung des BGH hierzu ist im übrigen auch nicht gefestigt, wie es in nahezu allen jüngeren Entscheidung hierzu heißt, denn eine "Verfestigung" besteht nicht in einer Vielzahl von Wiederholungen und Bezugnahmen, sondern setzt weitere -tiefergehende- Argumente und Begründungen für diese Wertung voraus, die aber leider keiner der Entscheidungen zu entnehmen ist. Seine Ansicht hätte der BGH sprachlich und schuldrechtlich herleiten müssen, dazu verliert er weiterhin kein Wort.

Es stellt sich also die Frage, ob überhaupt irgendein Fall hätte anders beurteilt werden dürfen und ob man über die Rechtskraft dieser Fehlentwicklungen nicht sollte nachdenken müssen.

Unabhängig davon, ob man der BGH-Rechtsprechung zuneigt oder nicht, möglicherweise wird die untergerichtliche Rechtsprechung in Altfällen die BGH-Rechtsprechung weiter anwenden. Dies gewährleistet jedenfalls eine einheitliche Rechtsprechung, die auf der Linie mit dem BGH liegt.

Dann aber wird wieder einmal spannend, wie § 60 RVG in den Fällen der außergerichtlichen Mandatierung vor Geltung des § 15a RVG und der  gerichtlichen Mandatierung nach Geltung des § 15a RVG anzuwenden ist.

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Sehr geehrter Herr Claes,

der Gesetzgeber scheint Ihre Ansicht im Rückschluss aus Ihren Ausführungen nicht zu teilen.

In Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/127/1612717.pdf  findet sich unter Abschnitt B. Lösung der folgende Hinweis:

"Der bisher nicht im Gesetz definierte Begriff der Anrechnung soll legaldefiniert werden, ...."

Die von Herrn Fölsch aufgeworfene Frage war bereits Gegenstand angeregter Diskussionen, wurde bisher allerdings in den einschlägigen Foren noch nicht thematisiert. Haben Sie, sehr geehrter Herr Fölsch, sich hierzu bereits eine Meinung gebildet? Über eine Wiederbelebung unseres Gedankenaustausches würde ich mich freuen.

 

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sehr geehrter Herr Schmeding,

ich sagte ja, -entgegen der Ankündigung. Man muß schauen, ob es auch eine ist, eine Legaldefinition. Auch da lohnt sich ein Blick ins Fachlexikon: "die in einem Gesetz enthaltene Umschreibung eines Rechtsbegriffs". Es wird als Beipiel verwiesen auf §§ 11 u. 330d StGB und Art. 2 EGBGB.

Dem entspricht der von mir genannte § 1 BerHiG. Aber nicht § 15a RVG, denn der enthält nur eine Rechtsfolge, eine Anwendungsregel, aber keine gesetzliche Definition. Dies müßte schon aus dem Vergleich mit der Definition der "Beratungshilfe" klar werden.

Der Gesetzgeber hat also zwar eine solche angekündigt, aber nicht formuliert.

Vielmehr beruht diese Anwendungsregel auf der von mir zitierten Definiton und setzt sie voraus.

Die von Herrn Fölsch aufgeworfene Frage setzt eine Rechtsänderung voraus, die aber nicht gegeben ist. Dies spricht der BGH indirekt selbst an, indem er ausführte, es sei eben Jahrzehnte lag alles falsch gemacht worden. Er legt nicht dar, daß dem ein anderes Recht zugrunde gelegen hätte.

§ 15a definiert den Begriff nicht anders als bisher, so daß eine Rechtsänderung nicht vorliegt, sondern nur eine Klarstellung im bisherigen Sinne.

Die Entscheidungen des BGH sind nicht geeignet, ein neues Recht zu schaffen, sondern es ist leider festzustellen, daß sie sich nicht am Recht orientiert haben. Dershalb ist der Gesetzgeber tätig geworden und mußte tätig werden.

Hallo Herr Schmeding,

zu der Frage habe ich mir noch keine Meinung gebildet. Aber ich könnte mir vorstellen, dass die Fälle parallel zu Situation des Inkrafttretens des KostRModG zu behandeln wären.

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Sehr geehrter Herr Claes,

der Meinungsstreit zur Anrechnung gründet wesentlich wenn nicht gar ursprünglich allein auf Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG.

Eine Legaldefinition des Begriffs "anrechnen" fehlte bisher und § 15a RVG und die Neufassung der PKH-Vergütungsbestimmungen im RVG gehen m.E. über das bisherige Verständnis dieses Begriffs hinaus.

Der Gesetzgeber hatte die Wirkungen der Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG in den Gesetzesmaterialien vollkommen anders beschrieben und hierauf fußt nach meiner Einschätzung die h.M. zur Anrechnung.

Mich interessiert, ob und ggf. welche Wirkungen § 15a RVG bei einer Mehrwertsteuererhöhung entfaltet. Die Geschäftsgebühr wird noch mit 19 % Mehrwertsteuer fällig und die Verfahrensgebühr künftig vielleicht mit 21 %.

Mich überrascht, wenn aus einer zweckbestimmten Zahlung auf eine Gebühr in der PKH-Vergütungsabrechnung eine Zahlung auf die Differenzvergütung wird.

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Sehr geehrter Herr Schmeding,

Gesetzesmaterialien: darf ich darauf hoffen, daß Sie mir das konkretisieren?

Ich hatte bereits in meinem Beitrag vom 19.02.09 auf den Gesetzentwurf v. 30.04.2002 hingewiesen, S. 96/97. Darauf haben Sie nicht geantwortet.

Dort nimmt der Verfasser Bezug auf § 118 BRAGO und führt aus, warum eine Begrenzung der Anrechnung erfolgt.

Von einer andersartigen Verrechnung kann ich nichts entdecken.

Oder ist das nur eine Annahme von Ihnen?

Sehr geehrter Herr Claes,

ich beziehe mich auf den (überarbeiteten/aktuelleren/letzten?) Gesetzentwurf des hier diskutierten KostRMoG Drucksache 15/1971 des Dt. Bundestags und dort auf S. 209.

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Ich möchte mich hier der Frage von Herrn Baumann anschließen. Der Bundestag hat bereits am 18.06.2009 das Gesetz auf den Weg gebracht. Das BMJ bestätigt dies auch und erklärt, dass die Regelung zur vorgesehene Schlichtungsstelle zum 01.09.2009 in Kraft tritt. Zum § 15a RVG, der am Tag nach der Verkündung in Kraft treten soll, findet sich dort nichts. Im Bundesanzeiger konnte ich auch noch keine Verkündung finden, verzögert sich der § 15a RVG jetzt noch bis September?

Danke für einen eventuellen Hinweis

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